Claudia Dux
SSB&H
SALK – Universitätsklinik für
Kinder- und Jugendchirurgie
Paracelsus Medizinische Universität
Müllner Hauptstr. 48
5020 Salzburg
Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit und
Obfrau des Salzburger Spina Bifida
Und Hydrocephalus Selbsthilfegruppe
Für Betroffene und Angehörige
Mitarbeiterin der Folsäurepräventionsarbeit
Salzburg am, 2006-09-09
Sehr geehrte Damen und Herrn!
Als eine von vielen Hunderten, betroffenen Müttern eines Kindes mit „Spina Bifida (Offener Rücken, Neuralrohrdefekt am Rücken) und Hydrocephalus“ in Österreich sowie Organisatorin einer langjährigen Öffentlichkeitsarbeit für Spina-Bifida-Betroffene und deren Angehörige, setze ich mich mit aller Entschiedenheit für das Inkrafttreten des Gesetzes zu Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin
B12 ein und befürworte dieses!
SPINA BIFIDA entsteht vor allem durch einen FOLSÄUREMANGEL zwischen dem 14. und dem 28. Schwangerschaftstag, an dem die meisten werdenden Mütter noch nicht um ihre Schwangerschaft wissen! Es kommt im unterschiedlichen Ausprägungsgrad zu einem vollständigen Verschluss der Wirbelsäule mit dem darin befindlichen Rückenmark. Dadurch kommt es meist zu
Lähmungen (mit unterschiedlichem Ausmaß) der unteren Extremitäten (Beine,
Füße) und einiger Organe, wie die der Blase und des Darmes. Damit verbunden wird bei den meisten Betroffenen zu viel Gehirnflüssigkeit gebildet, was die lebenserhaltende Implantation eines Ableitungssystems (Ventil/Shunt) im Kopf notwendig macht, um einen Überdruck der Flüssigkeit auf das Gehirn zu vermeiden. Dazu kommen oft noch Wachstumsstörungen, luxierte Hüften, usw. Je nach Schwierigkeit der Entwicklungsstörung muss die Blase alle zwei bis drei Stunden kathetert (Leerung mittels Hilfe eines Katheters), müssen täglich Blasen- und Darmspülungen, die verschiedensten Physiotherapien und Frühförderungen gemacht werden!
Die regelmäßige korrekte Anpassung der orthopädischen Schienen oder Schuhe und die Kontrolle auf deren Druckstellen, die genaue Verabreichung von Medikamenten, die Hilfen beim An- und Ausziehen, die Körperpflege, der ständige Sonnenschutz für den Kopf und oft auch die Gabe von spezieller Nahrung (Astronauten Nahrung) wegen Wachstumsstörungen, gehören genauso zum Alltag einer betroffenen Familie, wie das Erstellen eines sehr komplexen Versorgungsnetzes um das Kind herum.
Zu diesem „Team“ gehören neben Ärzten verschiedenster Disziplinen (Kinder-
Chirurgie, Interne, Kinderurologie, Orthopädie, Physikalische Medizin, Dermatologie, Sehschule, Psychologie) das Pflegepersonal im Krankenhaus, die Frühförderung, die Physiotherapeuten, die Kindergärten, die Schulen mit ihren Stütz- und Sonderschullehrern, die Psychotherapeuten, die Orthopädiefirmen, die Krankenkassen, die Beratungsstellen für Eltern und die heranwachsenden Jugendlichen sowie die verschiedensten Patientenforen und Selbsthilfegruppen!
Durch die komplette und notwendige Umstellung des Alltages einer Familie mit solch einem Kind, verändert sich auch die Zeit-, Kraft- und Geldeinteilung gravierend! So manche Familie zerbricht an dieser Dauerbelastung, wenn sie nicht in eine liebevolle und gleichgesinnte Großfamilie bzw. in einen verständnisvollen und hilfsbereiten Freundeskreis eingebunden ist.
DIESE KINDER haben ALLE einen EISERNEN UND STARKEN Willen sowie eine ansteckende FRÖHLICHKEIT gemeinsam und werden deshalb nicht umsonst
Als „SONNENSCHEIN-KINDER“ bezeichnet! Diese Frohnatur lassen sie sich meist auch nicht durch die vielen, immer wieder notwendigen und oft unvorhersehbaren, Operationen nehmen.
