70/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 14.12.2006
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mandak, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Beschlussfassung über ein modernes Modell der Elternkarenz

 

 

Die derzeitigen Regelungen zu Karenz und Kinderbetreuungsgeld entsprechen nicht ausreichend den notwendigen Erfordernissen. Die Zielsetzungen des Kinderbetreuungsgeldes, das 2002 eingeführt wurde, wurden ganz überwiegend nicht erreicht. So wurde statt der Wahlfreiheit der BezieherInnen deren Familienorientierung gefördert, die Zuverdienstgrenze verhindert die notwendige Flexibilität für Eltern, viele Frauen bleiben aufgrund der längeren Bezugsdauer länger vom Arbeitsmarkt fern. Die Anreize, die das Kinderbetreuungsgeld für eine erhöhte Beteiligung von Vätern bei Karenz und Kinderbetreuung setzten sollte, wirken kaum und auf die Erfüllung eines Kinderwunsches hat das Kinderbetreuungsgeld keinen Einfluss. Dies bestätigt auch die 2006 präsentierte Evaluation des Kinderbetreuungsgeldes durch das Österreichische Institut für Familienforschung.

 

Neue Regelungen der Elternkarenz müssen insbesondere folgende Zielsetzungen verfolgen:

 

Verbesserte soziale Absicherung

Ein Mindestkarenzgeld für jeden kinderbetreuenden Elternteil, das über der Armutsgrenze liegt.

 

Mehr Partnerschaftlichkeit

Förderung und Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung der Karenz zwischen beiden Eltern.

 

Individueller Anspruch auf Karenz

Jeder Elternteil soll einen eigenständigen Karenzanspruch haben.

 

Verbesserte Vereinbarkeit

Individuelle Wahl von Voll- und/oder Teilkarenzen zur flexibleren Gestaltung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit.

 

Anerkennung sozialer Elternschaft

Soziale Eltern müssen unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch auf Elternkarenz haben.

 

Erfolgreicher Wiedereinstieg

Verbesserter arbeitsrechtlicher Schutz und flexible Gestaltungsmöglichkeiten sollen den Wiedereinstieg nach der Karenz erleichtern.

 

Keine Schlechterstellung zum Status Quo

Niemand soll im neuen Modell finanziell schlechter gestellt sein als derzeit.

 

Die Grünen haben ein Karenzmodell entwickelt, das diese Zielsetzungen verfolgt. Dieses – im Folgenden in seinen Grundzügen dargestellte Modell – soll als Diskussionsgrundlage für eine Neuregelung der Elternkarenz dienen.

 

Das Modell:

 

Mutterschutz wie bisher, zusätzlich Vatermonat

Das grüne Karenzmodell geht davon aus, dass die derzeitigen Regelungen zum Mutterschutz (2 Monate vor bis 2 Monate nach der Geburt) inkl. des Bezuges von Wochengeld (bzw. Betriebshilfe bei Selbstständigen) bestehen bleiben. Zusätzlich hat der Vater Anspruch auf einen Vatermonat nach der Geburt bei vollem Einkommensersatz.

 

Phase 1: 8 Monate Karenz mit 80% des Einkommens für jeden Elternteil

Mutter und Vater haben je 8 Monate Karenzanspruch bei 80%igem Einkommensersatz. Die Karenz kann als Voll- oder Teilkarenz (Dreiviertel- oder Halbkarenz) beansprucht werden. Bei Halbkarenz z.B. ist die Karenzdauer  - bei Arbeitszeitreduktion um die Hälfte - doppelt so lange wie bei Vollkarenz mit 40%igem Einkommensersatz.

Eltern ohne vorherige Erwerbstätigkeit oder mit geringem Einkommen erhalten ein Karenzgeld von 730 € (Mindestkarenzgeld). Ebenso gibt es einen Deckel, der 80% der sozialversicherungsrechtlichen Höchstbeitragsgrundlage beträgt. Das heißt, die Maximalhöhe des Karenzgeldes beträgt 2.200 €. Bei Vollkarenz ist ein Zuverdienst nicht möglich; bei den Teilkarenzen ist die Arbeitszeit entsprechend zu reduzieren.

