46/A XXIII. GP

Eingebracht am 29.11.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

Der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) ge-
ändert wird.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) wird geändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB)

Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), zuletzt geändert durch Bundesgesetz
BGBl. I Nr. 113/2006, wird wie folgt geändert:

Dem § 22 wird ein Absatz 2 angefügt:

„(2)Aus der Tatsache der Geburt eines Menschen ist ein Anspruch auf Schadenersatz ausge-
schlossen.

Titel und Ansprüche jedweder Art, die bei Kundmachung dieses Gesetzes bestehen und die
sich auf die Tatsache der Geburt eines Menschen gründen, sind hiermit erloschen."

Begründung

Mit der Entscheidung 1 Ob 91/99 k des OGH wurde auf Grund der Geburt eines behinderten
Kindes ein Schadenersatzanspruch gegen einen Arzt zugesprochen, der die Aufklärung über
eine im Ultraschall erkennbare (schwere) Behinderung des ungeborenen Kindes unterlassen
habe, sodaß die werdende Mutter darauf nicht so reagiert habe (habe können), rechtzeitig eine
Abtreibung vornehmen zu lassen. In dieser Entscheidung ist nur der Unterhaltsmehrbedarf
eingeklagt worden, der im Verhältnis zu einem gesunden Kind für die Eltern des behinderten
Kindes entsteht.

Der OGH hat bei dieser Entscheidung festgehalten, daß die Geburt eines gesunden uner-
wünschten Kindes keinen Schadenersatzfall darstelle, ebenso wurde ein Schadenersatzan-
spruch des Kindes selbst wegen eigener unerwünschter Existenz abgelehnt.


 

In einer weiteren Entscheidung zu 5 Ob 165/05 h hat der OGH in Erweiterung der vorhin zi-
tierten Entscheidung die Judikatur (diese Fallkonstellationen werden in der nun allgemein
gebräuchlichen Terminologie als „wrongful birth" bezeichnet) dahin ergänzt bzw. erweitert,
daß als schadenersatzrechtlicher Anspruch gegen den behandelnden Arzt der gesamte Unter-
halt, welcher für ein behindertes Kind auflaufen wird, zugesprochen wurde. Dies mit der Be-
gründung, daß wegen eines Beratungsfehlers des Arztes, der die Kindesmutter über die fest-
stellbare (im Zuge der Pränataldiagnostik) Behinderung des zu empfangenden Kindes nicht
vollständig bzw. hinreichend aufgeklärt habe.

Diese letztgenannte Entscheidung hat bereits zu massiven öffentlichen Stellungnahmen ge-
führt und ist bereits intensiver Gegenstand medial und sonst öffentlich ausgetragener rechts-
philosophischer, ethischer, medizinischer und juristischer Diskurse.

(So hat zuletzt am Juridicum Wien eine Podiumsdiskussion stattgefunden, über welche am
13.11.2006 im „Rechtspanorama" der Presse berichtet worden ist.)

Nun liegt eine Entscheidung des OGH zur Geschäftszahl 6 Ob 101/06 f vor, in welcher ein
Schadenersatzanspruch klar abgewiesen worden ist, wo nach der Fallkonstellation ein gesun-
des Kind zur Welt gekommen ist, obwohl ein mit dem Arzt geschlossener Vertrag darauf ab-
zielte, eine Schwangerschaft zu verhindern. Diese Entscheidung setzt die schon bisherige
Tendenz der Judikatur des OGH fort, wonach Schadenersatzansprüche aus dem Komplex
„wrongful conception" abgelehnt wurden.

Es liegt also ein klarer Fall der Ungleichbehandlung vor, der zusammengefaßt folgenderma-
ßen beschrieben werden kann: Die Geburt eines gesunden Kindes, welches unerwünscht war,
ist nicht schadenersatzbegründend, hingegen ist die Geburt eines behinderten Kindes prinzipi-
ell schadenersatzbegründend.

