119/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 07.03.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHER ANTRAG

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Brigid Weinzinger, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst
betreffend „Frauenpolitische Maßnahmen: Wo bleiben sie?"

Begründung

Das Regierungsprogramm bleibt im Kapitel „Frauenpolitische Maßnahmen" gerade die Maßnahmen selber schuldig und erschöpft sich in größtenteils unkonkreten Ansagen ohne budgetäre Bedeckung. Eine Konkretisierung der Maßnahmen, die Ausarbeitung von Aktionsprogrammen oder die Dotierung von frauenpolitischen Anliegen im Zuge der Budgetverhandlungen unterblieben bisher, obwohl die Zeit drängt und sich viele Frauen in zentralen Lebensbereichen mit Ungerechtigkeiten und Hindernissen konfrontiert sehen:

Einkommensgerechtigkeit

Die Einkommensschere in Österreich geht weiter auf, wie der aktuelle Einkommensbericht des Rechnungshofes zeigt. Von 1998 auf 2005 ist der Einkommensunterschied von Frauen und Männern um 0,8% (von 39,6% auf 40,4% gestiegen).


Je nach Branche und Beschäftigung variieren die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern bei den unselbständig Erwerbstätigen von 20% bis 50%. Die größten Unterschiede entfallen dabei auf die Bereiche Energie- und Wasserversorgung, Nahrungsmittelindustrie, Handel, Kredit- und Versicherungswirtschaft sowie die Textil- und Bekleidungsindustrie.
Im Konkreten heißt das, dass Frauen für jeden Euro, den ein Mann im Schnitt verdient, im Schnitt nur 60 oder 70 Cent bekommt.

Enorm sind die Einkommensunterschiede in manchen Bereichen bei den Selbständigen, wo Männer nicht selten das doppelte verdienen wie Frauen. Krasses Beispiel ist das Gesundheits-, Veterinär und Sozialwesen: Frauen verdienten hier im Jahr 2003 im Schnitt nur 22% (!) des mittleren Einkommens der Männer. Knapp zwei Drittel aller weiblichen Selbständigen arbeiten in Branchen, in denen das mittlere Einkommen der Frauen weniger als 70% von dem der Männer ausmacht.

Auffällig ist, dass sich die schlechtere Einkommenssituation von Frauen nicht auf die Phase von Kinderkarenzen und nachfolgenden Teilzeitbeschäftigungen beschränkt. Schon beim Berufseinstieg verdienen Frauen - trotz besserer Ausbildung - um rund 20% weniger als Männer. Der unterschiedliche Verdienst bleibt auch dann bestehen, wenn eine Frauenkarriere ungebrochen fortgesetzt wird und bis in die Vorstandsetage führt (27,% % weniger Verdienst für Frauen).
Im internationalen Vergleich liegt Österreich bei der Einkommensgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern weit abgeschlagen: Im Global Competitiveness Report des Worl Economic Forum landet Österreich bei der Einschätzung der Einkommensgerechtigkeit auf dem letzten Platz unter 102 Ländern. Und im Europavergleich zählt Österreich zu den Ländern mit den größten Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen und erreicht gerade mal den 20. Platz von 25 Staaten (gleichauf mit der Slowakei).

Im Regierungsprogramm ist zwar die Rede vom „Weiteren (!) Schließen der Einkommensschere", Maßnahmen fehlen aber.


• Arbeitsmarkt

Die hohe Arbeitslosigkeit von Frauen und die spezifisch weibliche Atypisierung der Beschäftigung sind prägende Elemente der Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, Aktionsprogramme oder Initiativen zur Verbesserung der Lage sucht man im Regierungsprogramm allerdings vergeblich.

Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist derzeit zwar rückläufig, allerdings bei den Männern deutlich stärker als bei den Frauen. Im Februar waren 100.955 Frauen (ohne Schulungsteilnehmerinnen) beim AMS vorgemerkt. Das sind um 5,8% weniger als im Vorjahr. Die Zahl der arbeitslosen Männer hat sich jedoch im gleichen Zeitraum um 14,1% verringert. War in den letzten Jahren der Zuwachs der Frauenarbeitslosigkeit höher als jener der Männerarbeitslosigkeit, so fällt nun auf, dass die Reduktion der Frauenarbeitslosigkeit nicht einmal halb so schnell erfolgt wie der Rückgang der arbeitslos gemeldeten Männer.

