V-10 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Dienstag, 14. Juni 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXII. Gesetzgebungsperiode                          Dienstag, 14. Juni 2005

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

RAT 7941/05

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (Eurovignette)

(49953/EU XXII. GP)


Für die Wegekostenrichtlinie liege nun ein Kompromiss vor, dem Österreich zustimmen könne. Das betonte Staatssekretär Helmut Kukacka im Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union am 14. Juni 2005. Durch intensives Lobbying und konsequente Verhandlungen sei es gelungen, eine möglichst weitgehende Berücksichtigung österreichischer Kernanliegen durchzusetzen. Er gehe davon aus, dass das Verfahren im Europäischen Parlament zur endgültigen Beschlussfassung der Richtlinie noch unter der britischen Präsidentschaft im kommenden Herbst beendet werden könne.

 

Die österreichische Methode zur Berechnung der Baukosten auf Basis des Wiederbeschaffungswertes könne weiterhin angewendet werden, und zwar unter zeitlich unlimitierter Anrechnung der Baukosten, erläuterte Kukacka den Inhalt des vorliegenden Ratsbeschlusses. Das österreichische Mautsystem sei somit als gleichwertig mit anderen Konzessionssystemen gewertet worden. Damit habe eine drastische Senkung der Sondermauttarife und eine generelle Senkung des österreichischen Mauttarifs abgewendet werden können, unterstrich der Staatssekretär.

 

Erstmals sei es auch gelungen, das Prinzip der Querfinanzierung von Schieneninfrastrukturprojekten über Mautzuschläge im Straßenbereich explizit zu verankern. Die politische Einigung sehe die Möglichkeit vor, in Bergregionen für die Querfinanzierung vorrangiger Schienenprojekte von europäischem Interesse einen Zuschlag einzuheben, der 15 % der berechneten durchschnittlichen Mautgebühren nicht überschreiten darf. Zum Zweck der Finanzierung grenzüberschreitender Abschnitte vorrangiger Schienenvorhaben von europäischem Interesse in Bergregionen soll der Zuschlag 25 % betragen dürfen. Damit, so Kukacka, werde es möglich sein, auf der Brenner-Autobahn einen Mautzuschlag in der Höhe von 25 % einzuheben. Dazu gebe es bereits einen "Sideletter" mit dem italienischen Verkehrsminister, der auch von der Europäischen Kommission bestätigt worden sei. Auf der Strecke der Inntal-Autobahn werde man den Mauttarif für Querfinanzierungen um 15 % anheben können.

 

Kukacka bestätigte auch, dass im Sinne eines Vorgriffs auf die Richtlinie die Maut nicht gesenkt werden müsse, wenn Österreich mittels einer neuen Infrastrukturberechnung die Konformität der Maut mit der neuen Richtlinie nachweisen könne. Sollte dies der Fall sein, werde die Kommission auch mit Inkrafttreten der neuen Wegekostenrichtlinie das Brennermaut-Verfahren einstellen.

 

Wie der Staatssekretär weiter ausführte, biete die Wegekostenrichtlinie auch die Möglichkeit einer stärkeren Differenzierung der Mauttarife nach ökologischen Kriterien sowie der Bemautung des gesamten Straßennetzes für LKW über 3,5 Tonnen. Damit habe man eine wesentliche Verbesserung gegenüber der derzeitigen Situation erzielt, betonte er.

 

Selbstverständlich handle es sich bei der vorliegenden Einigung um einen Kompromiss, und Österreich werde weiterhin intensivstes Lobbying im Europäischen Parlament betreiben, um weitere Verbesserungen zu erreichen. Das sei nicht leicht, da die Interessenslagen der Länder sehr unterschiedlich seien. Man könne nicht erwarten, dass alle österreichischen Anliegen bei den anderen 24 Staaten durchzusetzen seien. So hätten beispielsweise Länder, die nicht in Mitteleuropa liegen, das Interesse, ihre Waren so rasch wie möglich und so billig wie möglich in Europa zu transportieren. Österreich wiederum liege im Zentrum der Warenströme.

