3/SPET XXII. GP

 

 

 

Eingebracht am 15.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

Stellungnahme zu Petititon

 

 

 

VERBINDUNGSSTELLE DER BUNDESLÄNDER

BEIM AMT DER NÖ LANDESREGIERUNG

1010 Wien, Schenkenstraße 4

TELEFON: 01/535 37 61            TELEFAX: 01/535 60 79         E-mail: post@vst.gv.at

Bei Antwort bitte Kennzeichen angeben            Bearbeiter                                  Durchwahl       Datum

VST-4802/1                                    Mag. Teissl                  12               9. September 2003

Betrifft

Petition Nr. 10/XXII.GP.-NR gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und deren

Ersatz durch die Sozialhilfe neu;

Ersuchen um Stellungnahme;

Stellungnahmen von Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg und Wien

 

E-MAIL

 

4 Beilagen

 

An die

Parlamentsdirektion
Dr. Karl Renner-Ring 3
1017 Wien

 

 

1.        In der Betreffsangelegenheit übermittelt die Verbindungsstelle der Bundesländer
die Stellungnahmen von Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg und Wien.

2.        Der in den Länderstellungnahmen angesprochene Beschluss der Landessozial-
referentenkonferenz i.G. vom 13. Juni 2003
ist in Beilage 3 (Stellungnahme von
Vorarlberg) wiedergegeben.

3.        Die Verbindungsstelle der Bundesländer ersucht um Berücksichtigung.

 

Der Leiter
Dr. BRAND

 

Für die Richtigkeit
der Ausfertigung


AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG

Gruppe Landesamtsdirektion

Abteilung Landesamtsdirektion/Sekretariat

Postanschrift 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1

Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, 3109

 

An die

Verbindungsstelle der Bundesländer

Bürgerservice-Telefon 02742-9005-9005

In Verwaltungsfragen für Sie da. Natürlich auch außerhalb
der Amtsstunden: Mo-Fr 07:00-19:00, Sa 07:00-14:00 Uhr

Schenkenstraße 4

1014 Wien

Beilagen
LAD1-SE-8710/009-2003

(0 27 42) 9005
Durchwahl             Datum

13612             12. August 2003

Kennzeichen (bei Antwort bitte angeben)

Bezug                                                         Bearbeiter

VST-4802                                 Posch

Betrifft

Petition Nr. 10/XXII.GP.-NR gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und deren Ersatz
durch die Sozialhilfe neu; Stellungnahme

Zur Petition Nr. 10/XXII.GP.-NR gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und deren
Ersatz durch die Sozialhilfe neu verweist Niederösterreich auf den Beschluss der
politischen Sozialreferentenkonferenz der Bundesländer vom 13. Juni 2003 (siehe dazu
VST-141/238), der wie folgt lautet:

„ 1.   Die Landessozialreferentenkonferenz nimmt den Zwischenbericht der Bund/Länder-
Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung des Sozialhilferechts" zustimmend zur Kenntnis und
ist zur raschen Umsetzung dieser Vorschläge im Rahmen einer Vereinbarung gemäß
Art. 15a B-VG zwischen Bund und Ländern bereit.

2.        Das setzt aber voraus, dass auch der Bund in seinem Zuständigkeitsbereich die
entsprechenden Mindeststandards auf Basis dieses Länderkonzeptes definiert und
auch bereit ist, diese in eine solche Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG einzubringen.

3.        Die Überlegungen im Regierungsübereinkommen, die Notstandshilfe in die Sozialhilfe
überzuführen, würden alle bisherigen Bemühungen konterkarieren und werden daher
von der Landessozialreferentenkonferenz abgelehnt.

Grundsätzlich hat der für die Grundleistung zuständige Träger auch eine den
Lebensunterhalt sichernde Leistung zu gewähren. Damit sollen auch


Doppelgleisigkeiten, wie z.B. Notstandshilfe und Sozialhilfeleistungen, beseitigt
werden.

