647/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 13.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Strache, DI Klement, Rosenkranz
und weiterer Abgeordneter

betreffend Fristenlösung, Abtreibung - Maßnahmen zur rechtlichen Regelung und Ausgestaltung der „vorhergehenden ärztlichen Beratung"

Die Fristenlösung wurde am 29. November 1973 (BGBl. Nr. 60/1974) mit den Stim­men der SPÖ gegen die Stimmen von ÖVP und FPÖ (93 zu 88) im Nationalrat be­schlossen. Nachdem der Bundesrat sich gegen diese Gesetzesbestimmung aus­gesprochen hatte wurde die Fristenlösung mit einem Beharrungsbeschluss des Na­tionalrats am 23. Jänner 1974 verabschiedet und steht seit 1. Jänner 1975 in Kraft.

Der Einführung der Straffreiheit von Abtreibungen, die schon im Jahr 1926 ins sozia­listische Linzer Programm übernommen wurde, gingen heftige Diskussionen zwi­schen Befürwortern und Gegnern der Fristenlösung voraus. In einem 1975 von der „Aktion Leben" durchgeführten Volksbegehren zum „Schutz des menschlichen Le­bens" konnte ein Ergebnis von knapp 900.000 Unterschriften erreicht werden. Dieses Volksbegehren war bis 1982 das erfolgreichste in der österreichischen Nachkriegs­geschichte.

Bis heute gibt es in dieser Frage sehr große weltanschauliche Unterschiede in der Bevölkerung.

Von vielen Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch an sich durchführen ließen, weiß man, dass diese im Nachhinein nicht immer mit ihrer Entscheidung zufrieden sind und oft psychische und teils auch bis ins physische gehende Folgen zu erleiden haben.

Insgesamt ist festzustellen, dass Schwangerschaftsabbrüche in der österreichischen Rechtsordnung außer im Strafrecht keinerlei rechtlicher Regelungen unterliegen. Oftmals muss man feststellen, dass die im § 97 Abs. 1 Z 1 StGB nur einmal erwähnte und nicht weiter konkretisierte „vorhergehende ärztliche Beratung" als unzureichend angesehen werden muss. Vor allem wenn die Beratung durch einen Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch selbst vorzunehmen gedenkt, durchgeführt wird. Hier kommt es zu unklaren Interessenslagen auf Seiten des beratenden Arztes. Sobald ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang eines Beratungsgesprächs auszumachen ist, handelt es sich qualitativ nicht mehr um ein Beratungsgespräch.

 

In der Bundesrepublik Deutschland liegt eine, in den Grundzügen mit der österreichi­schen vergleichbare Rechtslage vor. Mit dem großen Unterschied, dass dort in den §§ 218a ff dStGB die Modalitäten dieser „vorhergehenden ärztlichen Beratung" konk­retisiert werden. Mit dem im Jahre 1992 verabschiedeten „Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten" wurde ein bundesweites Netz an Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen errichtet und Vorgaben über den Inhalt der Beratung festgelegt. Laut § 219 Abs. 1 dStGB dient die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen.

Eine Beratung durch den Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt, ist gemäß § 219 Abs. 2 dStGB ausgeschlossen. Weiters wird eine Bedenkfrist von drei Tagen zwischen dem Ende des letzten Beratungsgesprächs und der Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs gemäß § 218a Abs. 1 Z 1 dStGB vorgeschrieben.

Neben der näheren rechtlichen Ausgestaltung der allgemeinen Aufklärung und Bera­tung, der rechtlichen Organisation und Finanzierung von Beratungsstellen und der Regelung der „Schwangerschaftskonfliktberatung" sowie der Anerkennung von „Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen" wird im „Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten" auch die Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche geregelt. Die dabei erhobenen Zahlen zeichnen zwi­schen 2001 und 2007 folgendes Bild (Auszug):

 

 

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007*

Insgesamt

134 964

130 387

128 030

129 650

124 023

119 710

116 871

Mit dem im Jahre 1984 verabschiedeten „Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens"" wurden überdies finanzielle Mittel vor­gesehen, die für ergänzende Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen wer­denden Müttern, die sich wegen einer Notlage an eine Schwangerschaftsberatungs­stelle wenden, Mittel gewährt oder für die Zeit nach der Geburt zugesagt werden, um ihnen die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern.

Die Bundesstiftung erhält von der Bundesrepublik Deutschland für ihre Aufgaben derzeit jährlich 92 Mio. Euro. Sie zahlt die Mittel nicht unmittelbar selbst aus, sondern bedient sich hierzu der Landesstiftungen für Frauen und Familien in Not und ähnli­cher zentraler Verbände in den Bundesländern. In Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen helfen die Landesstiftungen in diesem Be­reich auch mit eigenen Stiftungsmitteln. Mit der Bundesstiftung „Mutter und Kind" werden jährlich ca. 150.000 schwangere Frauen in einer Notlage in unbürokratischer

Form unterstützt, um die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Betreuung des Kleinkindes zu erleichtern. Die Mittel der Stiftung werden z.B. für die Erstausstattung des Kindes, die Weiterführung des Haushalts, die Wohnung und Einrichtung sowie die Betreuung des Kleinkindes gewährt. Die Zuschüsse werden nicht als Einkommen auf das Arbeitslosengeld, die Sozialhilfe und andere Sozialleistungen angerechnet. Die Höhe und Dauer der Hilfe richten sich nach den persönlichen Umständen, aber auch nach den Gesamtzahlen der Antragstellerinnen in Notlagen.

Unabhängig vom persönlichen ideologisch-weltanschaulichen Zugang zu dieser Thematik, sollte eine Verbesserung der Qualität der Beratung, sowie der finanziellen Absicherung von werdenden Müttern, die sich trotz vorliegender persönlicher Notla­gen für ein Kind entscheiden, und die zahlenmäßige Erfassung von medizinischen Eingriffen im Interesse aller politisch handelnder Personen gelegen sein. Die Rege­lungen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland be­währt haben, wären als Vorbild-Modell auch in Österreich anwendbar.

Gerade im Hinblick darauf, dass entgegen der öffentlichen Wahrnehmung die Abtrei­bung im Zuge der Fristenlösung rechtlich bloß straflos, deshalb aber nicht auch rechtmäßig ist und diese Meinung neben der Lehre (Bydlinski, Mayer-Maly in „Rechtsethik Band 4 - Mensch von Anfang an?, Wien 2008" auch vom OGH (6 Ob 101/06 f) und der Volksanwaltschaft (GZ VA W 203-SCHU/02 vom 9.4.2005) vertre­ten wird, ist der Umgang der Rechtsordnung mit solchen straflosen, jedoch rechts­widrigen Tatbeständen besonderen Regelungen und einem Maß an Sensibilität zu unterziehen.

Die zitierten Gesetzesstellen der bundesdeutschen Rechtsquellen werden dieser Antragsbegründung als integraler Bestandteil für eine parlamentarische Behandlung beigefügt.


 


 


 


 


 


 


 



 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung wird ersucht, umgehend dem Nationalrat eine Regierungsvor­lage zuzuleiten, welche nach bundesdeutschem Vorbild eine inhaltliche und organi­satorische Konkretisierung der Begleitmaßnahmen, welche vor der Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs durchzuführen sind, insbesondere die „vorhergehenden ärztlichen Beratung" im § 97 Abs. 1 Z 1 StGB, vorsieht."

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Familienausschuss ersucht.