192/A XXIII. GP
Eingebracht am 24.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Antrag
der Abgeordneten Dr. Einem, Gaal, Ing. Gartlehner, Parnigoni
betreffend ein Bundesgesetz über das Verbot von Streumunition und Streubomben
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz über das Verbot von Streumunition und Streubomben
Der Nationalrat hat beschlossen:
Definitionen
§ 1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet
1. „Streumunition" eine Munition, die Submunition mit Explosivstoff enthält, die mittels eines Trägers verbracht
wird und die dazu bestimmt ist, ihre Wirkung in einem zuvor definierten Zielgebiet statistisch verteilt zu entfalten;
2. „Streubombe" ein Behälter, der Streumunition enthält und diese bei der Aktivierung freisetzt.
Verbote
§ 2. Die Herstellung, die Beschaffung, der Verkauf, die Vermittlung, die Ein-, Aus- und Durchfuhr, der Gebrauch und der Besitz von Streumunition und Streubomben sind verboten.
Einschränkungen
§ 3. Nicht betroffen von dem Verbot gemäß § 2 sind Streumunition und Streubomben, die ausschließlich zu Ausbildungszwecken im Bundesheer oder im Bereich des Entminungsdienstes und Entschärfungsdienstes vorgese- hen sind.
Strafbestimmung
§ 4. Wer, wenn auch nur fahrlässig, dem Verbot des § 2 dieses Bundesgesetzes zuwiderhandelt, ist, sofern die Tat nicht nach anderen Bundesgesetzen mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Einziehung und Verfall
§ 5. (1) Streumunition und Streubomben, die den Gegenstand einer nach § 6 strafbaren Handlung bilden, sind vom Gericht einzuziehen.
(2) Maschinen und Anlagen zur Herstellung der vom Verbot des § 2 unterliegenden Streumunition und Streu- bomben können vom Gericht für verfallen erklärt werden. Es ist auf Kosten des Eigentümers sicherzustellen, dass diese nicht weiter entgegen dem Verbot des § 2 verwendet werden können.
(3) Zum Transport von Gegenständen, die dem Verbot des § 2 unterliegen, verwendete Mittel können vom Ge- richt für verfallen erklärt werden.
(4) Die verfallenen Gegenstände nach Abs. 2 und 3 gehen in das Eigentum des Bundes über. Die eingezogenen Gegenstände nach Abs. 1 gehen in das Eigentum des Bundes über.
Übergangsbestimmung
§ 6. Das Verbot des Besitzes von Streumunition und Streubomben gemäß § 2 gilt nicht für am Tag des Inkraft- tretens dieses Bundesgesetzes bestehende Vorräte im Bereich des Bundesheeres. § 3 bleibt unberührt.
Vollziehung
§ 7. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut:
1. hinsichtlich des § 3 der Bundesminister für Inneres und der Bundesminister für Landesverteidigung,
2. hinsichtlich der §§4 und 5 der Bundesminister für Justiz,
3. hinsichtlich des § 6 der Bundesminister für Landesverteidigung,
4. hinsichtlich der übrigen Bestimmungen der Bundesminister für Inneres.
Inkrafttreten
§ 8. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Mai 2007 in Kraft.
In formeller Hinsicht wird beantragt, diesen Antrag dem Innenausschuss zuzuweisen.
Begründung
Allgemeiner Teil
Der Krieg im südlichen Libanon im Sommer 2006 hat die Dringlichkeit eines internationalen Vorgehens gegen Streumunition klar gemacht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden bei registrierten 800 Streumuniti- onseinsätzen etwa 4 Millionen Streubomben abgeworfen. Von diesen seien zwischen 700.000 und 1.000.000 indivi- duelle Sprengkörper nicht explodiert und würden daher eine Wirkung entfalten, die jener von Anti-Personenminen gleichkommen kann. Alleine zwischen Juli und Ende November 2006 wurden dadurch im Libanon 23 Personen ge- tötet und 177 verletzt
Bei der Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes be- stimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (Konven- tionelle Waffenkonvention - BGBl. Nr. 464/1983 i. d. g F.), Genf, 7.-17. November 2006, hat Österreich, unterstützt von 27 anderen Staaten, darunter 14 EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Deutschland, Irland, Italien, Dänemark, Litauen, Luxemburg, Malta, Portugal, Slowenien, Slowakei, Schweden, Tschechische Republik und Ungarn) die Aufnahme von Verhandlungen über eine völkerrechtliche Regelung über Streumunition gefordert, die einen bestmöglichen Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten soll. Dieser Vorschlag fand keinen Konsens. Stattdessen konnte sich die Konferenz lediglich auf ein Mandat über Diskussionen im Rahmen eines viertägigen Expertentreffens über explosive Kampfmittelrückstände mit speziellem Fokus auf Streumunition im Juni 2007 einigen. Aus österreichischer Sicht kann es sich dabei bloß um einen allerersten Schritt handeln.