4. Die Landessozialreferentenkonferenz fordert den Herrn Bundesminister für

soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, die Frau Bundesministerin
für Gesundheit und Frauen und den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
auf, gemeinsam mit den Ländern im Herbst 2003 die Voraussetzungen für eine
Weiterentwicklung und Harmonisierung der materiellen Existenzsicherung im Rahmen
einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zu schaffen."

Da die vom Bund geplanten Maßnahmen im Zusammenhang mit der „Sozialhilfe neu"
noch nicht im Detail bekannt sind, kann eine Prüfung eventueller finanzieller Auswirkungen
derselben derzeit nicht erfolgen.

NÖ Landesregierung
Im Auftrage
Posch

elektronisch unterfertigt


SOZIALABTEILUNG

4021 Linz
Altstadt 30

An die

Verbindungsstelle der Bundesländer beim

Amt der NÖ. Landesregierung

Schenkenstraße 4

1010 Wien

Petition Nr. 10/XXII. GP.-NR gegen die Ab-
schaffung der Notstandshilfe und deren Ersatz
durch die Sozialhilfe neu; Stellungnahme


Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungs-
periode ist unter anderem der Punkt

„Überführung der Notstandshilfe in eine ,Sozialhilfe neu': Es soll geprüft werden die Notstand-
hilfe von der Zuständigkeit des AMS in die Sozialhilfe der Länder zu verlagern. Wesentliche
Voraussetzung dafür ist eine durch ein Sozialhilfegrundsatzgesetz oder eine Artikel 15-a-Verein-
barung harmonisierte Regelung der gesamten "Sozialhilfe neu"."

enthalten.

Gegen ein derartiges Vorhaben sprechen zahlreiche Gründe, die bereits von a. Univ.-Prof. Dr.
Walter J. Pfeil (vgl. Weiterentwicklung des Sozialhilferechts: Zwischenbericht der Arbeitsgrup-
pe im BMSG, redigiert von a. Univ.-Prof. Dr. Walter J. Pfeil, 16. Mai 2003) zusammenfassend
wie folgt dargestellt wurden:

-         Zunächst ist zu betonen, dass die Sozialhilfebehörden für die sich daraus ergebenden Betreu-
ungs-, Vermittlungs- und Qualifizierungsaufgaben strukturell und von ihrer fachlichen und
personellen Ausrichtung nicht geeignet sind, und daher eine nachhaltige Überwindung der
Notlage Arbeitslosigkeit in geringerem Ausmaß bzw. weniger rasch zu erwarten ist.

-         Daneben würde diese Verschiebung eine deutliche Verschlechterung der Rechtsposition von
Notstandshilfebeziehern bzw. -bezieherinnen bewirken, die derzeit weder ihr Vermögen
einsetzen noch mit Kostenersatzpflichten (zumal solchen für ihre Eltern oder Kinder)
rechnen müssen, aber andererseits Ansprüche in der Krankenversicherung sowie auf
Anerkennung von Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung haben.

-         In vielen Fällen würde es zudem zu einer erheblichen Reduzierung der Leistungshöhe für die


Anspruchsberechtigten kommen, wobei weibliche Arbeitslose ganz besonders betroffen sein
würden.

-    Schließlich würde eine Verlagerung der Notstandshilfe zur Sozialhilfe zu einer dramatischen
zusätzlichen Kostenbelastung für die Länder und vor allem die Gemeinden führen.

Aus den dargestellten Gründen kann aus hsg. Sicht eine Überführung der Notstandshilfe in eine
, Sozialhilfe neu' nicht befürwortet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Oö. Landesregierung:
Im Auftrag

Dr. Margit Scholta

Hinweise:

Wenn Sie mit uns schriftlich in Verbindung treten wollen, richten Sie Ihr Schreiben bitte an das Amt der Oö. Landesregierung,
Sozialabteilung, Altstadt 30, 4021 Linz, und führen Sie das Aktenzeichen dieses Schreibens an.