 

Phase 2: 3 Monate Karenz mit Fixbetrag von 600 € für jeden Elternteil

Nach Phase 1 hat jeder Elternteil Anspruch auf 3 Monate Karenzgeld von 600 €. In Phase 2 gibt es keine Arbeitszeitvorgaben und keine Zuverdienstgrenze. Voraussetzung für den Phase 2-Anspruch ist, dass der andere Elternteil zumindest 2 Monate Karenz der Phase 1 in Anspruch nimmt; der Vatermonat gilt dabei als ein Monat Karenz. Entweder wurden diese 2 Monate Karenz bereits genommen oder der Elternteil erklärt, diese bzw. die darauf fehlende Zeit nach Inanspruchnahme von Phase 1 und 2 des anderen Elternteils (in der Regel der Mutter) noch zu beanspruchen.

Durch diese flexible Gestaltungsmöglichkeit der Karenz ist es so möglich, dass ein Elternteil beide Karenzphasen hintereinander in Anspruch nimmt und auf eine Karenz-Phase 2 eines Elternteils eine Karenz-Phase 1 des anderen Elternteils folgt.

Beispiel: Der Vater hat nach der Geburt das Angebot des Vatermonats in Anspruch genommen. Die Mutter nimmt nach dem Mutterschutz Karenz-Phase 1 und unmittelbar anschließend Phase 2 in Anspruch.

Das ist möglich, wenn der Vater erklärt, danach noch mindestens 1 Monat Karenz in Anspruch zu nehmen. Der Vater kann nun nach Karenz-Phase 2 der Mutter seine Karenz-Phase 1 (zumindest noch 1 Monate) in Anspruch nehmen.

 

Der Fixbetrag von 600 € wird bezahlt, solange kein Grundsicherungsmodell umgesetzt ist. Im Falle der Einführung eines Grundsicherungsmodells sind die beiden Modelle im Detail aufeinander abzustimmen.

 

AlleinerzieherInnen haben längeren Anspruch auf Karenzgeld

 

AlleinerzieherIn ist, wer alleinige Obsorge hat und nicht mit dem anderen biologischen Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt. AlleinerzieherInnen haben - wie jeder Elternteil - Anspruch auf 8 Monate Karenz der Phase 1; Karenzphase 2 kann von AlleinerzieherInnen 12 Monate in Anspruch genommen werden.

AlleinerzieherInnen, die mit einem/einer neuen LebensgefährtIn und dem Kind in einem Haushalt leben, können auf den verlängerten Anspruch zugunsten des/der LebensgefährtIn verzichten. Dann hat diese/r einen Karenzanspruch wie ein biologischer Elternteil.

 

Karenz für selbstständig Erwerbstätige

Das grüne Karenzmodell gilt auch für selbstständig Erwerbstätige. In Phase 1 wird das durchschnittliche Einkommen der letzten 3 Jahre herangezogen. Bei Inanspruchnahme der Karenz muss in Phase 1 das Einkommen reduziert werden (auf Null bei Vollkarenz bzw. die Hälfte bei Halbkarenz, etc.). Wird mehr verdient, so ist das nicht verboten, das darüber hinausgehende Einkommen reduziert in diesem Ausmaß das Karenzgeld.

 

Phase 3:

- Recht auf Kinderbetreuung für Kinder ab 1 Jahr

Es besteht ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab 1 Jahr, um die öffentliche Verantwortung für Kinderbetreuung klarzustellen und den Ausbau benötigter Betreuungseinrichtungen massiv zu forcieren. Diese Betreuungseinrichtungen müssen internationalen Qualitätsstandards entsprechen.

 

Übergangsregelung, bis die entsprechenden Angebote bestehen

Wenn nach dem Ausschöpfen der Phase 2 noch keine öffentliche oder öffentlich geförderte Kinderbetreuungsmöglichkeit in der näheren Umgebung angeboten wird, besteht in der Übergangsphase weiter Karenzgeldanspruch auf 600 € bis zum 3. Geburtstag des Kindes.

