174/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 29.03.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch nichtionisierende/elektromagnetische Strahlung

 

 

Das Wachstum am Telekommunikationsmarkt und die in rascher Folge präsentierten neuen Anwendungen, die auf drahtloser Übertragung in unterschiedlichen Frequenzbereichen beruhen, haben zur Folge, dass in den letzten Jahren die Belastung von Mensch und Umwelt durch elektromagnetische Felder signifikant zunimmt. Die mittlere Strahlungsintensität in Ballungsräumen hat sich insbesondere durch den Auf- und Ausbau der Mobilfunknetze seit den Achtzigerjahren mehr als verzehnfacht. Die Einführung der UMTS-Technik verstärkte dieses Problem noch wesentlich.

 

An biologischen und gesundheitlichen Wirkungen bei Menschen und zum Teil auch Tieren wird von der Wissenschaft unter anderem von Schlafstörungen, Ohrgeräuschen (Tinnitus), Kopfschmerzen, Herzrhythmus-Störungen, Unruhe, Konzentrations-, Lern- und Gedächtnisstörungen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, Auswirkungen auf Blutdruck, Blutbild und besonders Immunsystem, Schwächung der Blut-Hirn-Schranke, DNS-Strang- und Chromosomenbrüchen,  Auswirkungen auf die Schädel- und Gehirnentwicklung im Kindes- und Jugendalter berichtet. Unter anderem wird dabei auf die besondere biologische Wirksamkeit niederfrequent pulsmodulierter Strahlung abgestellt.

 

Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Grund- und Grenzfragen der Medizin und Biotechnologie und der Salzburger Landeskliniken über die Wirkung von GSM-Sendeanlagen auf den Menschen bestätigt die Einschätzung kritischer ExpertInnen:

 

Das körpereigene Abwehrsystem wird tatsächlich geschwächt. Biochemisch zeigte sich in den Speichelanalysen, dass höhere Exposition zu einer biologisch relevanten Immunsuppression führte. Es zeigte sich eine statistisch signifikante Veränderung im Cortisolspiegel; weiters fanden sich auffallende Veränderungen in den Verläufen des alpha-Amylase-Spiegels, einem weiteren verlässlichen Stress-Marker, und im Immunglobulin-A-Spiegel (Antikörper-Ausschüttung im Speichel). Auch die GDV-Analysen zeigten nicht bei allen, aber bei vielen ProbandInnen immer wieder stressende Einflüsse auf.

Einige psychologische Faktoren zeigten ebenfalls ein signifikantes Ansprechen. Die Befindlichkeit der Versuchspersonen veränderte sich während der kurzen Expositionsdauer mit den verwendeten Tests nicht signifikant.

Exponierte Personen sind offenbar vorgeschädigt. Als interessantes Zusatzergebnis zeigte sich, dass Menschen, die nach eigenen geschätzten Angaben innerhalb eines Abstands von 100 m zu einer Mobilfunksendeanlage wohnen, von vornherein signifikant erhöhte alpha-Amylase-Grundspiegel aufwiesen. Zusätzliche Messdaten dazu sollen in den nächsten Monaten noch durch Expositionsmessungen vor Ort erhoben werden.

 

Diese wissenschaftlichen Aussagen werden immer wieder von wirtschaftlicher, administrativer und politischer Seite sowie auf der Grundlage der im Umfeld der Verursacher durchgeführten Forschung in Frage gestellt, ohne dass sie tatsächlich widerlegt werden konnten. Nicht umsonst ist es nicht möglich, sich gegen gesundheitliche Wirkungen zB des Mobilfunks zu versichern, was den Schluss nahe legt, dass es sich nicht nur nach Grüner Ansicht ebenso wie bei der Kernenergienutzung um eine Risikotechnologie handelt. Forschungsanträge, die gezielte Beiträge zur noch besseren Fundierung der ausständigen konkreter Vorsorgemaßnahmen leisten könnten, liegen seit längerem in den zuständigen Ministerien, was auf eine zu wenig zielstrebige Beschäftigung mit dieser wichtigen Materie schließen lässt.

 

Der Staat ist hier massiv säumig in der Umsetzung seiner Verpflichtung zum umfassenden Gesundheitsschutz seiner BürgerInnen.