 


Zahl: PrsR-640.01


Bregenz, am 21.08.2003


Verbindungsstelle der Bundesländer                                         Auskunft:

beim Amt der NÖ Landesregierung                                          Dr Wolfgang Oberhauser

Schenkenstraße 4                                                                        Tel: #43(0)5574/511-24126
1014 Wien


Betreff:     Petition Nr 10/XXII GP.-Nr gegen die Abschaffung der Notstandshilfe und
deren Ersatz durch die Sozialhilfe neu;

Stellungnahme

Bezug:       Schreiben vom 21.7.2003, VST-4802

 

Die Landessozialreferentenkonferenz hat anlässlich ihrer Tagung am 12./13. Juni 2003
in Viktorsberg zur gegenständlichen Angelegenheit (TOP 1.) folgenden Beschluss ge-
fasst:

3.           Die Überlegungen im Regierungsübereinkommen,  die Notstandshilfe in die
Sozialhilfe überzuführen, würde alle bisherigen Bemühungen konterkarieren und
werden daher von der Landessozialreferentenkonferenz abgelehnt. Grundsätzlich
hat der für die Grundleistung zuständige Träger auch eine den Lebensunterhalt
sichernde Leistung zu gewähren. Damit sollen auch Doppelgleisigkeiten, wie zB
Notstandshilfe und Sozialhilfeleistungen, beseitigt werden.

4.           Die Landessozialreferentenkonferenz fordert den Herrn Bundesminister für Soziale
Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, die Frau Bundesministerin für
Gesundheit und Frauen und den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
auf, gemeinsam mit den Ländern im Herbst 2003 die Voraussetzungen für eine
Weiterentwicklung und Harmonisierung der materiellen Existenzsicherung im
Rahmen einer Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG zu schaffen."


In die vorgesehene Art 15a B-VG-Vereinbarung sollen einerseits die Ergebnisse der
Bund/Länderarbeitsgruppe „Weiterentwicklung des Sozialhilferechts" und andererseits
vom Bund angestellte Überlegungen zur „Sozialhilfe neu" einfließen. Da die ent-
sprechenden Verhandlungen erst aufgenommen werden, können über finanzielle Aus-
wirkungen derzeit noch keine Angaben gemacht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Vorarlberger Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

in Vertretung

Dr Wilfried Längle


AMT DER
An die                                                                          WIENER LANDESREGIERUNG

Verbindungsstelle der Bundesländer                                   MD-Allgemeine Angelegenheiten

beim Amt der NÖ Landesregierung                                                   Rathaus

                                                                                                                  1082 Wien, Telefon 40 00...

                                                                                                             E-Mail post@mda.magwien.gv.at

Bezug (Geschäftszahl, Schreiben vom)     Sachbearbeiter                          Nebenstelle        Stiege/Stock/Zimmer

VST-4802                               -                                 82124             5/2/407

Geschäftszahl, Betreff                                                                                                                          Datum

MDA-1745-1 und 2/03                                               Wien, 22. August 2003

Petition Nr. 10/XXII.GP.-NR gegen die
Abschaffung der Notstandshilfe und
deren Ersatz durch die Sozialhilfe neu

Auf das Schreiben vom 21. Juli 2003 teilt das Amt der Wiener Landesregierung zum
Ersuchen der Parlamentsdirektion Folgendes mit:

Der Bund hat in den letzten Jahren eine Reihe seiner Aufgaben den österreichischen
Kommunen und Ländern übertragen, ohne die dazu korrespondierenden finanziellen
Mittel zur Verfügung zu stellen. Weiters sind bedeutende Einnahmequellen der vom
Bund unterschiedlichen Gebietskörperschaften weggefallen bzw. eingeschränkt wor-
den. Vor dem Hintergrund der zusätzlich von den Ländern und Gemeinden zu er-
bringenden Solidarbeiträge nach dem Österreichischen Stabilitätspakt 2002 ist eine
Übernahme der Notstandshilfe in die Sozialhilfe der Länder auf Grund der ange-
spannten budgetären Situation nicht verkraftbar.