 

Wie der Information des Ministeriums zu entnehmen ist, wurde die vom Europäischen Parlament und Österreich geforderte Definition der externen Kosten, deren Internalisierung sowie die Entwicklung eines einheitlichen Berechnungsmodells durch die Kommission vom Rat abgelehnt. Der Rat hat auch die Möglichkeit vorgesehen, eine Ermäßigung für Vielfahrer in der Höhe von maximal 13 % der Mautgebühr, die von gleichwertigen, nicht ermäßigungsberechtigten Fahrzeugen eingefordert wird, zu gewähren. Österreich hat sich dagegen ausgesprochen. Die ursprünglich geplante Zweckbindung der Mauteinnahmen für die Erhaltung und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wurde sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament abgelehnt.

 

Als Ziel der neuen Wegekostenrichtlinie wird seitens der EU genannt, die Regeln für die Einhebung von Maut- und Benutzungsgebühren zu vervollständigen, um faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Infrastrukturbetreibern zu gewährleisten. Außerdem will man damit einen Beitrag zur Lösung der Finanzierungsprobleme der großen Verkehrsinfrastrukturen leisten.

 

Der luxemburgischen Präsidentschaft ist es nach jahrelangen zähen Verhandlungen gelungen, einen Kompromissvorschlag vorzulegen, der im vergangenen April im Rat mit qualifizierter Mehrheit, unter anderem auch mit der Stimme Österreichs, angenommen wurde.

 

Abgeordnete Gabriela Moser (G) hakte sogleich bei jenen Punkten ein, die aus österreichischer Sicht noch nicht zufrieden stellend gelöst sind und brachte dazu einen Antrag auf Stellungnahme ein. Die Grünen kritisieren insbesondere, dass die Richtlinie keine Maßnahmen mit verkehrslenkender, verkehrsbegrenzender und verkehrsverlagernder Wirkung vorsieht. In Anlehnung an das Beispiel der Schweizer Mautkalkulation vermissen die Grünen auch die Möglichkeit, derzeit externalisierte Kosten des Verkehrs, wie Unfall-, Gesundheits- und Umweltkosten, einrechnen zu können. Somit sei Österreich mit seinem Anspruch einer Ökologisierung und der Entwicklung eines Nachfolgeprojekts der Ökopunkte gescheitert, stellte Moser fest. Als Resultat dürfe die Maut "mit Ach und Krach" so bleiben, wie sie ist. Sie wolle endlich die Marktwirtschaft im Transportgewerbe verwirklicht wissen, forderte sie mit Nachdruck ein.

 

Moser kritisierte auch scharf, dass der Unterausschuss nicht vor den Verhandlungen im Rat zusammengetreten ist. In diesem Zusammenhang brachte sie auch einen Antrag auf Ausschussfeststellung ein. Der Vorsitzende des Ausschusses, Abgeordneter Werner Fasslabend (V), entgegnete, es habe mehrere Gespräche über Termine für Ausschusssitzungen gegeben, leider habe man sich auf keinen einigen können. Seitens der Grünen sei auch kein gesonderter Wunsch geäußert worden.

 

Der Antrag auf Stellungnahme wurde von den Abgeordneten der ÖVP, des Freiheitlichen Parlamentsklubs und der SPÖ mehrheitlich abgelehnt. Ebenso in der Minderheit blieb der Antrag auf Ausschussfeststellung. ÖVP und F stimmten dagegen.

 

Abgeordnete Moser (G) ging in der Folge näher auf Aussagen des Vizekanzlers im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses ein und fragte, ob der Zuschlag von 25 % auf der Brennerautobahn auch für die Scheitelstrecke verwendet werden dürfe. Kritisch hinterfragte sie auch den für Juni geplanten "Quickstart" für einen Sondierungstunnel, da ein Konzept für den Brenner-Basistunnel erst für den Herbst vorliegen werde. Unklarheiten bestanden für sie auch im Hinblick auf die Einstellung der Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Dazu hielt sie aus ihrer Sicht fest, dass die Klagen allein die Tiroler Frächter und die Tiroler Landesregierung zu verantworten hätten.

 

Sorgen machte sich die Abgeordnete um die Menschen in Tirol, die von den Schadstoffemissionen betroffen sind. Falls der Brenner-Basistunnel gebaut werde, gehe dieser frühestens 2015 in Betrieb. Für diesen Zeitraum müssten entsprechende Maßnahmen im Interesse der Gesundheit getroffen werden, verlangte sie.