Die aufgezeigte Differenzierung, die von der Rechtsprechung nun eingenommen wird, grün-
det sich im Falle der „wrongful birth" auf die Verletzung des von der Kindesmutter mit dem
Arzt geschlossenen Beratungsvertrages und verdrängt ganz offenkundig das prinzipielle Le-
bensrecht des Ungeborenen, welchem man doch eine Schutzbarrierenfunktion zumessen
könnte, welche den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der vorgeworfenen Nichtemp-
fehlung zur Abtreibung und der unerwünschten Geburt unterbrechen sollte.

Durch die Differenzierung in der Rechtsprechung wird aber - gewollt oder ungewollt - zu
einer juristischen Anspruchsplattform geleitet, die nicht anders umschrieben werden kann
denn als „lebensunwertes Leben".

Es muß vermutlich nicht besonders ausführlich begründet werden, daß eine derartige Rechts-
lage völlig abseits vom ethischen Grundkonsens unseres Gemeinwesens gelagert ist und daher
vor weiterer Vertiefung und Festigung der einschlägigen Judikatur der Gesetzgeber auf den
Plan treten muß, um Klarheit zu schaffen (was in einschlägigen Diskussionen ohnedies bereits
gefordert wird).

Denn Faktum ist, daß auch die Konsequenz im gesamtgesellschaftlichen Bereich negative
Auswirkungen zeigt.

Hiezu sei ein Hinweis auf die Berichterstattung in der Zeitschrift Profil Nr. 43 vom
23.10.2006 S 109 ff aufschlußreich, aus dem sich ergibt, daß auf Grund der aufgezeigten Ju-
dikatur (5 Ob 165/05 h) die Ärzte aus Selbstschutz möglicherweise eine Beratung entfalten,


die im Zweifel für die Abtreibung und nicht im Zweifel gegen die Abtreibung gerichtet ist.
Dies wäre eine ganz natürliche Konsequenz, weil ja bei einer Haftung eines behandelnden
Arztes für die gesamte Unterhaltsleistung, die für ein behindertes Kind aufzubringen ist -
ohne daß dies versicherungsrechtlich gedeckt wäre - dies die Existenz eines Arztes beein-
trächtigt oder gar ruiniert sein kann.

Dieses Wissen, daß nun Ärzte geneigt sein könnten, im Zweifel den Rat zu geben, ein mögli-
cherweise behindertes Kind vorsorglich abzutreiben, belastet in einem nicht verantwortbaren
Maß auch die schwangeren Mütter. Denn diese befinden sich in der ausweglosen Gedanken-
falle ein erwünschtes, möglicherweise gesundes Kind, auf Grund des Drängens des Arztes,
daß das Kind möglicherweise behindert sein könnte, abgetrieben zu haben.
(Auch für diese - subjektiv für die Betroffene geradezu katastrophale psychische Situation -
sei auf den vorhin erwähnten Profilartikel verwiesen).

Der österreichische Gesetzgeber ist daher berufen, eine klare Entscheidung zu Gunsten des
Wertes des Lebens abzugeben und jedenfalls der Akzeptanz des Gedankenmodells „unwertes
Leben" entgegenzutreten.

Dies kann nur geschehen, wenn schadenersatzrechtliche Ansprüche, die sich auf die Tatsache
der Geburt eines Menschen beziehen, prinzipiell ausgeschlossen sind. Genau auf diese For-
mulierung kommt es an, um legistisch Klarheit zu schaffen, daß sonstige allfällige Ansprüche,
die im Zusammenhang mit der Geburt entspringen können, nicht berührt werden, wie etwa bei
fehlerhafter ärztlicher Handlungsweise im Geburtshilfebereich.

Auch wird das sonst bestehende Recht des Schwangerschaftsabbruches und der medizini-
schen Indikation in keiner Weise berührt. Ebensowenig wird in das Recht auf Unterhalt ein-
gegriffen.

Gleichfalls ist es ein Gebot der Gleichbehandlung, daß alle Titel, die auf Grund bisheriger
Judikatur (oder sonst unbekannter privatrechtlicher Schuldtitel), die sich schadenersatzbe-
gründend auf die Tatsache der Geburt eines Menschen stützen, für unwirksam erklärt werden.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuß vorgeschlagen sowie die
Durchführung einer Ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.