Zum Glück gibt es hier in Salzburg an der SALK-Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, unter der Leitung von Herrn Prim. Univ.-Prof. Dr. Günther Schimpl und seinem Team, seit vielen Jahren ein „SPINA-BIFIDA-ZENTRUM“ mit eigener regelmäßiger MMC-AMBULANZ, die unseren Kindern die
Möglichkeit vieler, international längst praktizierter, Operationen bietet, welche ihnen eine dementsprechende Selbständigkeit und Lebensqualität ermöglichen soll!
Manche Spina-Bifida-Betroffene können sehr wohl eine regelrechte Schule mit Integration und sogar eine Universität mit dementsprechenden baulichen Voraussetzungen besuchen bzw. einer geregelten Arbeit nachgehen. Ein großes und für Außenstehende nie überblickbares Fiasko und Ungeheuerlichkeit, bringt die zur Zeit starke Kürzung aller Integrationsstellen/plätze sowie die Sparmaßnahmen aller Krankenkassen und des Staates für unsere Betroffenen, was de facto bald eine „ABSCHIEBUNG“ zur Folge haben könnte!
Dabei ergibt sich zwangsläufig die Frage wie lange in Österreich JEDE FRAU noch RUSSISCHES ROULETTE spielen muss?
Im Jahr 2005 waren laut Statistik Austria von 77.252 Lebendgeburten
70-80 Kinder mit Spina Bifida betroffen!!! 70% dieser betroffenen Kinder wären bei rechtzeitiger Folsäuregabe vermeidbar gewesen. D.h. sie wären gesund und ohne jegliche Behinderung geboren. Ein Kind kostet dem Staat €500.000,- - 600.000,-! Im Gegensatz dazu würde bei einer gesetzlich verankerten Prävention die Anreicherung mit Folsäure ca. 0,0004 Euro / kg Mehl kosten!
Trotz international bewiesener und anerkannter Studien und gesetzlicher Verankerungen in anderen Ländern, bleiben die notwendigen Maßnahmen in Österreich aus!
Seit 1995 gibt es bereits massive Bemühungen von Seiten des ÖGK-Institutes, Herrn Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Herrn Nationalrat Ing. Hermann Schultes, Herrn Univ.-Doz. Dr. Olaf Stanger und mir! Dazu gehörten die regelmäßige Information der Bundesregierung, die Abhaltung etlicher Pressekonferenzen, Verfassen von Fachartikeln, Abhaltung von Fachtagungen sowie die mehrfachen Einreichungen von Petitionen an den/die jeweilige/n Gesundheitsminister/in! Aber nichts geschah!
Daher halte ich den Beschluss eines diesbezüglichen Gesetzes für eine dringend notwendige und ideale Maßnahme zur Behebung des Österreich weiten Folsäure und Vitamin B-12 Mangels sowie der Prävention aller Geburtsmissbildungen, im Speziellen die der Neugeborenen mit Spina Bifida und aller Neuralrohrdefekte!
Nachweislich konnte gezeigt werden, dass bei regelmäßiger und flächendeckender Folifikation die Anzahl der Neuralrohrdefekte und anderer Fehlbildungen um 49 – 78% gesenkt wurde!
Anmerkungen zum Gesetzesentwurf:
§1 Generell könnten Bio- bzw. Vollkornmehle von der Vorschreibung ausgenommen werden. Hier stellt sich das Problem der fertigungstechnischen Trennung und Qualitätsminderung nicht.
§ 2 (1) Die angegebenen Mengen sind zu wenig genau angeführt und sollten
unbedingt folgend ergänzt werden! Wesentlich ist, dass die zugefügte Menge von
200 µg Folsäure/100 g Mehl und 1µg Vitamin B12/100g Mehl angeführt
werden muss!
§ 2 Wesentlich wäre hier die deutliche Anführung, dass es sich um in Österreich hergestelltes und in Verkehr gebrachtes Mehl handelt welches
angereichert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Dux