 

Abgeordneter Kurt Eder (S) bedauerte, bestimmte Detailfragen nicht mit dem Minister selbst klären zu können. Für ihn ist es unverständlich, dass auf der Strecke Kufstein - Innsbruck nur 15 % Zuschlag möglich sein sollen, obwohl auch diese Strecke grenzüberschreitend ist.

 

Näher beschäftigte sich Eder mit der Finanzierung des Brenner-Basistunnels und fragte, ob die EU tatsächlich bereit sei, 50 % der Kosten für den Probestollen zu übernehmen. Mit bestimmten Zweifeln betrachtete Eder die ursprünglichen Finanzierungszusagen zu den Gesamtkosten des Tunnels in der Höhe von 8 bis 9 Mrd. €. Diese seien unter der Voraussetzung gegeben worden, dass die Länder 1,26 % ihrer Wirtschaftsleistung zum EU-Budget beitragen. Im Lichte des luxemburgischen Vorschlags für die finanzielle Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013, die Mitgliedsbeiträge auf 1,06 % zu begrenzen, könnte diese Zusage gefährdet sein, mutmaßte Eder. Diese Frage wurde auch von seinem Klubkollegen, Abgeordnetem Gerhard Reheis, aufgeworfen.

 

Reheis zeigte sich mit dem gefundenen Kompromiss angesichts der wachsenden Transitproblematik höchst unzufrieden. Die Hoffnung, die neue Wegekostenrichtlinie würde zu mehr Kostenwahrheit im Straßenverkehr führen, sei nicht einmal im Ansatz erfüllt, so seine Sicht der Dinge.

 

Abgeordneter Caspar Einem (S) erkundigte sich nach den laufenden Vorarbeiten für das neue Kostenmodell sowie nach der durchschnittlichen Maut in Kufstein. Er meinte auch, die Regierung müsse Vorkehrungen treffen, sollte die Beschlussfassung der Wegekostenrichtlinie in diesem Jahr nicht mehr gelingen. Dann müsste Österreich als Vorsitz führendes Land das Vermittlungsverfahren leiten und könnte seine Anliegen in dieser Funktion nur sehr schwer vertreten.

 

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) thematisierte die Differenzierungsmöglichkeiten der Maut und fragte, ob das elektronische Mautsystem überhaupt in der Lage sei, die unterschiedlichen Daten zu erfassen.

 

Verwundert über die Kritik der Opposition zeigte sich Abgeordneter Maximilian Walch (F). Vizekanzler Gorbach habe einen vollen Erfolg eingefahren und mit Überzeugungskraft gerettet, was zu retten war. Es würden sogar die Klagen eingestellt, betonte er, und deshalb sollte man das Positive hervorheben.

 

Dem stimmte auch Abgeordneter Werner Fasslabend (V) zu. Dem Vizekanzler sei es nach politischem Ermessen gelungen, eine hervorragende Lösung zu erzielen. Man müsse die schwierige Situation Österreichs in Betracht ziehen, sagte der Obmann des Ausschusses. Die Nachbarn Italien und Deutschland, letzterer mit einer rot-grünen Regierung, hätten Österreich nicht unterstützt, sodass Österreich jahrelang mit seinen Anliegen allein gestanden sei.

 

Abgeordnete Karin Hakl (V) wies auf die Schwierigkeiten und Komplexität der Materie hin, weshalb die vorliegende Einigung für sie einen großen Schritt bedeutet. In einer Replik auf Abgeordnete Moser ging sie auf die unterschiedlichen Situationen in der Schweiz und in Tirol ein. Im Nachbarland seien längere Strecken zu bewältigen, die Brennerroute stelle eine relativ kurze Strecke dar. Das Bemühen aller müsse nun darauf gerichtet sein, die Bemautung auf den langen Korridor von München bis Verona auszuweiten. Dies bedürfe aber bilateraler Verhandlungen, sagte sie. Damit könnten gewünschte Verlagerungseffekte erzielt werden. Man müsse aber auch die nötige Infrastruktur schaffen, um den Verkehr überhaupt verlagern zu können. Im Unterinntal sei man bereits dabei, die Entflechtung des Verkehrs vorzunehmen und Flaschenhälse zu beseitigen.

 

Es sei auch nichts Ungewöhnliches, dass die EU einen Probestollen zu 50 % mitfinanziert. Dieser diene dazu, geologische Risken von vornherein auszuschließen, was einen wesentlichen Sicherheitsfaktor für die Planung und für die Abschätzung der Kosten darstelle. Das sei auch unter einem so genannten "Quickstart" zu verstehen, bemerkte Hakl.

