213/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 03.05.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Verhandlungen der EU mit den AKP-Staaten über wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen(EPAs)

 

Die EU verhandelt seit 2002 mit den AKP (Afrika, Karibik, Pazifik)-Staaten neue Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs).

 

Die EPA-Verhandlungen wurden im Jahr 2000 beim Abschluss des Cotonou-Abkommens vereinbart.

 

Die EPA-Verhandlungen begannen im September 2002 (nachdem die EU-AußenministerInnen im Juni 2002 das Verhandlungsmandat für die EU-Kommission in Form eines Memorandums beschlossen hatten), sollen Ende 2007 abgeschlossen werden und am 1. Jänner 2008 in Kraft treten. Die Verhandlungen waren auch deshalb notwendig, da die bisherigen Abkommen, die den AKP-Ländern vergünstigten Zugang zum europäischen Markt ermöglichten, nicht mehr den WTO-Regelungen entsprachen. Das bedeutet, dass auch die AKP-Länder ihre Märkte für EU-AnbieterInnen öffnen müssen.  Denn laut Artikel XXIV des GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) bedeuten die Rahmenbedingungen für Freihandelsabkommen eine Liberalisierung „annähernd des gesamten Handels“ innerhalb einer „angemessenen Zeitspanne“. Im Rahmen der EPAs könnte das eine 90 %ige Öffnung innerhalb von zehn bis zwölf Jahren bedeuten.

 

Die Verhandlungen finden jeweils zwischen der Europäischen Kommission und neun, neu gebildeten Regionalgruppen statt, mit denen die EU am Ende der Verhandlungen Freihandelsabkommen abschließen will. Diese Gruppen decken sich jedoch nicht mit den bereits existierenden regionalen Gemeinschaften (wie etwa der Entwicklungsgemeinschaft im Südlichen Afrika, SADC). Das unterminiert regionale Integrationsbestrebungen,  obwohl eine solche Integration laut EU ein zentrales Ziel der EPAs ist.

 

Die EPAs sollen laut EU-Verhandlungsmandat vor allem ein entwicklungspolitisches Instrument sein. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und auch VertreterInnen von AKP-Ländern haben aber bereits Befürchtungen geäußert, dass die EPAs einer nachhaltigen Entwicklung vieler AKP-Staaten eher hinderlich denn dienlich wären:

 

Im Bereich der Landwirtschaft werden hohe Anpassungskosten und der Ruin der lokalen Märkte befürchtet, sobald billige, hochsubventionierte Agrarprodukte aus der EU ungehindert eingeführt werden können. Die EU hat bisher angekündigt, zwar allen AKP-Ländern zollfreien Zugang zu gewähren, ausgenommen werden aber zwei sensible Produkte (nämlich Zucker und Reis) sein, für die Übergangsfristen gelten sollen.

Dennoch haben die bisherigen Erfahrungen mit der „Everything but Arms“-Initiative gezeigt, dass freier Marktzugang ohne Verbesserung der Produktionskapazitäten und –standards zu keinen signifikanten wirtschaftlichen Verbesserungen(?) führt.

 

Ähnliches gilt für den Dienstleistungssektor, der für die EU von großem Interesse ist. Gegen die großen Dienstleistungskonzerne Europas haben lokale AnbieterInnen jedoch derzeit meist keine Chance. Die meisten AKP-Länder können von dieser Öffnung wegen ihres eigenen schwach entwickelten Dienstleistungssektors kaum profitieren. Afrikanische Dienstleistungsunternehmen werden wohl nur in Ausnahmefällen auf dem europäischen Markt Fuß fassen können.

 

Die EPAs sollen nach den Wünschen der EU auch den Investitionsbereich regeln, während die AKP-Regierungen diesen Bereich aus den EPAs heraushalten wollen. Diesen Standpunkt haben sie bereits während der WTO-Verhandlungen im Rahmen der Doha-Entwicklungsrunde vertreten.

 

Durch die Eliminierung von Zöllen für EU-Produkte sinken die Zolleinnahmen beträchtlich, von denen viele AKP-Länder abhängig sind. Durchschnittlich 25 % der Staatseinnahmen afrikanischer Staaten kommen nach Angaben des European Centre for Policy Management aus Zolleinnahmen. Ein drastischer Rückgang dieser Einnahmen wird heftige Auswirkungen auf die Staatsausgaben haben und könnte das Erreichen der Millennium-Entwicklungsziele (etwa die  Bereitstellung der Grundschulbildung für alle Kinder, die Reduzierung der Müttersterblichkeit oder die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit) gefährden.

