877/A(E) XXIII. GP
Eingebracht am 10.07.2008
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
betreffend Sicherstellen dauerhafter Speicherung und Verfügbarkeit gesundheitlich relevanter Mobilfunk-Daten und entsprechender Daten anderer Funksysteme
Unumstritten urgieren ExpertInnen im Mobilfunkbereich die Notwendigkeit von epidemiologischen Studien.
Die Ende Jänner 2008 zu Mobilfunk erschienene Krebsstudie des Umweltmediziners der Salzburger Landessanitätsdirektion und Referenten für Umweltmedizin der Österreichischen Ärztekammer, Dr. Gerd Oberfeld, dokumentiert eine erhebliche Gesundheitsbelastung durch elektromagnetische Strahlung. Seine Arbeit im Auftrag des steiermärkischen Gesundheitsressorts bezieht sich auf den Zeitraum von 1984 bis 1997. Der Umweltmediziner stellte darin ein erhöhtes Krebsrisiko bei Anrainern einer C-Netz Mobilfunkanlage im Raum Vasoldsberg/Hausmannstätten fest.
(vgl. http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/ziel/21212/DE/)
Rund um das Wählamt Hausmannstätten wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Studie signifikante Häufungen, bis zum achtfachen für alle Krebsarten, festgestellt. Insbesondere handelte es sich um Brustkrebs und Hirntumoren.
Ein pensionierter Techniker der Post- und Telegraphenverwaltung Steiermark bestätigte, dass an diesem Standort Wählamt Hausmannstätten ein C-Netz-Sender betrieben wurde. Auch die Sendeleistung und die Kanalanzahl wurden vom Informanten exakt benannt. Andere mögliche Faktoren, die eine derart signifikante Häufung von Krebsfällen hervorgerufen haben könnten, konnten vom Studienautor nicht ausgemacht werden. Auch weitere durchgeführte Recherchen bei den Anrainern und Anwohnern haben eindeutig ergeben, dass in den fraglichen Jahren tatsächlich eine entsprechende Sendeanlage von den Anwohnern wahrgenommen wurde. Die Mobilfunkbetreiber behaupten demgegenüber, an diesem Standort hätte es nie eine C-Netz-Anlage und bis zum Jahr 1994 überhaupt keine Mobilfunk-Anwendung gegeben.
Um diese völlig konträren Aussagen und Positionen bzw. Forschungsvoraussetzungen zu klären, bedürfte es der Aufzeichnung und Archivierung relevanter Mobilfunkdaten durch die öffentliche Hand, z.B. der Fernmeldebehörde.
Im Zuge der Recherchen wurde Dr. Gerd Oberfeld jedoch seitens des BMVIT mitgeteilt, dass nach Informationen des Bundesministeriums Daten der Netze, die nicht mehr in Betrieb sind, gelöscht werden und daher für das BMVIT auch nicht verfügbar sind.
In einer Anfragebeantwortung (3883/AB) zu diesem Problemfeld weist der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie auf folgenden Umstand hin, der einer Datenarchivierung aus rein telekommunikationsrechtlicher Sicht teilweise widerspräche:
„Aus telekommunikationsrechtlicher Sicht ist es notwendig, über bestimmte Daten der in Betrieb befindliche Sendeanlage zu verfügen, um z.B. bei Störungen einschreiten zu können und um auch die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte kontrollieren zu können. Sobald die Sendeanlage aber außer Betrieb genommen wurde, besteht aus telekommunikationsrechtlicher Sicht – und nur die Vollziehung dieser Rechtsmaterie fällt in meinen Zuständigkeitsbereich - keine Notwendigkeit, die Daten dieser Anlage länger als gesetzlich vorgesehen evident zu halten. Es sind daher zum Teil auch aus Kapazitätsgründen und mangels technischer Relevanz zu Recht Daten aus dem Datenbestand vor Ablauf der Skartierungsfrist genommen worden.“
Da aber diese Daten nicht nur rein technische, sondern auch gesundheitliche Relevanz besitzen und letztere im Hinblick auf Spätfolgen nicht mit der Außerbetriebnahme von Anlagen endet, erschiene eine Archivierung dieser Datensätze zweckmäßig.
In der Beantwortung der erwähnten Parl. Anfrage verweist der Verkehrsminister in der Archivierungsfrage auf die alleinige Bedeutung im Hinblick auf das Telekommunikationsgesetz 2003 und stellt fest:
„Ich darf jedoch darauf hinweisen, dass eine allfällige Archivierung nur für jene Daten in Frage kommt, soweit dies auch für die Vollziehung des Telekommunikationsgesetzes 2003 unbedingt erforderlich ist, und auch nur in jener Form, wie sie derzeit bereits von den Fernmeldebehörden benötigt und verwendet werden. Eine darüber hinausgehende, für die Unternehmen und die Verwaltung aufwändige, teure und verpflichtende Datensammlung fällt nach der geltenden Rechtslage nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“
Im Telekommunikationsgesetz ist aber – gleichwertig und ohne Abstufung zu sonstigen Gesetzesinhalten - auch die Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der Gesundheit verankert. In vielerlei Zusammenhängen bis hin zu gerade seitens des BMVIT gerne zitierten Höchstgerichtsentscheidungen wurde wiederholt unter Bezugnahme auf diese Inhalte des TKG Zuständigkeiten anderer Behörden im Zusammenhang mit dem Gesundheitsaspekt von (Mobil)Funkanlagen zurückgewiesen und bekämpft.