 

Zum Gesundheitsaspekt meinte sie, dass die Situation für die Bevölkerung keineswegs gut sei, aber wissenschaftliche Untersuchungen hätten keine signifikant höheren Asthmaerkrankungen nachweisen können.

 

Abgeordneter Franz Xaver Böhm (V) erinnerte an die Geschichte der Brennerstrecke und unterstrich die rasante technische Entwicklung während der letzten Jahrzehnte. Diese sei vor allem durch die Ökopunkte forciert worden. Böhm räumte auch ein, dass ein Großteil der Verkehrsbelastung durch den Quellenverkehr und nicht durch den Transit hervorgerufen werde. So hätten Berechnungen auf der Tauern- und Scheitelstrecke ergeben, dass nur 18 Prozent der Lkw über 7,5 t dem Transit zuzurechnen seien.

 

In seiner abschließenden Stellungnahme betonte Staatssekretär Helmut Kukacka abermals die Notwendigkeit, weiterhin Lobbying in Brüssel zu betreiben und appellierte auch an die Abgeordneten, sich bei den eigenen Fraktionen im Europäischen Parlament für die Interessen Österreichs einzusetzen. Mit den Fraktionsvorsitzenden und der neuen Berichterstatterin habe die Bundesregierung bereits Kontakte in dieser Frage geknüpft.

 

Im Hinblick auf die angeschnittenen Fragen präzisierte Kukacka, seitens der Europäischen Kommission gebe es eine Zusage, den Sonderstollen zu 50 % mitzufinanzieren. Eine schriftliche Vereinbarung liege jedoch noch nicht vor. Selbstverständlich werde keine Bauentscheidung vor einem endgültigen Finanzierungskonzept für den Brenner-Basistunnel fallen. Das Konzept, bei dessen Erarbeitung die Europäische Kommission und die Europäische Investitionsbank eingebunden seien, werde wahrscheinlich im Sommer vorliegen. Die Entscheidung über den Bau des Sondierungsstollens kündigte Kukacka für den Herbst an, in der weiteren Phase würden dann die politischen, rechtlichen und bautechnischen Entscheidungen fallen.

 

Die Förderung der EU sei in erster Linie für den Brenner-Basistunnel gedacht, der "Sideletter" schließe aber die Scheitelstrecke nicht aus, so Kukacka. Die Unterinntalstrecke werde deshalb mit einem Zuschlag von 15 % auskommen müssen, weil es sich um eine innerstaatliche Strecke handelt. Abgeordneter Hagenhofer gegenüber sicherte Kukacka zu, dass das Mautsystem grundsätzlich alle technischen Voraussetzungen erfülle, um die technischen Umstellungen im Hinblick auf die neuen Erfordernisse bewerkstelligen zu können.

 

Kukacka unterstrich nochmals, dass die Klagen derzeit auf Eis gelegt seien. Die Kommission werde das Verfahren bezüglich der Brennermaut mit Inkrafttreten der Wegekostenrichtlinie einstellen, wenn Österreich die Richtlinienkonformität der neuen Mauttarife nachweisen könne. In Bezug auf das sektorale Fahrverbot befürchtete Kukacka eine Verurteilung. Die Maut auf der Scheitelstrecke habe 1998 84 € betragen, heute würden 49 € ohne Mehrwertsteuer eingehoben. Auf der Gesamtstrecke würden aber nach wie vor 84 € verlangt, so die Antwort auf Abgeordnetem Einem.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag auf Stellungnahme der Grünen wurde von den Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und des Freiheitlichen Parlamentsklubs abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

 

 

betreffend (RAT 7941/05) „Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (Eurovignette)“ (49953/EU XXII.GP)

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des EU-Unterausschusses am 14. Juni 2005

 

 

 

 

Der Verkehrsministerrat hat sich am 21.4.2005 mit qualifizierter Mehrheit auf einen für Österreichs Bevölkerung und Umwelt schlechten Kompromiss bei der neuen Wegekostenrichtlinie (Änderung der RL 1999/62/EG, „Eurovignette“) geeinigt.