 

Die eigentlichen Handelsbarrieren für die AKP-Länder, nämlich die nicht-tariffären Handelshemmnisse, wie Ursprungsklauseln und Normen, stellen ein zusätzliches Problem dar.

 

Die EU-AußenministerInnen haben im Oktober 2006 beschlossen, 2 Mrd. Euro mehr für „Aid for Trade“ zur Deckung der Kosten der EPA-Anpassung bereit zu stellen. Viele BeobachterInnen fürchten, dass diese Mittel nicht zusätzlich zu den bisherigen Entwicklungsgeldern bereit gestellt werden, sondern eher auf Kosten anderer Entwicklungsprojekte gehen werden. Auf jeden Fall wird diese Summe nicht die gesamten EPA-Anpassungskosten decken können. Diese wurden in einer Studie des Commonwealth Secretariat mit über 9 Mrd. Dollar beziffert – also etwa viermal mehr als die von der EU bereitgestellten 2 Mio. Euro.

 

Mit dem im Jahr 2004 beschlossenen Zeitplan ist man schon massiv im Rückstand. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass bis zum 31.12.2007 ein für alle Seiten zufriedenstellendes Verhandlungsergebnis  erreicht wird.

 

Ein weiterer Kritikpunkt ist die mangelnde Einbindung von Parlamenten und Organisationen der Zivilgesellschaft – in den EU-Staaten genauso wie in den AKP-Staaten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert, sich im Rahmen der Europäischen Union hinsichtlich der Verhandlungen über die Economic Partnership Agreements (EPAs) mit den AKP-Ländern dafür einzusetzen, dass

 

-  die Verhandlungen um mindestens ein Jahr verlängert werden,

 

- das Verhandlungsergebnis den unterschiedlichen Entwicklungsstand der einzelnen AKP-Staaten berücksichtigt,

 

- der Artikel XXIV des GATT  möglichst flexibel ausgelegt wird, was den Zeitrahmen und den Umfang der Liberalisierungsmaßnahmen seitens der AKP-Länder, insbesondere der am wenigsten entwickelten, betrifft

 

 - die EU-Verhandlungen sich am Artikel 35.2 des Cotonou-Abkommens orientieren, der Regionale Integration und die Entwicklung regionaler Märkte als Voraussetzung für Außenhandelsöffnung definiert,

 

- ein Safeguard-Mechanismus Bestandteil der EPAs wird, der die Möglichkeit von zeitlich begrenzten Rücknahmen von Liberalisierungen erlaubt,

 

- die sog. Singapore Issues (Investitionen, Wettbewerb, Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen sowie Handelserleichterungen) nicht in die EPAs aufgenommen werden, da die Behandlung dieser Bereiche bereits im Rahmen der WTO-Verhandlungen von vielen Entwicklungsländern abgelehnt wurde,

 

- die EU die Stärkung regionaler Verhandlungskapazitäten in den AKP-Ländern unterstützt,

 

- die EU die AKP-Länder bei der Umsetzung der Sanitären und Phytosanitären Standards der EU technische und finanziell unterstützt,

 

- unabhängige und umfassende Studien über die vorhersehbaren Auswirkungen der EPAs in unterschiedlichen Sektoren noch vor Abschluss der EPA-Verhandlungen in Auftrag gegeben werden und diese erst zu Ende geführt werden, wenn die Studien vorliegen,

 

- die Transparenz der Verhandlungen gegenüber Parlamenten und Zivilgesellschaft in Europa und in den AKP-Ländern erhöht wird,

 

- ein Mitsprache- und Monitoring-Mechanismus eingeführt wird, der die Zivilgesellschaft und in verstärktem Ausmaß die nationalen Parlamente der EU- und AKP-Länder sowie das Europaparlament in den EPA-Prozess und dessen potenzielle Auswirkungen einbeziehen soll,

 

- die Mittel, die für „Aid for Trade“ bereit gestellt werden, nicht auf Kosten der Budgets für andereEntwicklungsprojekte gehen und auch für den Aufbau von Infrastruktur und Produktionskapazitäten verwendet werden können,

 

- Alternativszenarios entwickelt werden, falls die EPA-Verhandlungen scheitern sollten, damit die AKP-Staaten nicht schlechter gestellt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Industrie vorgeschlagen.