Die entsprechende Bestimmung des TKG (§ 73 Abs 2 TKG 2003 idgF) lautet:
„Funkanlagen müssen nach § 73 Abs 1 TKG 2003 in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise den anerkannten Regeln der Technik und den nach den internationalen Vorschriften zu fordernden Voraussetzungen entsprechen, wobei der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen sowie der ungestörte Betrieb anderer Funkanlagen gewährleistet sein muss.“
Aus dieser Bestimmung lässt sich die Verpflichtung zur Archivierung gesundheitlich relevanter Daten ableiten, da andernfalls eine Überprüfung der Frage, ob diese Bestimmung des TKG eingehalten wurde, nicht möglich wäre. Das TKG enthält keinerlei Formulierung, die die Gewährleistung des Schutzes von Leben und Gesundheit auf die Gegenwart einschränken würde. Der „Schutz von Leben und Gesundheit“ hat ohne Einschränkungen Teil der Vollziehung zu sein, aus dem Gesetz kann weiters auch keine Einschränkung dieser Verpflichtung auf den sozusagen „gewohnheitsadministrativen“ Rahmen einer derzeitige Behördenpraxis entnommen werden, wie er in der Anfragebeantwortung 3883/AB ins Treffen geführt wird.
Es wäre zudem – im Gegensatz zu Aussagen in 3883/AB - auch keinerlei „aufwändige, teure“ Datensammlung erforderlich, da die entsprechenden Daten bei den Betreibern vorliegen und eigentlich – im Sinne einer umfassenden Vollziehbarkeit des TKG – schon bisher auch den Behörden vorliegen bzw. jederzeit zugänglich sein müssten; die Archivierung dieser Daten erfordert insbesondere laufend nur minimalen Aufwand.
Die Archivierung gesundheitlich relevanter Daten würde zugleich noch einer klar deklarierten Willensäußerung des österreichischen Gesetzgebers entsprechen, beschloss doch der Nationalrat bereits in Entschließungen die Forcierung von Forschung, um die gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk zu klären. Diese Forderung des Nationalrats wird aktiv torpediert, wenn die für diese Forschung nötigen Daten gelöscht werden, zum Teil sogar vorzeitig.
Der vorsorgende Gesundheitsschutz ist zudem in Österreich Verfassungsinhalt.
In vielen anderen Bereichen mit Relevanz für den Schutz des Lebens und der Gesundheit bestehen längst umfangreiche, öffentlich zugängliche Zusammenstellungen zur Datensicherung, verwiesen sei etwa auf das Wasserbuch nach dem Wasserrecht oder auf den Bereich Altlasten.
Eine sachlich nicht rechtfertigbare Widersprüchlichkeit besteht schließlich darin, dass derzeit aus Sicherheitsgründen – Kampf gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität u.dgl. – eine massive Überwachung und Speicherung von Telekom-Daten erfolgt, die den persönlichen Bereich der ÖsterreicherInnen betreffen. Wenn es um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zB im Zusammenhang mit Mobilfunkanlagen geht, werden hingegen Daten, deren Speicherung keinerlei grundrechtliches Konfliktpotenzial hat und sogar im Interesse der Einzelnen in Übereinstimmung mit grundgesetzlichen und einfachgesetzlichen Aufgaben des Staates wäre, bisher nicht behördlich archiviert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Hinblick auf den gesetzlich verpflichtenden Gesundheitsschutz der Bevölkerung bei Mobilfunk- und anderen Funk- und Telekommunikations-Anlagen und die Sicherstellung erforderlicher Rahmenbedingungen für die dazu nötige epidemiologische Forschung dafür Sorge zu tragen, dass soweit wie möglich rückwirkend, jedenfalls aber ab sofort und in Hinkunft gesichertes Datenmaterial für epidemiologische Untersuchungen durch die öffentliche Hand sichergestellt wird.
Dazu ist ein Maßnahmenpaket umgehend umzusetzen, das folgende Aspekte umfasst:
a) Auskunftspflicht der Fernmeldebehörden bei Anfragen von Gebietskörperschaften im Hinblick auf technische Daten bei Sendeanlagen aller Art;
b) Aufbewahrungspflicht von technischen Daten zu Sendeanlagen aller Art auf zumindest 60 Jahre;
c) Öffnung der Datenbank zu Sendeanlagen aller Art für Gebietskörperschaften;
d) Aufbau der Datenbank zu Sendeanlagen so detailliert, dass der historische Verlauf der Emissionen lückenlos nachvollzogen werden kann;
e) Detailgrad der Datenbank zur Berechnung der Immissionen im folgenden Mindestumfang:
* System zB Pager, A-Netz, B-Netz, C-Netz, D-Netz, GSM 900, GSM 1800, UMTS FDD, WIMAX, TETRA, RADAR, Radio-analog, DAB-T, DRM, TV-analog, DVB-T, DVB-H
* Weitere Systemparameter zB HSPDA oder EDGE-Fähigkeit
* Antennentype (Nr.)
* elektrischer Downtilt
* mechanischer Downtilt
* Antennenhöhe über Grund
* Antenneneingangsleistung
* Koordinaten der Antenne (auch im Datenformat des Bundesmeldenetzes)
* Azimuth (horizontale Senderichtung)
* Anzahl der Kanäle
* bei RADAR Umlaufzeiten.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.