 

Österreichs Regierungsvertreter, Verkehrsminister und Vizekanzler Gorbach, hat diesem Kompromiss in Abstimmung mit seinen RegierungskollegInnen von ÖVP und FPÖ/BZÖ zugestimmt, obwohl die Ratseinigung in mehreren konkreten Punkten grob unzureichend ist:

+ Sie wird nicht einmal den bescheidenen Vereinbarungen im geltenden Regierungsübereinkommen gerecht, das festhält: „Im Zuge der Erarbeitung einer neuen EU-Wegekostenrichtlinie sind insbesondere das Konzept ökosensibler Zonen (z.B. Gebiet der Alpenkonvention, großstädtische Ballungsräume, Gebiete mit Schutzstatus) und der Kostenwahrheit im Sinne einer ökologischen Weiterentwicklung der fahrleistungsabhängigen LKW-Maut und einer Querfinanzierung der alternativen Verkehrsinfrastruktur (Schiene, Wasser) einzubringen.“;

+ sie widerspricht deutlich programmatischen Festlegungen und Wahlversprechen von ÖVP und FPÖ/BZÖ;

+ sie erfüllt bei weitem nicht die 2003 und 2004 getätigten Ankündigungen von Bundeskanzler, Außenministerin und Verkehrsministern, wonach die Preisgabe der im Beitrittsvertrag beschlossenen Ökopunkte-Transitregelung (incl. zahlenmäßige Obergrenze!) kein Problem sei, weil die neue Wegekostenrichtlinie ein vollwertiger Ersatz sein werde und den LKW-Transit begrenzen werde;

+ sie bleibt meilenweit vom nicht zuletzt auch von Verkehrsminister Gorbach regelmäßig zitierten Vorbild Schweiz und seiner mit der EU ausgehandelten und außer Streit gestellten LKW-Mauthöhe entfernt;

+ sie straft die zahlreichen öffentlichen Versprechungen und Ankündigungen der Bundesregierung sowie von ÖVP- und FPÖ/BZÖ-VertreterInnen auf Länderebene für eine Verlagerung des Güterverkehrs auf Schiene und Wasserstraße Lügen: Während auf der Schiene die flächendeckende „Maut“ (IBE) jährlich um 6-7% steigt, kann die (bei weitem nicht flächendeckende) Maut auf der Straße nicht einmal der Inflation angepasst werden;

+ sie bringt speziell am Brenner keine aus Umwelt- und AnrainerInnenperspektive befriedigende Lösung zur Frage der – angesichts zweistelliger Zuwachsraten beim LKW-Verkehr nach dem ersatzlosen Auslaufen der Ökopunkte-Regelung Ende 2003 offensichtlich unzureichenden – Mauthöhe: die Maut wird inklusive Zuschlag in Österreich bestenfalls auf der derzeitigen Gesamthöhe zwischen Kufstein und Brenner bleiben können; durch die Zustimmung auch Österreichs zu Vielfahrerrabatten z.B. Italiens von bis zu 13% werden die Kosten auf der gesamten Brennerachse sogar deutlich sinken;

+ sie leistet keinen nennenswerten neuen Beitrag zur Frage der (bisher bereits möglichen) Querfinanzierung von bislang unfinanzierten und in ihrer Dimension nahezu unbezahlbaren Schienen-Großprojekten wie Brenner-Basistunnel samt Zulaufstrecken (die möglichen Einnahmen aus dem diesbezüglich zweckgewidmeten „Zuschlag“ bzw. ehrlicherweise Mautanteil am Brenner bewegen sich im Promill(!)bereich der derzeit geschätzten Errichtungs- und Finanzierungskosten des Brenner-Basistunnels);

+ sie leistet keinerlei Beitrag zur überfälligen Abdeckung der vom Verkehr verursachten, aber bisher nicht bezahlten „externen“ Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden, die in der EU-25 über 170 Mrd Euro pro Jahr betragen.

 

Die – von Österreichs Regierungsvertreter gutgeheißene! – Einigung widerspricht überdies krass den Beschlüssen derselben Regierungsvertreter auf EU-Ebene. Als Beispiel seien die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Göteborg von Juni 2001 zitiert. Dort haben die Regierungen unter anderem unter Punkt 29 festgehalten: „Eine nachhaltige Verkehrspolitik sollte dem Anstieg des Verkehrsaufkommens und der Verkehrsüberlastung, des Lärms und der Umweltverschmutzung entgegenwirken und die Verwendung umweltfreundlicher Verkehrsmittel sowie die vollständige Internalisierung der sozialen und Umweltkosten fördern.“ Keinem dieser Punkte genügt die nunmehrige von Österreich unterstützte Einigung. Daß sie überdies auch grob im Widerspruch zu den programmatischen Vorgaben des aktuellen Weißbuchs Verkehr 2010 der EU steht und in diesem Punkt auch dem deklarierten Willen des Europaparlaments widerspricht, sei nur ergänzend erwähnt.