Eine derartige ersatzlose Überwälzung der Kosten der sozialen Verantwortung des
Bundes kann nur zu Lasten der Anspruchsberechtigten erfolgen und wird daher von
der Stadt Wien vehement abgelehnt. Aus fachlicher Sicht ist die Diskussion von Al-
ternativen im System der sozialen Grundversorgung durchaus anzustreben.


Im Einzelnen wird Folgendes ausgeführt:

1. Fehlende organisatorische Strukturen:

Für Wien würde der Ersatz der Notstandshilfe durch die Sozialhilfe neu eine Ver-
lagerung von ca. 40.000 Fällen, für die Organisationsstrukturen aufgebaut werden
müssten, bedeuten. Des weiteren könnte eine solche Verlagerung auch dazu füh-
ren, dass die Länder, die im Bereich der Arbeitsvermittlung nur vereinzelt Know-
how besitzen, sich Zug um Zug auch um die Arbeitsvermittlung ihrer Klientel küm-
mern müssten. Die Arbeitsvermittlung von Sozialhilfebezieherlnnen durch das
AMS funktioniert bereits derzeit kaum; der Zugang zu Förderungsmitteln kommt in
der Regel Arbeitslosen mit besseren Vermittlungschancen zu Gute, während So-
zialhilfebezieherlnnen (und damit sind auch die sogenannten Sozialhilfebezie-
herlnnen neu zu verstehen) meist keine Möglichkeit haben, Kurse bzw. Wieder-
eingliederungsmaßnahmen durch das AMS zu erhalten.

Mit dem Vorschlag, die Notstandshilfe in eine Sozialhilfe neu umzuwandeln, ist
auch der Wunsch und die Notwendigkeit gegeben, das Leistungssystem der Sozi-
alhilfe zu verbessern. Aus fachlicher Sicht wären insbesondere ein österreichweit
einheitliches System, der Verzicht auf den Ersatz der Kosten sowie eine einge-
grenzte Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen (z.B. Dazuverdienst-
möglichkeiten) zu begrüßen. Es steht jedoch zu erwarten, dass solche Verbesse-
rungen zum überwiegenden Teil durch die Länder geleistet werden müssten. Zu
erwarten ist auch ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit. In Wien ist dieser
Anstieg insbesondere im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit (Notstandshilfe) be-
reits seit längerem zu bemerken. Ein weiterer Anstieg der Kosten ist durch die
Tatsache zu erwarten, dass es nach wie vor einen hohen Anteil von Menschen mit
geringen Einkommen gibt, die ihre Ansprüche auf Sozialhilfe nicht geltend ma-
chen. Ein Mindestsicherungssystem aller früheren Notstandshilfebezieherlnnen
würde ebenfalls zu einem Anstieg der Ausgaben der Länder führen, wobei die Er-
fassung dieser Gruppe aus fachlicher und sozialpolitischer Sicht erstrebenswert
wäre, nur dürfte diese nicht ausschließlich zu Lasten der Länder gehen.


Es wird auch darauf hingewiesen, dass der Vollzug der Sozialhilfe durch die Be-
zirkshauptmannschaften, in Kooperation mit Gemeindeämtern im ländlichen
Raum, der sozialen Ächtung und in der Folge einem weiteren Anstieg der "Land-
flucht" von Sozialhilfe neu-Bezieherlnnen in die Anonymität der Großstadt Vor-
schub leistet.

2.  Erhöhung des Armutsrisikos:

Der Plan, aus einer Versicherungsleistung eine reine Sozialhilfeleistung zu ma-
chen, führt vor allem zu einem weiteren Statusverlust von arbeitslosen Menschen.
Allein die Tatsache, dass jemand arbeitslos wird und innerhalb eines längeren
Zeitraums keine Arbeit findet, darf kein Grund für einen Sozialhilfebezug sein.
Sozialhilfe sollte auch in Zukunft als letztes soziales Sicherungsnetz dienen (Sub-
sidiarität) und nicht - wie bereits seit den 80er Jahren verstärkt bemerkbar - für
große Bevölkerungsgruppen zur Normalität werden.