Eine reale Steigerung der Frauenbeschäftigungsquote wird unter diesen Umständen schwierig zu erreichen sein. Die Ziele des Regierungsprogramms sind bescheiden genug: Auf 65% wollte man ursprünglich steigern. Als bekannt wurde, dass die Frauenerwerbsquote in Österreich 2006 bereits bei 64,7% lag, wurde zumindest von Ministerin Bures auf 68% angepeilter Steigerung korrigiert. Allerdings hinkt auch dies hinter den Zielsetzungen früherer Regierungen hinterher: Im Jahr 2003 hatte der damalige Kanzler Schüssel von einer Erhöhung der Frauenerwerbsquote auf 70% bis zum Jahr 2010 gesprochen. Zum Vergleich: Die Männererwerbsquote lag in Österreich zuletzt bei rund 77%. Die Steigerungen der letzten Jahre bei der Frauenerwerbsquote kamen in erster Linie durch den hohen Anteil der geringfügig- und teilzeitbeschäftigten Frauen zustande. Für die Darstellung der realen Arbeitsmarktintegration von Frauen eignet sich daher die Beschäftigungsquote besser als die Erwerbsquote (bei deren Berechnung auch Arbeitslose mit einbezogen werden). Die Beschäftigungsquote, umgerechnet in Vollzeitäquivalent, lag 2005 nur bei 50%, während sie 10 Jahre davor, 1995, noch bei 53,4% lag (Quelle: EU, Employment in Europe 2006). Die Situation hat sich für Frauen also eindeutig verschärft. Der Trend zu Teilzeitbeschäftigungen hält dementsprechend ungebrochen an: Im Jahr 2000 lag die Teilzeitquote der Frauen bei 33%, inzwischen ist sie auf 39,3% im Jahr 2005 gestiegen. In der Gruppe der 35-39jährigen Frauen liegt die Teilzeitquote sogar bei 50,5%, das heißt, dass jede zweite Frau in dieser


Altersgruppe nur das Einkommen aus einem Teilzeitjob hat! (Quelle: Arbeitskräfteerhebung 2005, Statistik Austria).

Das Angebot des AMS für Frauen und insbesondere für Wiedereinsteigerinnen sieht im Vergleich dazu wenig konkrete Hilfestellungen vor. Generell lässt sich feststellen, dass Frauen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik tendenziell die weniger zukunftsorientierten und weniger qualifizierten Maßnahmen erhalten. Während beispielsweise betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen mit Zertifikatsabschluss mehrheitlich männlichen Arbeitslosen zugute kommen, entfällt ein überproportional hoher Anteil von Zuschüssen für Kinderbetreuung auf Frauen, das Angebot für WiedereinsteigerInnen beschränkt sich auf häufig wenig effektive Beratungen und „Berufsorientierungskurse". Spezielle Aktionsprogramme der Regierung für eine bessere Arbeitsmarktintegration von Frauen und für die Steigerung der Beschäftigungsquote sind nicht bekannt.

Führungspositionen

Frauen sind in den Chefetagen in Österreich in allen Bereichen mit der Lupe zu suchen. In den Spitzenpositionen der größten Kapitalgesellschaften beträgt der Frauenanteil gerade einmal 5%. Eine Studie des European Women's Management Development International Network hat aufgezeigt, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Waren im Jahr 2004 39% der Führungsetagen der 207 börsennotierten und umsatzstärksten Unternehmen Österreichs rein in Männerhand, so waren es 2006 bereits 48% rein männlich geführte Unternehmen!

Das Regierungsprogramm betont besonders, dass der Anteil von Frauen an Führungspositionen in Wissenschaft und Forschung erhöht werden soll. Dort besteht auch tatsächlich besonderer Handlungsbedarf. An den Universitäten sind die Frauen bei den Studienanfängerinnen und Absolventinnen im Vormarsch. Den rund 57% Studienanfängerinnen und rund 53% Absolventinnen stehen aber nur 11% Professorinnen gegenüber. Die Rektorate der österreichischen Universitäten sind mit einem 0% Frauenanteil fest in Männerhand! Der Bereich Forschung sieht um nichts besser aus: Mit einer Forscherinnenquote von 18,7% (Eurostat 6/2004) liegt Österreich auch im internationalen Vergleich schlecht.


Im öffentlichen Dienst - üblicherweise als Vorreiter in Sachen Frauengleichstellung gehandelt - sieht die Lage wenig besser aus. Mit 10,8% Frauenanteil bei den Sektionsleitungen liegt die öffentliche Verwaltung genauso schlecht wie die Universitäten, obwohl auch in den Ministerien der Frauenanteil bei den Beschäftigten mit 40-60% hoch liegt und dem Bevölkerungsschnitt entspricht (Ausnahmen sind lediglich das Verteidigungsministerium mit 13% Frauenanteil und das Innenressort mit 18% Frauenanteil). Wenig besser präsentiert sich das Bild bei den GruppenleiterInnen (1 Frau von 31) und den AbteilungsleiterInnen (182 Frauen von 707), wie der Kurier vom 5.3.2007 berichtet.

Laut Regierunsprogramm sollen mehr Frauen in Österreich Führungspositionen bekleiden, der Anteil von Frauen in „Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Sozialpartnerschaft" (Zitat Regierungsprogramm) erhöht werden. Das Wie ist allerdings unklar.