Vor diesem Hintergrund hat Norwegen für 22. bis 23. Februar 2007 zu einer internationalen Konferenz nach Oslo eingeladen. Am Ende der Konferenz, für die 42 Staaten ihre Teilnehme zugesichert haben, soll eine Erklärung verab- schiedet werden, die das Ziel verfolgt, dass es 2008 zur Annahme eines völkerrechtlich verbindlichen Instruments zu Streumunition kommt. Dabei handelt es sich aller Voraussicht nach um einen neuen (Verhandlungs-) Prozess außer- halb der Konventionellen Waffenkonvention, analog zum Ottawa-Prozess über Antipersonenminen. Norwegen geht davon aus, dass die Erklärung in einem ersten Schritt von einer Kerngruppe von Staaten angenommen wird, die zu- mindest Österreich, Irland, Schweden, Mexiko und Neuseeland umfassen sollte. Weitere Länder sollen sich dem Prozess zu einem späteren Zeitpunkt anschließen.
Norwegen hat bereits eine politische Erklärung abgegeben, gemäß der es im Rahmen eines Moratoriums jedweden Einsatz von Streumunition ausschließt, bis eine Klärung bezüglich eines internationalen Übereinkommens zu diesen Waffen erreicht ist. Für ein Totalverbot von Streumunition auf internationaler Ebene setzt sich unter anderem auch Irland ein und verlangt in diesem Kontext von jenen Staaten, die über solche Waffensysteme verfügen, ein sofortiges Moratorium. Gesetzliche Regelungen über ein umfassendes Verbot von Streumunition, zu dem es allerdings be- grenzte Ausnahmen geben soll, hat Belgien erlassen. Eine lebhafte Diskussion über das weitere Vorgehen auf natio- naler Ebene findet derzeit - insbesondere auch im parlamentarischen Rahmen - u.a. in Italien, der Schweiz und in Luxemburg statt.
Österreich sollte innerhalb und außerhalb der EU in dieser für die weiteren Bemühungen der internationalen Abrüs- tung so wichtigen Frage auch weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen. Für die Räumung der Streumunition, die im Libanonkonflikt zum Einsatz gekommen ist, und für die Hilfestellung für die Opfer dieses Einsatzes hat das Bun- desministerium für europäische und internationale Angelegenheiten bereits im Vorjahr € 400.000 zur Verfügung gestellt. Die Position Österreichs beruht auf einer parlamentarischen Entschließung vom 12. Juli 2006 (E 202- NR/XXII.GP), durch die die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Vorbereitung eines Protokolls betreffend Streumunition und Streubomben im Rahmen der Konventionellen Waffenkonvention bzw. eines anderen geeigneten völkerrechtlichen Instruments zu unterstützen. In diesem Zusammenhang ist Österreich auch bereit, im Herbst dieses Jahres in Wien eine Folgekonferenz zur bevorstehenden Tagung in Oslo abzuhalten.
Um die Vorreiterrolle Österreichs glaubwürdig zu stärken, wurde in einem ersten Schritt von der Bundesregierung am 21. März 2007 beschlossen, dass Österreich schon bei der bevorstehenden Konferenz in Oslo seine nationale Po- sition in dieser Frage konkret und unmissverständlich klarstellt. Dem norwegischen Beispiel folgend ist daher beab- sichtigt, dass Österreich bei dieser Gelegenheit bekannt gibt, dass es - in Erwartung einer künftigen rechtsverbindli- chen internationalen Regelung - schon jetzt für sich selbst auf jedweden Einsatz von Streubomben und Streumuniti- on verzichtet.
In den künftigen Verhandlungen um ein internationales Instrument wird sich Österreich weiter bemühen, eine mög- lichst weit reichende Lösung zu erzielen. Sollte diese weniger weit gehen als das vorgesehene einseitige Moratorium, wird dieses in jenen Punkten, die von einer künftigen internationalen Vereinbarung nicht erfasst sind, beibehalten werden.
