844/A XXIII. GP

Eingebracht am 08.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz 1991 geändert
wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz 1991 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Sicherheitspolizeigesetz 1991 (SPG), BGBl. Nr. 566, zuletzt geändert durch das
Bundesgesetz BGBl.
I Nr. 114/2007, wird wie folgt geändert:

1.    § 53 Abs 3a lautet wie folgt:

„(3a) Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von den Betreibern öffentlicher
Telekommunikationsdienste (§92 Abs 3 Z 1 Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG
2003, BGBl.
I Nr .70) Auskunft über Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines
bestimmten Anschlusses zu verlangen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme
einer konkreten Gefahrensituation rechtfertigen und sie diese Daten als wesentliche
Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen
Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung dieses Anschlusses kann für die Erfüllung der
ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch
durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluß geführtes Gespräch durch
Bezeichnung des Zeitpunktes und der passiven Teilnehmernummer erfolgen. Die
ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen."

2.    § 53 Abs 3b lautet wie folgt:

„(3b) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige
Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die
Sicherheitsbehörden zur Hilfeleistung oder Abwehr dieser Gefahr berechtigt, von
Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Standortdaten der
von dem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zu verlangen, wenn
unter sorgfältiger Abwägung der bekannten Umstände davon auszugehen ist, dass
der gefährdete Mensch mit dieser Auskunftserteilung einverstanden ist. Die
Sicherheitsbehörde trifft die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit des
Auskunftsbegehrens, dessen Dokumentation dem Betreiber unverzüglich, spätestens
innerhalb von 24 Stunden, nachzureichen ist. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die
Auskünfte unverzüglich und gegen Ersatz der Kosten nach § 7 Z 4 der
Überwachungskostenverordnung - ÜKVO, BGBl.
II Nr. 322/2004, zu erteilen. Der
gefährdeten Person ist die Dokumentation binnen 48 Stunden nach ihrem Auffinden
zu übergeben."

 

Begründung:

Die Bestimmungen des § 53 Abs 3a und 3b Sicherheitspolizeigesetz (SPG) in der
derzeit geltenden Fassung wurden aufgrund eines Initiativantrages ohne
Durchführung eines Gesetzesbegutachtungsverfahrens beschlossen. Unmittelbar
nach dem Gesetzesbeschluss artikulierte sich umfassende Kritik an den beiden
Bestimmungen, welche nicht nur gegen verfassungsrechtlich geschützte Rechte wie
insbesondere das Fernmeldegeheimnis verstießen, sondern auch hinsichtlich der
Missbrauchsanfälligkeit unzureichend gestaltet waren.

Wie aus der Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni
2008 zu 4148/AB der XXIII. GP hervorgeht, wurden im Zeitraum 1.1.2008 bis
30.4.2008 3.863 Auskunftsverlangen gem. § 53 Abs 3a SPG und 258
Auskunftsverlangen gem. Abs 3b leg cit durchgeführt.

Es haben sich daher die Befürchtungen der Kritiker, dass die überschießende
Formulierung der Bestimmungen der Abs 3a und 3b im § 53 SPG zu zahlreichen
Anfragen führen würden, bewahrheitet, was einen massiven Eingriff in das
Fernmeldegeheimnis betreffend weiter Bevölkerungsteile bedeutet.

Die Bestimmungen der Absätze 3a und 3b sind daher einer dringenden Sanierung zu
unterziehen.

Zu Z. 1 (§53 Abs 3a)

Die Verfassungsbestimmung des § 10a StGG regelt das Fernmeldegeheimnis.
Eingriffe in dieses Grundrecht sind nur aufgrund eines richterlichen Befehles in
Gemäßheit bestehender Gesetze zulässig.

Das Fernmeldegeheimnis wird in § 93 TKG als „Kommunikationsgeheimnis" näher
gesetzlich ausgestaltet. Dem Kommunikationsgeheimnis unterliegen gem.
§ 93 Abs 1 TKG die Inhaltsdaten, die Verkehrsdaten und die Standortdaten.

Mit der Novelle It. BGBl I 114/2007 wurde die Bestimmung des § 53 Abs 3a SPG im
Wesentlichen um die Auskunft über „IP-Adressen" zu „bestimmten Nachrichten"
sowie die Auskunft über Name und Anschrift der Benutzer, denen die IP-Adressen
zugewiesen waren, ergänzt.

Im Gegensatz zu den klassischen Stammdaten bei Telefonanschlüssen nach Z 1 des
Abs 3a (Nummer, Name, Anschrift), geht die Ermittlung von IP-Adressen nach den Z
2 und 3 des Abs 3a über die Stammdatenerhebung hinaus. Aus den Definitionen des
§ 92 Abs 3 Z 3 und 4 TKG 2003 ergibt sich vielmehr, dass es sich bei IP-Adressen
um Verkehrsdaten handelt, die als solche dem Kommunikations- und
Fernmeldegeheimnis unterliegen.