 

Derlei unzureichende Vertretung der Interessen der betroffenen BürgerInnen und unzureichende Einhaltung der eigenen Versprechen und Verpflichtungen der Regierung leistet einen großen Beitrag zur europakritischen Haltung vieler BürgerInnen. Dafür hat allerdings – wie dieses Beispiel aus der Verkehrspolitik nicht zum ersten Mal belegt - nicht irgendein abstraktes „Brüssel“, sondern ganz konkret die Regierung selbst die Verantwortung zu tragen.

 

Wie der hauptverantwortliche Verkehrsminister nach dieser Entscheidung lässig anzumerken, jetzt könnten ja die EuropaparlamentarierInnen versuchen, das Niveau der Einigung zu verbessern, unterstreicht nur die Überforderung der derzeitigen Regierungsmannschaft mit ihren Aufgaben. Möglicherweise haben allerdings auch die zahlreichen entbehrlichen Dienstreisen zwischen Kalifornien und China, die ausufernde Arbeit an Partei(en)organisation und –finanzierung sowie die sicher anspruchsvolle Koordination der größten Ressortspitze und des größten Kabinetts der 2. Republik die Kapazitäten von Verkehrsminister Gorbach anderweitig über Gebühr belastet.

 

Daß nun am 14.6.2005, also fast zwei Monate nach der Einigung der Regierungsvertreter, auf Betreiben der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ/BZÖ im Parlament über ein längst überholtes Vorbereitungsdokument zu dieser Einigung zur Wegekostenrichtlinie eine Debatte abgehalten wird, die somit nichts anderes als eine Scheindebatte sein kann, wirft überdies ein bezeichnendes Licht auf das seltsame Verständnis der ÖVP und FPÖ/BZÖ von „Parlamentarismus“. Die beiden derzeitigen Regierungsparteien sind offenbar nicht willens, die gewählte Volksvertretung in der verfassungsmäßig vorgesehenen Weise rechtzeitig (also: im vorhinein) einzubinden, wenn es um für die Bevölkerung eminent wichtige Entscheidungen und Positionierungen von Regierungsmitgliedern auf EU-Ebene geht. Auch dieser fragwürdige Umgang von ÖVP und FPÖ/BZÖ mit den bescheidenen direkten EU-Mitwirkungsrechten der gewählten Volksvertreter ist geeignet, zur weiteren Zunahme der EU-Verdrossenheit in der Bevölkerung beizutragen.

 

In inhaltlicher Hinsicht bleibt nun allerdings tatsächlich nur mehr die Hoffnung auf das Europaparlament. Die Positionierung des Europaparlaments in 1. Lesung hebt sich in einzelnen Punkten und insbesondere hinsichtlich der Forderung nach Kostenwahrheit und Einbeziehung der ungedeckten Umwelt- und Gesundheitskosten in die Berechnung der zulässigen Mauthöhe doch deutlich vom Rats-Kompromiss ab. Daher ist die theoretische Chance, dass es nach einer entsprechenden 2. Lesung zu einem Vermittlungsverfahren auf EU-Ebene kommt und damit die Regierungen noch einmal eine Chance erhalten, ihre Haltung wenigstens punktuell aufzubessern, derzeit noch aufrecht.

 

In dieser Situation muss die österreichische Bundesregierung neben der weiterhin dringend erforderlichen Umsetzung wirkungsvoller innerstaatlicher Maßnahmen gegen die LKW-Lawine alles unternehmen, um noch ein Umdenken im Sinn einer ökologisch und gesundheitlich verantwortbaren Lösung herbeizuführen.

