752/A(E) XXIII. GP
Eingebracht am 08.05.2008
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ing. Norbert Kapeller,
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Resolution der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Die Sudetendeutsche Landsmannschaft Österreichs hat den Abgeordneten des Nationalrates eine Resolution übermittelt, die folgenden Wortlaut hat:
„Entschließung zum sudetendeutsch-tschechischen Gedenkjahr 2008
Die Mitglieder der erweiterten Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft, des höchsten parlamentarischen und alle Vereinigungen umfassenden Gremiums der sudetendeutschen Volksgruppe außerhalb ihrer Heimat, erinnern zu Beginn des Jahres 2008 anlässlich der konstituierenden Sitzung ihrer XIV. Wahlperiode an eine beindruckende Reihe von historischen Ereignissen, die für die in Böhmen, Mähren und Österr.-Schlesien lebenden Tschechen und Deutsche eine einschneidende Bedeutung hatten und sich in diesem Jahr in besonderer Weise jähren:
- Im Jahr 1348 - vor 660 Jahren - gründete Kaiser Karl IV., der als König Karl I. zum ersten Mal Böhmen, Mähren und Schlesien unter der Wenzelskrone zusammenfasste, die später nach ihm benannte Prager Universität, ein für Deutsche und Tschechen elementares und europaweit ausstrahlendes Zentrum von Wissenschaft, Bildung und Gelehrsamkeit.
- Im Jahr 1618 - vor 390 Jahren - löste der Prager Fenstersturz jenen Dreißigjährigen Krieg aus, der Deutsche und Tschechen gleichermaßen belastete und im Jahr 1648 mit dem Westfälischen Frieden beendet wurde, dem eine Prager Friedensvereinbarung voranging.
- Im Jahr 1848 - vor 160 Jahren - waren sowohl Deutsche als auch Tschechen von dem Ringen um den Erhalt übernationaler Reichsgebilde oder die Schaffung eines deutschen Nationalstaats im Frankfurter Parlament betroffen; sie waren aber auch beide Nutznießer der Abschaffung von „Robot und Zehent“ im Kaiserreich Österreich.
- Im Jahr 1918 - vor 90 Jahren - ging für 7,4 Millionen Tschechen mit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik (gemeinsam mit 2,3 Millionen Slowaken) der Traum eines souveränen Staates in Erfüllung, was von 3,2 Millionen Deutschen und weiteren 1,6 Millionen Angehörigen anderer Völker als Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts empfunden wurde.
- Im Jahr 1938 - vor 70 Jahren - erhofften viele Sudetendeutsche im Gefolge des Münchener Abkommens, das die Übergabe der mehrheitlich deutsch besiedelten Gebiete von der Tschechoslowakischen Republik an das Deutsche Reich regelte, die späte Erfüllung ihres Selbstbestimmungsrechts, während das tschechische Volk „München“ als die größte Demütigung in seiner Geschichte betrachtet. Die nationalsozialistische Herrschaft im Sudetenland und ab 1939 im so genannten Reichsprotektorat Böhmen und Mähren führte dann zur Ermordung, Verfolgung und Flucht vieler Tschechen und Sudetendeutscher, darunter fast aller jüdischen Einwohner dieser Länder.
- Im Jahr 1948 - vor 60 Jahren - verlor die nach dem 2. Weltkrieg neu erstandene Tschechoslowakische Republik, die bis dahin fast alle Sudetendeutsche kollektiv vertrieben hatte, durch die Schwäche der Demokraten und die Macht des Kommunismus für vier Jahrzehnte ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit.
Sozialismus mit menschlichem Gesicht" in der Tschechoslowakei ebenso wie die Freiheitsbewegung ihrer Völker durch die militärische Intervention der Sowjetunion und weiterer Staaten des damaligen Warschauer Pakts. Als Relikt des „Prager Frühlings“ verfestigten sich jedoch föderative Elemente und die Stärkung gewisser Minderheitenrechte auch der in Böhmen, Mähren und Österr.-Schlesien verbliebenen Deutschen - allerdings nach wie vor unter dem repressiven Terror eines totalitären sozialistischen Systems.
Eingedenk dieser - das tschechische Volk und die sudetendeutsche Volksgruppe gleichermaßen prägenden - geschichtlichen Erfahrungen und in gemeinsamer Dankbarkeit für die friedliche Wende des Jahres 1989 mit der anschließenden Wiederherstellung freiheitlicher und demokratischer Strukturen für alle Tschechen und für alle Deutschen erklären die Mitglieder der erweiterten Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft erneut ihre uneingeschränkte Bereitschaft, mit den Vertretern des tschechischen Volkes in einen offenen Dialog über alle gemeinsam interessierenden und gegenseitig belastenden Fragen einzutreten. Sie erneuern in diesem Zusammenhang ihr Bedauern und ihre Entschuldigung für alle Verfehlungen und Verbrechen, die von Repräsentanten des deutschen Volkes gegenüber Angehörigen des tschechischen Volkes begangen worden sind, wie dies vom damaligen Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe, Bundesminister Hans-Christoph Seebohm erstmals beim Sudetendeutschen Tag im Jahr 1963 ausgesprochen worden ist.
In diesem Geist appellieren die Mitglieder der erweiterten Bundesversammlung der Sudeten-deutschen Landsmannschaft an den Präsidenten, die Regierung und die parlamentarischen Gremien sowie die Repräsentanten der gesellschaftlichen Organisationen der Tschechischen Republik, sich ihrerseits von Völker- und menschenrechtswidrigen Aktionen wie der Entrechtung und Vertreibung der sudetendeutschen Volksgruppe zu distanzieren, menschenrechtswidrige Dekrete bzw. Gesetze aufzuheben und endlich zu Gesprächen mit den Vertretern der Betroffenen über die Probleme aus der Vergangenheit und Lösungsmöglichkeiten für eine partnerschaftliche Zukunft bereit zu sein.
Tschechen und Sudetendeutsche könnten mit einer wahrscheinlich zunächst kontrovers angelegten, aber im Geist gegenseitigen Vertrauens vorgenommenen Aufarbeitung der Schrecken des 20. Jahrhunderts allen politischen Kräften in Europa signalisieren, dass sie mit dem Willen in das 21. Jahrhundert eintreten, die grundlegenden Rechte für alle Menschen,
Volksgruppen und Völker auf unserem Kontinent zu sichern und damit ein Beispiel für ähnlich gelagerte Probleme in der ganzen Welt zu geben."
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Nationalrat ersucht die Bundesregierung,
• die von der Sudetendeutschen Landsmannschaft Österreichs übermittelte Resolution als positives Zeichen für Dialog und Versöhnung mit dem Ziel einer guten und friedlichen Entwicklung in Europa zur Kenntnis zu nehmen;
• die wissenschaftliche Aufarbeitung des Unrechts der Vergangenheit und den Dialog und die Versöhnung zwischen den Sudetendeutschen und der Tschechischen Republik auf allen gesellschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Ebenen zu unterstützen;
• in bilateralen politischen Kontakten mit der Tschechischen Republik die offenen Fragen betreffend bestimmte Dekrete des Präsidenten Beneš anzusprechen und im
Sinne der Beschlüsse des Europäischen Parlaments insbesondere für die Abschaffung des so genannten Amnestie-Gesetzes einzutreten.“
Zuweisungsvorschlag: Menschenrechtsausschuss