Frauenförderung durch Beratungsstellen

Die wichtige Arbeit von unabhängigen Frauenberatungsstellen und frauen- bzw. mädchenspezifischen Projekten ist nicht nur häufig unbedankt, sondern vor allem unterdotiert. Viele erfolgreiche Projekte mussten in den letzten Jahren aus Geldmangel gekürzt oder eingestellt werden, bewährte EQUAL-Projekte konnten nicht fortgeführt werden. Besonders dramatisch ist die Finanzsituation der Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie. In der Wiener Interventionsstelle sah man sich genötigt, die Betreuung von Gewaltopfern in 8 Wiener Bezirken einzustellen, weil schlicht keine Finanzmittel vorhanden waren. Die Arbeit der Interventionsstellen, die einen gesetzlichen Auftrag erfüllen, hat sich aufgrund der steigenden Fallzahlen in den letzten Jahren vervielfacht (2006: Anstieg bei den Wegweisungen um 28%), die finanzielle Ausstattung allerdings nicht. Es ist daher nicht nur erfreulich, sondern vor allem dringend notwendig und überfällig, wenn die Finanzmittel für die Interventionsstellen erhöht werden!

Die Betreuung von Opfern (meist männlicher) Gewalt kann jedoch nicht als „Frauenförderung" bezeichnet werden. Diese erfolgt im zivilgesellschaftlichen Bereich in erster Linie über zahlreiche engagierte Projekte von  Frauenberatungsstellen,


frauen- und mädchenpolitischen Initiativen, Frauenhäuser und frauenrelevante NGO- Tätigkeit. Wer etwa Mädchen bei der atypischen Berufswahl, Migrantinnen oder Betroffene von Frauenhandel unterstützen will, findet in den unabhängigen Initiativen eine wichtige Stütze. Ein österreichweit flächendeckender Ausbau solcher Beratungsstellen ist dringend geboten und erfordert eine substantielle Aufstockung der Mittel.

Kinderbetreuungsplätze

An der Schnittstelle der Rahmenbedingungen für weibliche Erwerbstätigkeit und Familienpolitik nimmt der Ausbau der Infrastruktur für Kinderbetreuung eine wichtige Stellung ein. Das sogenannte Barcelona-Ziel der EU sieht eine Betreuungsquote von 33% bei den unter 3-jährigen bis zum Jahr 2010 vor. Derzeit liegt die Betreuungsquote in Österreich für diese Altersgruppe erst bei 11%. Es fehlen allein für die Kleinstkinder 52.000 Betreuungsplätze. Dazu kommen noch weitere 16.000 für die Gruppe der 3-5 Jährigen. Bei der Nachmittagbetreuung der Schulkinder gibt es ebenfalls einen enormen Aufholbedarf. Es kann also davon ausgegangen werden, dass österreichweit insgesamt rund 90.000 Kinderbetreuungsplätze fehlen. Die derzeit in Diskussion befindlichen zusätzlichen 50.000 Betreuungsplätze können daher nur der erste Schritt sein. Ein solcher Schritt wäre unbedingt zu begrüßen - vorausgesetzt, die Finanzierung ist gesichert und es gibt rasche und konkrete Ausbaupläne, nicht bloß Absichtserklärungen. In jedem Fall müssen die Unterstützung der Aufteilung der Betreuungsarbeit auf beide Elternteile und die Bereitstellung von ausreichender Infrastruktur für die Kinderbetreuung vorrangige Ziele eine modernen und gleichstellungsorientierten Familienpolitik sein.

Die Vertretung und Durchsetzung von Frauenanliegen, ein Abbau der bestehenden Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen braucht rasch konkrete (erste) Maßnahmen und ausreichende budgetäre Bedeckung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


ANTRAG

Die Bundesministerin im Bundeskanzleramt, zuständig für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst, wird aufgefordert,

1)                          ein Aktionsprogramm gegen die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen vorzulegen;

2)                          ein Modell für die Bindung der Wirtschaftsförderung an die betriebliche Gleichstellung   zu   entwickeln,   bei   dem   Frauenbeschäftigung,   der Führungsanteil      von      Frauen      im      Unternehmen      und      die Einkommensgerechtigkeit im Betrieb als Kriterien herangezogen werden;

3)                          im Sinn der Antragsbegründung ein Maßnahmenpaket „Arbeitsmarkt für Frauen" zu initiieren;

4)                          für verpflichtende Frauenquoten und verbindliche Frauenförderpläne zu ihrer Erreichung im öffentlichen Dienst und an den Universitäten zu sorgen;

5)                          sich  für  eine   Besetzung   der  von   der  Regierung   zu   bestellenden Spitzenpositionen mit mindestens zur Hälfte Frauen einzusetzen;

6)                          sich für eine Verdoppelung des für Frauenförderung (Beratungsstellen, Frauenhäuser,   Mädchen-   und   Frauenprojekte   u.ä.)   zur  Verfügung stehenden Budgets einzusetzen;

7)                          sich in der Bundesregierung mit aller Vehemenz für einen Sonderfonds aus Bundesmitteln ähnlich den früheren „Kindergarten-Milliarden" (in öS) einzusetzen, mit dem eine Verwirklichung der angekündigten 50.000 zusätzlichen Kinderbetreuungsplätze möglich wird.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 1 GOG verlangt