Das derzeitige System der Sozialhilfe enthält nach wie vor kaum aktivierende
Elemente und degradiert Sozialhilfebezieherlnnen zu bloßen EmpfängerInnen von
Geldleistungen. Aus der Sicht des Landes Wien kann die Sozialhilfe nicht die
Antwort auf Probleme im Arbeitsmarkt und die stetig steigenden Ausgaben im Be-
reich der Arbeitslosenversicherung sein. Eine Verlagerung in die Sozialhilfe ist be-
reits in den letzten Jahren bemerkbar gewesen. So haben die Reduzierung von
Familienzuschlägen, die geänderten Zumutbarkeitsbestimmungen sowie der kon-
krete Vollzug in der Arbeitslosenversicherung (z.B. Sanktionsmöglichkeiten) einen
Anstieg der Sozialhilfezahlen bewirkt. Die jüngste Pensionsreform wird ebenfalls
Auswirkungen auf die Anzahl der BezieherInnen von Sozialhilfe haben.

Sozialhilfebezieherlnnen sind weiters nicht krankenversichert. Die Zeiten der So-
zialhilfe sind nicht pensionsbegründend und können auch nicht als neutrale Zeit
im Arbeitslosenversicherungsrecht herangezogen werden. Außerdem sind die
Rechte von Sozialhilfebezieherlnnen stark eingeschränkt und die Höhe der Sozi-
alhilferichtsätze ist kaum ausreichend, um die ständig steigenden Lebenserhal-
tungskosten zu decken. So steigen nicht nur die Ausgaben zur Abdeckung von


Rechtsansprüchen, sondern auch die zusätzlichen Ausgaben der Länder für frei-
willige Leistungen (z.B. im Bereich der Delogierungsprävention). Des weiteren ist
der Kreis der Anspruchsberechtigten in der Sozialhilfe in den meisten Landesge-
setzen (z.B. WSHG) fast ausschließlich auf Inländer beschränkt. Damit würde die
mittlerweile nicht unbedeutende Gruppe der MigrantInnen wieder einmal aus dem
System ausgeschlossen. Nicht unerwähnt soll auch bleiben, dass fast alle Länder
Regress gegenüber den Hilfesuchenden und ihren nahen Verwandten (Eltern,
Kinder) erheben. Eine einhellige Auffassung in diesen Fragen konnte auch nach
längeren Diskussionen in der Arbeitsgruppe Weiterentwicklung des Sozialhilfe-
rechts nicht erzielt werden.

3. Andere Perspektiven:

Grundsätzlich ist eine Neuordnung des Systems der materiellen Grundsicherung
zu begrüßen, weil das derzeitige System weder als effizient noch effektiv angese-
hen werden kann.

Während der Bund bereits seit längerem über die Abschaffung der Notstandshilfe
diskutiert (siehe auch das Regierungsprogramm), haben sich die Länder erst kürz-
lich bei der letzten Sozialreferentenkonferenz einstimmig gegen die Abschaffung
der Notstandshilfe ausgesprochen. Gefordert wird eine Mindestsicherung in den
einzelnen Leistungssystemen als Grundvoraussetzung zur Harmonisierung der
Sozialhilfegesetze.

Vor kurzem hat nun auch der Bund diese Idee aufgegriffen; ein Dreisäulenmodell
wurde von Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein der Öffentlichkeit via Kurier prä-
sentiert. Dieses Modell sieht die Versorgung von arbeitsfähigen Personen durch
das AMS (Grundsicherung und Vermittlung), von nicht arbeitsfähigen Personen
durch die Sozialämter (Grundsicherung und soziale Rehabilitation) sowie von Per-
sonen, die das gesetzliche Pensionsalter erreicht haben, durch die Pensionsversi-
cherungsanstalten vor. Auf den Internetseiten des BMWA findet sich dieser Vor-
schlag in etwas abgewandelter Form wieder
(http://www.bmwa.gv.at/BMWA/
Aktuelles/Arbeit/00899sozialhilfe.htm).