Um die angesprochene Glaubwürdigkeit auch innerstaatlich unter Beweis zu stellen und damit einen weiteren Schritt zu setzen, der die Vorreiterreiterrolle Österreich nachdrücklich unterstreicht, sollen neben den internationalen Bemü- hungen auch legistische Maßnahmen gesetzt werden:
Nach dem Vorbild des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen, BGBl. I. Nr. 13/1997, sollen Re- gelungen für ein Verbot von Streumunition und Streubomben getroffen werden, das ähnlich weitgehend sein soll, und das darauf abzielt, dass in Österreich auf den Einsatz dieser Art der Munition weder eingesetzt noch erzeugt oder gehandelt wird.
Finanzielle Auswirkungen, insbesondere solche auf andere Gebietskörperschaften, sind nicht zu erwarten.
In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorgeschlagene Bundesgesetz auf Art 10 Abs. 1 Z 2 („Angelegen- heiten des Warenverkehrs mit dem Ausland"), Art. 10 Abs. 1 Z 7 („Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen"), Art. 10 Abs. 1 Z 15 („militärische Angelegenheiten") und Art. 10 Abs. 1 Z 6 („Strafrechtswesen").
Besonderer Teil
Zu§l:
Die gewählte Definition von „Streumunition" wurde einem Antrag, der von den Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag eingebracht und im Juni 2006 mehrheitlich angenommen wurde, entnommen (BT-Drucksache 16/1995 vom 28. Juni 2006). Merkmale von Streumunition sind die fehlende Fähigkeit zur selbständigen Zielerkennung und die in der Regel nach dem Einsatz große Zahl für Personen gefährlicher Blindgänger. Der Begriff Streumunition umfasst keine Munition, die im direkten Richten verbracht wird, Leucht- und Nebelmunition, Suchzündermunition mit der Fähigkeit zur selbständigen Zielerkennung, Submunition ohne Explosivstoffe sowie Landminen. Auch Trä- ger von Streumunition, Streubomben, sollen von dem Verbot erfasst werden.
Zu §2:
Das Verbot ist der maßgebliche Inhalt des Gesetzesentwurfes. Wie bereits im Allgemeinen Teil ausgeführt, entfaltet Streumunition eine Wirkung, die jener von Anti-Personen-Minen gleichkommen kann. Es lag daher nahe, für die vorgeschlagene Norm § 2 des oben bereits zitierten Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen he- ranzuziehen.
Zu §3:
Die in dieser Bestimmung genannte Einschränkung von dem Verbot gemäß § 2 soll — ebenso wie § 3 des Bundesge- setzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen, BGBl. I. Nr. 13/1997 - sicherstellen, dass für die Ausbildung im Bundesheer oder im Bereich des Entminungsdienstes einige Ausbildungsexemplare der an sich verbotenen Streumu- nition und Streubomben in Österreich vorhanden sind.
Zu §4:
Aufgrund der Gleichartigkeit der Tatbestände und der ähnlich gelagerten Notwendigkeit der Prävention ist die Straf- bestimmung und das Strafausmaß analog zu der Bestimmung des § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 510/1977, sowie § 5 des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti- Personen-Minen, BGBl. I. Nr. 13/1997, gebildet.
Zu §5:
Einbeziehung und Verfall sind als notwendige Ergänzung zu dem in § 2 angeführten Verbot und der Strafbestim- mung des § 4 zu sehen.
Zu §6:
Grundsätzlich unterliegt auch das Bundesheer den Bestimmungen des § 2 mit den in § 3 normierten Ausnahmen. Aufgrund der Kosten der Vernichtung bestehender Vorräte soll derzeit davon Abstand genommen werden, eine ent- sprechende Vernichtung zu normieren.
Zu §7:
Gemäß Abschnitt E des Teiles 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 gehören Angelegenheiten des Waffen-, Munition- und Sprengmittelwesens zum Wirkungsbereich des Bundesministers für Inneres, weshalb primär die Zuständigkeit für diese Materie bei diesem liegt. Die Zuständigkeit des Bundesministers für Landesver- teidigung für die §§ 3 und 6 lässt sich aus den im Abschnitt G des Teiles 2 der Anlage zu § 2 leg.cit ersichtlichen Angelegenheiten des militärischen Waffen-, Schieß- und Munitionswesen ableiten, jene des Bundesministers für Justiz für §§ 4 und 5 aus den aus Abschnitt F des Teiles 2 der Anlage 2 zu § 2 leg.cit. ersichtlichen Angelegenheiten des gerichtlichen Strafrechtes.