145/A(E) XXIII. GP
Eingebracht am 07.03.2007
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Maga. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
betreffend Abschaffung der menschenrechtswidrigen Zwangsernährung für Schubhäftlinge
Im Zuge des am 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenrechtspakets wurde die Zwangsernährung für hungerstreikende Schubhäftlinge ermöglicht.
Die Grünen haben diesen Schritt von Beginn an als menschenrechtswidrig kritisiert.
Bereits im Vorfeld der Gesetzeswerdung war innerhalb der breiten Allianz der Parteien bei der Beschlussfassung zum Fremdenrechtspaket unklar, ob Zwangsernährung überhaupt rechtlich zulässig ist.
Zwangsernährung ist ein schwerer Eingriff in die körperliche Integrität. Die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit ist ein zentrales Menschenrecht.
Die Ärztekammer hat in ihrer Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf des Fremdenrechtspakets Zwangsernährung und Zwangsbehandlung während der Schubhaft als einen „ radikalen Eingriff in das Leben des Einzelnen“, als „problematisch und mit der ärztlichen Ethik unvereinbar“ bezeichnet. Das deutet auf einen generellen Vorbehalt der Ärzteschaft hin.
Die Möglichkeit der Zwangsernährung hat aber auch faktisch keine Reduktion der Hungerstreiks bewirkt. Es kam sogar zu einer Steigerung der Anzahl an Hungerstreiks von 1.670 im Jahr 2006 auf 2.275 im Jahr 2006.
Zwangsernährung wurde bisher in keinem Fall angewendet. Der medial bekannte Fall des Geoffry O zeigt aber, zu welchen Ergebnissen die aktuelle Gesetzeslage führen kann. Aus Unsicherheit über die Anwendung der Bestimmungen, die Zwangsernährung lt. FPG ermöglichen sollen, wurde eine Enthaftung so lange hinausgezögert, dass schwere gesundheitliche Schäden beim Betroffenen entstanden sind. Dieser Fall ist Gegenstand von Untersuchungen des Menschenrechtsbeirates.
In der Zwischenzeit gibt es gewichtige Rechtsmeinungen, die diese Kritik erhärten.
Zuletzt hat der Menschenrechtsbeirat anlässlich der Berichterstellung „Gesundheitsversorgung in der Schubhaft“ die Unzulässigkeit der Zwangsernährung für Schubhäftlinge wie folgt begründet: “Da es sich bei der Anhaltung in Schubhaft um keine Strafhaft, sondern lediglich um eine Anhaltung zur Sicherung eines Verwaltungsverfahrens (Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung) oder Abschiebung handelt, wäre eine Zwangsernährung von Schubhäftlingen durch die Verweisung im § 79 Abs. 1 FPG auf § 53d VstG und damit auf § 69 Abs. 2 StVG in verfassungskonformer Interpretation mangels Verhältnismäßigkeit der Maßnahme rechtlich nicht gedeckt.“
Auf Seite 28 des Berichtes heißt es: „Der Beirat erachtet die Zwangsernährung einer in Schubhaft angehaltenen Person unter allen Umständen als unverhältnismäßig. Auch wenn Schubhäftlinge zum Zweck der Fortsetzung der Schubhaft in die medizinische Einrichtung des gerichtlichen Gefangenenhauses überstellt werden, sind sie daher jedenfalls vor Verwirklichung einer schweren Gesundheitsbeeinträchtigung von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde als haftunfähig zu entlassen. Unabhängig davon hält der Beirat fest, dass die Drohung gegenüber Schubhäftlingen mit einer Zwangsmaßnahme, von der der Gesetzgeber und die Vollzugsbehörden wissen, dass ihre Durchsetzung eine Grundrechtsverletzung darstellen würde, rechtswidrig und menschenrechtlich unvertretbar ist.“
Abschließend sei die Rechtsmeinung von Univ. Prof. Nowak, Leiter des BIM und
UN-Sonderberichterstatter gegen Folter vom 3.2.2006 zitiert: “Da entsprechende gelindere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, stellt sich der oben beschriebene Extremfall eines Grundrechtskonfliktes bei Schubhäftlingen niemals, so dass jede Zwangsernährung von Schubhäftlingen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung der Privatheit in Art. 8 EMRK und möglicherweise auch eine erniedrigende Behandlung in Verletzung von Art 3 EMRK darstellt. Ein „pressing social need“, der in einer demokratischen Gesellschaft gemäß der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtfertigung eines staatlichen Eingriffs gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gegeben sein müsste, kann hier keinesfalls angenommen werden. Davon abgesehen haben alle relevanten Ärzte, mit denen ich über diese Frage gesprochen habe, eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie an einer Zwangsernährung von Schubhäftlingen aus ethischen wie rechtlichen Gründen nicht mitwirken würden.“
Zusammengefasst ergibt sich, dass die Zwangsernährung keine Anwendung für Schubhäftlinge im Hungerstreik finden kann und soll. Sie ist keine Maßnahme, die eines modernen Rechtsstaates, der sich den Menschenrechten verpflichtet fühlt, würdig ist.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, eine entsprechende Vorlage für eine Novelle zum Fremdenpolizeigesetz einzubringen, die eine Abschaffung der Zwangsernährung für Schubhäftlinge vorsieht.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.