Dieses Modell entspricht grundsätzlich den Vorstellungen der Länder, wobei es im
Wesentlichen darauf ankommen wird, wie und durch wen die "Arbeitsfähigkeit"
definiert wird. Bei einer Beibehaltung der bisherigen Definition im Arbeitslosenver-
sicherungsrecht würde dieses Modell eine massive administrative und auch bud-
getäre Entlastung der Länder bedeuten. Andeutungen darüber finden sich bereits
auf der Homepage des BMWA. Da aber davon auszugehen ist, dass es zu einer
Neudefinition der "Arbeitsfähigkeit" kommen wird, ist die Einschätzung der Aus-
wirkungen schlichtweg nicht möglich. Von Seiten der Länder (bzw. Gemeinden
und Städte) wäre die Koppelung der Arbeitsfähigkeit an den Gesundheitszustand
und nicht (oder nur zum Teil) an die Dauer der Arbeitslosigkeit einzufordern.
Zugleich sind Regelungen für den Übertritt vom jeweiligen Leistungssystem ins
andere zu definieren. Auf jeden Fall sind Systeme zu vermeiden, die das "Herum-
schieben" von arbeitslosen Menschen von einem System ins andere fördern.

Des weiteren erscheint die Ankündigung, dass sich die Leistungshöhe an der Not-
standshilfe orientieren und auf die zukünftige Leistung kein Rechtsanspruch be-
stehen wird, sowohl demokratie- als auch sozialpolitisch äußerst bedenklich. Die
Streichung von Rechtsansprüchen stellt jedoch nicht nur für die BezieherInnen
solcher Leistungen einen Nachteil dar, sondern könnte Leistungen, die eigentlich
der Bund tragen müsste, ganz massiv an die Länder (bzw. auch an die Gemein-
den) verlagern. Nicht ganz unbeachtet sollte auch die Tatsache bleiben, dass so-
ziale Rehabilitation bzw. Integration wohl höhere Kosten und einen größeren Per-
sonalaufwand als die reine Arbeitsintegration von arbeitsfähigen und motivierten
KlientInnen verursacht.

Die finanziellen Auswirkungen auf die Länder bzw. Gemeinden sind aus dem der-
zeitigen Stand der Diskussion und auf Grund des lückenhaften und zum Teil sehr
unterschiedlichen Zahlenmaterials nur sehr schwierig einzuschätzen. Sollte es zu
einer Verlagerung der Notstandshilfe in die Sozialhilfe kommen, so ist in Wien oh-
ne Berücksichtigung der personellen und auch organisatorischen Ressourcen mit
finanziellen Mehraufwendungen in der Sozialhilfe von ca. 300.000.000 € It. AMS-
Jahresbericht 2002 zu rechnen. Dies entspricht in etwa dem Doppelten der derzei-
tigen Sozialhilfeaufwendungen in Wien.


Geht man vom derzeitigen Personalstand der Magistratsabteilung 12-wien sozial
im Bereich des Sozialhilfevollzuges aus, so wäre unter Zugrundelegung dieser
Annahmen zur Administration der "Sozialhilfe neu" ein zusätzlicher Bedarf von ca.
240 MitarbeiterInnen in Wien erforderlich. Wenn man jedoch von dem Mitarbei-
terInnenstand des AMS und der Tatsache ausgeht, dass die Anzahl der Not-
standshilfebezieherlnnen sogar höher als die Anzahl der Arbeitslosengeldbezie-
herInnen ist, so muss - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die schwierigere Klientel
in der Sozialhilfe - mit einem zusätzlichen Bedarf von bis zu 570 MitarbeiterInnen
gerechnet werden.

Angesichts der sozialpolitischen und budgetären Auswirkungen ist die Verlagerung
der Notstandshilfe in die Sozialhilfe abzulehnen.

Für den Landesamtsdirektor:

Dr. Samek
Senatsrat