 

Diese Verpflichtung kann nicht auf die/den Einzelne/n abgewälzt werden: Während BenutzerInnen von Mobiltelefonen und anderen Empfangsgeräten das Risiko über die Anschaffung und Nutzungsintensität weitgehend selbst steuern können, belasten Emissionen von Mobilfunk-Basisstationen/„Handymasten“, aber auch Langwellenfunkmasten oder Einrichtungen zur drahtlosen Überbrückung der „letzten Meile“ im Festnetzbereich die Allgemeinheit im jeweiligen Einzugsbereich des Strahlungsemittenten in weitgehend unbeeinflussbarer Weise. Analog dem NichtraucherInnenschutz, der – zurecht – laufend ausgebaut wird, muss es auch einen Schutz für Nicht-MobiltelefoniererInnen geben, wobei zu bedenken ist, dass auch NutzerInnen von Mobiltelefonen aktiv nur eine vergleichsweise geringe Zeit ihr Mobiltelefon verwenden, während sie der Strahlung der Basis-Stationen permanent ausgesetzt sind. Die bestehende Rechtslage auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene bietet keine ausreichende Handhabe zur zielführenden Berücksichtigung der Vorsorgenotwendigkeiten aus Gesundheits- und Strahlenschutzsicht. Schon gar nicht sind Scheinverfahren wie diejenigen im Rahmen der sogenannten „Mobilfunkpakte“ geeignet, diese Fragen zu lösen oder auch nur sinnvoll zu behandeln.

 

In angrenzenden Ländern ähnlichen technologischen Standards sind zum Teil strenge Grenzwerte in Geltung und/oder es gibt weitreichende rechtliche Festlegungen zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die sogar in Verschärfung begriffen sind. Österreich kennt hingegen nur die wegen ihrer ausschließlichen Bezogenheit auf die thermischen Strahlungswirkungen aus vorsorgemedizinischen Erwägungen völlig unzureichenden Grenzwertempfehlungen von WHO und EU. Wenn man berücksichtigt, dass ein Handy-Telefonat noch bei einer Energieflussdichte von 1 Picowatt/m2, also 10-12 Watt/m2 (ein Millionstel des derzeit vorgeschlagenen Salzburger Vorsorgewerts für Innenräume von 1 Mikrowatt/m2) möglich ist, ist es klar, dass auch ein radikal niedriges Ansetzen der Grenzwerte möglich ist, ohne die Versorgung mit Mobilkommunikation in Frage zu stellen.

 

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass nach neueren Erkenntnissen der Biophysik bei der Wirkung von elektromagnetischen Wellen auf den Menschen nicht nur die Strahlungsenergie, sondern auch andere Parameter, z.B. die Art der Modulation, die Pulsung und auch die Wahl der Übertragungsfrequenz selbst eine große Rolle, wenn nicht sogar die Hauptrolle spielen.

 

Angesichts der hohen Marktdurchdringung, weiten Verbreitung und zunehmenden Nutzungsintensität im Mobilfunk ist Österreich zusätzlich besonders gefordert, zweckdienliche Schritte zu setzen. Vorhandene Erfahrungen mit Vorsorgemaßnahmen und andere Bezugsarbeiten wie der bereits Anfang 1999 im damaligen Konsumentenschutzministerium entwickelten Gesetzesentwurf sowie international verfügbare Beispiele sollten es eigentlich leicht machen, in der nötigen ressortübergreifenden Vorgehensweise unter Federführung des für Strahlenschutz zuständigen Umweltministers zügig zu einem fortschrittlichen Ergebnis zu gelangen.

 

Dabei muss anstelle des derzeit stillschweigend angewandten Nachsorgeprinzips für die österreichische Bevölkerung vorgesorgt und die Gesundheit, der Schutz vor Strahlen und die verantwortbare Versorgung mit Telekommunikationsdiensten gesichert werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird beauftragt, unter Federführung des zuständigen Umweltministers ein Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender/ elektromagnetischer Strahlung zügig ressortübergreifend zwischen Umwelt-, Verkehrs- und Gesundheitsressort vorzubereiten und dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.