368/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 27.09.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Brosz, Zwerschitz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Gratis-Kindergarten

 

Gratis Kindergartenbesuch für alle Kinder in Österreich: Diese Forderung erhob ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer im "Steiermark heute" - Sommergespräch. Die Finanzierung müsste im Zuge des Finanzausgleichs gesichert werden.

 

Hermann Schützenhöfer: "Wir sollten uns politisch im Bund wie im Land einig sein, da ist etwas zu tun, und ich fordere, dass Bund und Länder, die ja jetzt in den Finanzausgleichsverhandlungen sind, einen Schwerpunkt Kinder setzen, und dass sie sich darauf einigen, den Schwerpunkt so zu setzen, dass Kindergärten für alle Kinder im Lande in der Republik gratis sind", so Schützenhöfer.

 

Bei der steirischen Volkspartei hat man sich auch um die Finanzierung Gedanken gemacht: "Wenn ich Ihnen sage, dass die Steiermark bisher im Jahr für die Kindergärten 64 Millionen Euro ausgibt, und wenn jetzt der Finanzausgleich verhandelt wird, dann ist die Frage insgesamt und insbesondere an den Bund zu richten", sagt der steirische ÖVP-Chef.

 

Für Schützenhöfer sind die Länder und Gemeinden derzeit in der Frage der Kindergartenfinanzierung benachteiligt, das müsse im nächsten Finanzausgleich geregelt werden, "und wir werden selbstverständlich mit dem Finanzminister und mit dem Bundeskanzler darüber verhandeln", so der steirische ÖVP-Chef.

 

Auch die EU-Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten einen Ausbau und eine Verbesserung des Angebots an Kindergärten um die Bildungschancen der Kinder zu optimieren. „Bei den Bemühungen muss es darum gehen, bereits bei sehr kleinen Kindern auf die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen abzustellen, beginnend mit Kindern in benachteiligten Gebieten, und Begleitmechanismen zu schaffen, die einen vorzeitigen Schulabbruch verhindern.“[1]

 

Kindergärten sind in Österreich Länder- bzw. Gemeindeangelegenheiten, entsprechend unterschiedlich sind die Angebote, Öffnungszeiten und Preise. Es gibt weder einen einheitlichen Bildungsplan, noch Qualitätskriterien, verbindliche Mindeststandards oder gar ein Recht auf den Kindergartenbesuch. Vor allem im ländlichen Raum fehlt es an Kindergartenplätzen, weshalb viele Kinder erst mit 4 oder 5 Jahren den Kindergarten besuchen können. In Ballungsräumen gibt es zwar zahlreiche private, kirchliche und alternative Kinderbetreuungsangebote, doch sind diese häufig recht teuer. Kindergärten kosten in Österreich zwischen 30 und 450 Euro pro Monat, je nach Bundesland unterschiedlich. Es gibt zwar soziale Preisstaffelungen, aber diese kommen nur wenigen zu Gute. So liegt die Obergrenze für die Gebührenbefreiung z.B. in Wien bei 1.053 Euro Familieneinkommen einschließlich der Familienbeihilfe pro Monat.

 

Um den sozialen Ausgleich zu schaffen und auch jenen Kindern den Besuch eines Kindergartens zu ermöglichen, denen es bisher aus finanziellen Gründen oder mangels Angebot nicht möglich war, muss ein Recht auf Kindergartenbesuch geschaffen werden und gleichzeitig müssen die Elternbeiträge für den Kindergartenbesuch aller Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt hinkünftig aus Budgetmitteln bestritten werden.

 

Die Finanzierung der Kindergartenbeiträge aus dem Bundesbudget stellt die effektivste Form der Familienförderung dar. So werden punktgenau junge Familien mit kleinen Kindern finanziell entlastet. Jeder Euro, der vom Bund für die Kinderbetreuung übernommen wird steht direkt diesen Familien zur Verfügung.