Darüber hinaus ist aus dem Charakter der bei Nutzung des Internets übermittelten
„Nachrichten", wobei es sich nämlich aufgrund der Definition des § 92 Abs 3 Z 7 TKG
2003 nicht nur um Textnachrichten im klassischen Sinn, sondern vielmehr auch um

Eingaben in Formularfeldern, Chatrooms, Anklicken von Werbebannern etc. handelt
(als Nachricht etwa zwischen dem Nutzer und dem Betreiber), abzuleiten, dass in
vielen Fällen die Kenntnis der Verkehrsdaten einer derartigen „Nachricht" bereits
Inhaltsdaten darstellen kann.

Eine Ermittlung und Zuordnung der IP-Adresse zu einer „Nachricht" unterliegt daher -
stets dem Kommunikationsgeheimnis, und darf als Ausfluss des
Fernmeldegeheimnisses nach Art 10a StGG nur nach richterlichem Befehl in
Betracht gezogen werden.

Dafür finden sich ausreichende Gesetzesbestimmungen in den §§ 134 ff
Strafprozessordnung. Es wäre weiters ein unauflösbarer gesetzgeberischer
Wertungswiderspruch, wenn im Bereich der Strafrechtspflege die Beauskunftung
über Daten einer Nachrichtenübermittlung nur in bestimmten, eng umgrenzten Fällen
nach richterlicher Genehmigung ermöglicht wird, im Bereich des SPG eine solche
jedoch ohne richterliche Genehmigung und auch ohne konkrete Einschränkungen
der Zulässigkeit ermöglicht wäre.

Die Bestimmungen des Abs 3a betreffend IP-Adressen haben daher zur Gänze zu
entfallen, sodass auch der Verweis auf „sonstige Diensteanbieter" zu streichen ist.

Die Ergänzungen des Abs 3a in Form eines Verweises auf das TKG 2003
hinsichtlich der Telekommunikationsdienste sowie das Erfordernis, dass eine
Abfrage von Stammdaten zu einem Anschluss nur zulässig ist, wenn bestimmte
Tatsachen die Annahme einer konkreten Gefahrensituation rechtfertigen, sind als
wertvolle Präzisierungen beizubehalten.

Statt der ungenauen Formulierung „durch Bezeichnung eines möglichst genauen
Zeitraumes" soll im Übrigen wieder wie vor der letzten Novelle auf einen konkreten
Zeitpunkt abgestellt werden.

Zu Z 2. (§53 Abs 3b)

Standortdaten unterliegen dem Kommunikationsgeheimnis gem. § 93 Abs. 1 TKG als
Ausfluss des Fernmeldegeheimnisses nach Art 10a StGG. Eine Ermittlung von
Standortdaten wäre daher verfassungsrechtlich nur nach richterlicher Bewilligung
zulässig. Eine solche kann allerdings dann entfallen, wenn feststeht, dass der
Betroffene mit der Ermittlung seiner Standortdaten einverstanden ist, weil nur
dadurch schwerwiegende Gefahren für sein Leben oder seine Gesundheit abgewehrt
werden können. Als Beispiel kann hier der in Bergnot geratene Bergsteiger angeführt
werden. Unzulässig wäre demgegenüber eine Standortermittlung von Personen,
welche ihren Aufenthalt freiwillig geheim halten.

Um den Betroffenen im Nachhinein die Möglichkeit zu geben, sich gegen allfällige
Fehlinterpretationen etwa durch Maßnahmenbeschwerden zur Wehr zu setzen, sind
die Betroffenen binnen 48 Stunden nach ihrem Auffinden über die erfolgte Anfrage
und Beauskunftung in Kenntnis zu setzen.

Zur Standortermittlung gefährdeter Personen genügt technisch die
Auskunftserteilung durch die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsdienste. Die

Bekanntgabe der internationalen Mobilteilnehmerkennung (IMSI) wie derzeit
vorgesehen ist für dieses Ziel überschießend, da bei Kenntnis dieser IMSI unter
Einsatz sogenannter „IMSI-Catcher" nicht nur Standortdaten ermittelt, sondern auch
Inhaltsdaten abgehört werden können. Darüber hinaus veranlasst ein „IMSI-Catcher"
im Betrieb die Einbuchung der Endgeräte völlig unbeteiligter Personen, so dass
durch den Einsatz derartiger Geräte in die verfassungsrechtlich gewährleisteten
Rechte Dritter ohne Not eingegriffen würde.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere
Angelegenheiten vorgeschlagen.