 

 

Aus diesem Grund stellt die unterfertigte Abgeordnete folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG

 

Der EU- Unterausschuss wolle beschließen:

 

 

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie werden dringend und mit Nachdruck aufgefordert, für den Fall, dass sich nach der bereits am 21.4. im Rat erfolgten Zustimmung zu einer für Österreich grob unzureichenden Kompromisslösung doch noch Möglichkeiten weiterer Verhandlungen über die neue Wegekostenrichtlinie (Änderung der RL 1999/62/EG, „Eurovignette“) z.B. in einem Vermittlungsausschuss oder im informellen Rahmen ergeben,

 

+ alles zu unternehmen, um im Gegensatz zum derzeitigen Einigungsniveau doch noch eine Richtlinie mit verkehrslenkender, verkehrsbegrenzender und verkehrsverlagernder Wirkung zu erreichen,

+ diesbezüglich vor allem die vom Rat selbst, von der EU-Kommission und von Regierungsmitgliedern selbst wiederholt eingeforderte sowie auch vom Europaparlament in 1. Lesung verlangte Zulässigkeit der Einrechnung derzeit externalisierter Kosten des Verkehrs, wie Unfall-, Gesundheits- und Umweltkosten nach dem Beispiel der Schweizer Mautkalkulation mit Nachdruck einzufordern,

+ keinem weiteren Beschluss zuzustimmen, welcher so wie die bereits erfolgte Ratseinigung vom 21.4. keinen Fortschritt gegenüber dem völlig unzureichenden Status Quo der Maut-Rahmenbedingungen zulässt.

 

 

 

 

 

Diese Vorhaben sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen auf Ausschussfeststellung wurde von den Abgeordneten der ÖVP und des Freiheitlichen Parlamentsklubs abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Ausschussfeststellung

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser

 

Eingebracht im Zuge der Sitzung des EU-Unterausschusses am 14. Juni 2005

 

 

 

Die Bundesverfassung bestimmt in Artikel 23e Abs.1:

„Das zuständige Mitglied der Bundesregierung hat den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten  und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.“

 

In der Präsidiale  im Juli 2004 wurde eine monatliche Sitzungsfrequenz des EU-Unterausschusses vereinbart. Dennoch fanden im letzten Jahr lediglich vier Sitzungen des EU-Unterausschusses statt! Mit der im letzten Plenum beschlossenen Änderung der Geschäftsordnung und der Einführung von Europatagen im Plenum „soll die Mitwirkung des Nationalrats in EU-Angelegenheiten verstärkt werden“, so die Begründung. Dies erscheint angesichts der Nicht-Inanspruchnahme des EU-Unterausschusses seitens der Regierungsparteien äußerst unglaubwürdig.

 

Dass am 14.6.2005, also fast zwei Monate nach der Einigung der Regierungsvertreter, auf Betreiben der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ/BZÖ im Parlament über ein längst überholtes Vorbereitungsdokument zu dieser Einigung zur Wegekostenrichtlinie eine Debatte abgehalten wird, die somit nichts anderes als eine Scheindebatte sein kann, wirft ein bezeichnendes Licht auf das seltsame Verständnis der ÖVP und FPÖ/BZÖ von Mitwirkungsrechten des Parlamentes. Die beiden derzeitigen Regierungsparteien sind offenbar nicht willens, die gewählte Volksvertretung in der verfassungsmäßig vorgesehenen Weise rechtzeitig (also: im Vorhinein) einzubinden, wenn es um für die Bevölkerung eminent wichtige Entscheidungen und Positionierungen von Regierungsmitgliedern auf EU-Ebene geht. Dieser fragwürdige Umgang von ÖVP und FPÖ/BZÖ mit den direkten Mitwirkungsrechten des Nationalrates in EU-Angelegenheiten ist geeignet, zur Zunahme der EU-Verdrossenheit in der Bevölkerung beizutragen.

 

Damit in Zukunft eine verfassungskonforme Befassung der gewählten VolksvertreterInnen, im Vorhinein und nicht wie in diesem Fall im Nachhinein stattfindet, stellt die unterfertigte Abgeordnete folgenden Antrag auf

 

 

„Ausschussfeststellung

 

Alle Mitglieder der Bundesregierung werden mit Nachdruck aufgefordert ihrer verfassungsmäßige Verpflichtung nachzukommen und den Nationalrat unverzüglich über alle Vorhaben  im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten sowie ihm im Rahmen des EU-Unterausschusses Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.“

 

 

 

 

Der EU-Unterausschuss beschließt weiters im Sinne des § 39 GOG, dass diese Ausschussfeststellung der Auszugsweisen Darstellung der Verhandlungen beigefügt und als Kommuniqué veröffentlicht wird.