 

Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, in dem sich Kinder sozial, motorisch und sprachlich optimal entwickeln, mögliche individuelle Schwächen können rechtzeitig erkannt und bis zum Schuleintritt ausgeglichen werden. Im Kindergarten geht es nicht um Leistungsstandards und die Erfüllung schulischer Erfordernisse, sondern um spielerisches Lernen, den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen sowie Bewegung und Kreativität.

 

Johann Bacher vom Institut für Soziologie der Universität Linz hat anhand der Analyse der PISA-Daten die Bedeutung eines mehrjährigen Kindergartenbesuchs herausgearbeitet.

 

Dauer des Kindergartenbesuchs in Österreich:

 

 

länger als 1 Jahr

1 Jahr oder weniger

gar nicht

ohne Migrationshintergrund

83 %

14 %

3 %

mit Migrationshintergrund

60 %

27 %

13 %

 

83 % der Kinder ohne Migrationshintergrund besuchen in Österreich den Kindergarten länger als 1 Jahr, 14 % 1 Jahr oder weniger und 3 % gar nicht. Bei den Kindern mit Migrationshintergrund besuchen 60 % den Kindergarten länger als 1 Jahr, 27 % 1 Jahr oder weniger und 13 % gar nicht. 

 

„Vor allem ein mehrjähriger Kindergartenbesuch führt sowohl bei Kindern ohne als auch bei Kindern mit Immigrationshintergrund zu besseren Testleistungen im Lesen: Wird der Kindergarten 1 Jahr oder weniger lang besucht, ergibt sich nur eine geringe Verbesserung in den Testleistungen . Bei einem längeren Kindergartenbesuch beträgt die Zunahme über 30 Punkte (31 Punkte bei Kindern ohne Migrationshintergrund und 39 Punkte mit Migrationshintergrund). Der Leistungszuwachs entspricht in etwa jenem einer Schulstufe!

 

Die Tabelle zeigt zugleich, dass deutlich weniger Kinder mit Migrationshintergrund einen Kindergarten besuchen und die zeitliche Dauer des Kindergartens kürzer ist. Dies ist zum Großteil auf Zuwanderungen der Kinder im Kindergarten- oder Schulalter zurückzuführen. Aber auch in der Gruppe der in Österreich geborenen Kinder mit Migrationshintergrund (1. Generation) ergeben sich etwas geringere Kindergartenbesuchsquoten. So z.B. besuchen nur 75 % mehr als 1 Jahr den Kindergarten.

 

Zusammenfassend erscheinen zwei Punkte wichtig: Die Frage der Integration von Kindern mit Immigrationshintergrund sollte breiter diskutiert werden. Die Diskussion von Maßnahmen sollte nicht auf den Schulbereich begrenzt sein, da durch Maßnahmen am Arbeitsmarkt und durch vorschulische Förderung Bildungsungleichheiten gezielt und wirkungsvoll abgebaut werden können. Dabei zeigt sich, dass die Forderung nach einem verpflichtenden Kindergartenjahr zu erweitern ist.“[2]

 

Um eine weitere Qualitätsverbesserung des pädagogischen Angebots an Kindergärten und eine Attraktivierung des Berufsbildes Kindergartenpädagogik zu erreichen bedarf es einer hochschulischen Aus- und Weiterbildung von KindergartenpädagogInnen. Ein entsprechendes Ausbildungsangebot an den neu geschaffenen Pädagogischen Hochschulen ist daher zu entwickeln.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, so rasch wie möglich alle erforderlichen Maßnahmen zu setzen, um allen Drei- bis Sechsjährigen Kindern in Österreich ein Anrecht auf den kostenlosen Besuch eines Kindergartens zu schaffen.

 

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, einen Bildungsplan für die Frühförderung im Kindergarten auszuarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass Ausbildungsangebote für KindergartenpädagogInnen umgehend an den pädagogischen Hochschulen geschaffen werden.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.



[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, „Förderung der umfassenden Beteiligung junger Menschen an der Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft“, Seite 3

[2] Bacher, Johann: Integration als Querschnittsaufgabe aus dem Newsletter des Österreichischen Schulkompetenzzentrums Schul-News Nr. 02/2007, S. 6f