 

 

Rahmenbedingungen des Grünen Karenzmodells:

 

Bonus für die Erbringung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in 2 Tranchen

Eltern, die alle vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen vornehmen lassen, erhalten nach Vorlage einer entsprechenden Bestätigung nach dem ersten sowie nach dem zweiten Lebensjahr des Kindes einen Bonus von jeweils 500 €.

 

Kinderbetreuungszuschuss für Eltern, die keine Karenz in Anspruch nehmen

Entscheiden sich Eltern, nach der Geburt ihres Kindes (weiter) erwerbstätig zu sein und keine Karenz in Anspruch zu nehmen, so erhalten sie 16 Monate lang einen Zuschuss von 300 € pro Monat für Kinderbetreuung. Voraussetzung ist, dass beide Elternteile (bzw. bei AlleinerzieherInnen die/der AlleinerzieherIn) keine Karenz beanspruchen.

 

Arbeitsrechtliche Karenz und Kündigungsschutz:

Erwerbstätige Eltern können (bzw. müssen in Phase 1) ihre Arbeitszeit während der  gesamten Karenzdauer reduzieren oder aussetzen. Änderungen müssen dem Arbeitgeber jeweils 3 Monate im Vorhinein bekannt gegeben werden. Der Kündigungsschutz wird an die Dauer der Karenz angeglichen.

 

Verlängerung der Behaltefrist nach dem Wiedereinstieg

Die Behaltefrist nach dem Wiedereinstieg wird von 1 Monat auf 6 Monate verlängert. Dadurch wird die Chance erhöht, sich am Arbeitsplatz wieder einzuarbeiten.

 

Pensionsanrechnung der Karenzzeiten:

In Phase 1 werden von der jeweiligen Höhe des Karenzgeldes Pensionsversicherungsbeiträge berechnet.

 

Krankenversicherung während der Karenz:

Es besteht Krankenversicherungsschutz während der Karenzzeit, soferne kein Versicherungsschutz über eine Erwerbstätigkeit vorliegt.

 

Verbesserung des Elternteilzeitgesetzes

Der Geltungsbereich des Elternteilzeitgesetzes soll erweitert werden, sodass es für alle ArbeitnehmerInnen anwendbar wird und Eltern - im Anschluss an die Karenz - ihre Rückkehr in den Arbeitsmarkt nach ihren Vorstellungen gestalten können. Auch Elternteilzeit eines Elternteils parallel zur Karenz des anderen  muss möglich sein.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 30.6.2007 eine Regierungsvorlage betreffend eine Neuregelung von Elternkarenz und Kinderbetreuungsgeld entsprechend den oben genannten Zielsetzungen mit dem von den Grünen entwickelten Karenzmodell als Diskussionsgrundlage vorzulegen.

 

Diese Neuregelung hat insbesondere zu enthalten:

 

·        Einen Vatermonat für unselbstständig erwerbstätige Männer anlässlich der Geburt eines Kindes

·        Eine erste Elternkarenzphase nach Geburt bzw. Mutterschutz, in der ein einkommensabhängiges Karenzgeld gezahlt wird; nicht erwerbstätige Eltern erhalten in dieser Zeit ein Mindestkarenzgeld über der Armutsgrenze

·        Eine zweite Elternkarenzphase, in der alle gleich viel Karenzgeld in einer Mindesthöhe, die über der Armutsgrenze liegt, erhalten

·        Einen individuellen Anspruch auf einen Teil der Karenzzeit für jeden Elternteil, der nicht an den anderen abgetreten werden kann

·        Einen verlängerten Anspruch auf Karenzzeit für AlleinerzieherInnen

·        Anspruch auf Teilkarenzen für Eltern, die diese individuell wählen können

·        Arbeitsrechtliche Verbesserungen für die Elternkarenz, insbesondere eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf die gesamte Karenzzeit sowie eine Verlängerung der Behaltefrist nach der Karenz auf 6 Monate

·        Anspruch auf Elternkarenz für LebensgefährtInnen von AlleinerzieherInnen auf gemeinsamen Antrag statt des verlängerten Anspruches des/der AlleinerzieherIn

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Familienausschuss vorgeschlagen.