878/A(E) XXIII. GP

Eingebracht am 10.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Spindelberger, Mag. Johann Maier

und Kolleginnen und Kollegen

betreffend Finanzierung der anerkannten österreichischen Schuldnerberatungen

Die Verschuldung von Privathaushalten und Privatpersonen sowie die Zahl der
Privatkonkursverfahren ist in den letzten Jahren dramatisch angestiegen. Dies drückt sich
beispielsweise in der enorm hohen Zahl von „Exekutionsanträgen" aus (2006: österreichweit
762.105(!) Lohnpfändungsanträge und 943.249(!) Gerichtsvollziehungsanträge). Der
Kreditschutzverband meldete in einer Hochrechnung für das erste Halbjahr 2008 einen
Anstieg um 17,9 Prozent bei Privatkonkursverfahren.

Die wichtigsten Ursachen dafür sind die seit längerer Zeit stagnierenden Löhne,
Arbeitslosigkeit, nicht existenzsichernde Einkommen, Inflation, steigende Fixkosten (Mieten,
Energie, Grundnahrungsmittel etc.) Bürgschaftsübernahmen und steigende Verbindlichkeiten.
Verschärft wird diese Situation durch private Schicksalsfälle (z.B. Arbeitslosigkeit,
Scheidungen). Das Wachstum liegt bei den Verbindlichkeiten laut Nationalbank jährlich im
zweistelligen Prozentbereich!

Absolut größte Gläubigergruppe sind die Banken. Sie machen etwa 65 bis 70 Prozent der
Schuldenssumme bei überschuldeten privaten Haushalten bzw. Einzelpersonen aus. Einstieg
in die „Überschuldungskarriere" sind in der Regel Kontoüberziehungen, die durch
schwankende und geringe Einkommen real nicht korrigiert werden können. Dieses
strukturelle Problem wird durch Umschuldungen, neue Überziehungen, wieder
Umschuldungen etc. über Jahre verschleiert. Am Ende gibt es Durchschnittsverschuldungen
von 40.000,- Euro bei einem monatlichen Einkommen zwischen 700,- und 1.200,- Euro und
keinerlei Vermögen.


Die Banken tragen - als Gläubiger - derzeit zur Lösung jener Probleme, die sie
mitverursachen, kaum bei. Das liegt vor allem daran, dass das österreichische Rechtssystem
keinen Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsunwilligkeit macht. Für beide Gruppen gilt die „Exekutionsordnung", die in erster Linie das Prinzip der
„Schadensgutmachung für Gläubiger" verfolgt.

Eine Schuldenregulierung, wie sie seit 1995 durch die Einführung des Privatkonkurses
möglich wurde, erfordert einiges an Know-how. Anerkannte Schuldnerberatungen können

dieses Wissen als einzige Einrichtung in Österreich kostenlos anbieten und werden
dementsprechend „gestürmt". Eine permanente Ressourcenknappheit ist seit Jahren die Folge.
Die Gegenüberstellung der Exekutionszahlen zu den jährlichen Privatkonkursen (zirka 7.500
österreichweit) zeigt, dass nur ein Bruchteil Überschuldeter von den anerkannten
Schuldnerberatungen beraten und betreut werden kann.

Da die private Verschuldung zu einem gesamtgesellschaftlichen sozialen Risiko geworden ist
und der Bundesgesetzgeber den staatlich anerkannten Schuldnerberatungen im
Konkursverfahren eine Vertretungsrolle zuweist, bedarf es zur Erfüllung dieser Aufgaben
auch einer bundesgesetzlich geregelten Finanzierung, damit diese Leistungen flächendeckend
angeboten werden können. Eine mögliche Finanzierungsquelle könnte in einer 0,1 %
Erhöhung der Kreditgebühr oder in der Einführung eines Tarifes pro Vertretungsfall im
Privatkonkursverfahren für die Einrichtung bestehen.

Seit den Anfangstagen der Schuldnerberatungen wurde auch immer wieder versucht, die
Hauptgläubigergruppe, also die Banken, zu einer Mitfinanzierung zu bewegen (in den USA
ist das durchaus üblich!) - bis heute erfolglos.

Eine künftige verpflichtende Mitfinanzierung von anerkannten Schuldnerberatungen durch
die Banken ist daher absolut naheliegend und sinnvoll. Denkmöglich wäre auch eine
Koppelung am Ausmaß des Kreditgeschäftes (z.B. über einen Teil der anfallenden
Kreditsteuer). Da Bankinstitute „notleidende" Kredite auch für Abschreibungen zum Zweck
der Steuerschonung verwenden (aber weiter vehement eintreiben bzw. die Forderungen
abtreten), könnten beispielsweise die dabei lukrierten Beträge zu einem Teil als Co-Finanzierung von Schuldnerberatungen verwendet werden.

Die im Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP angekündigten Aktivitäten zur
Erleichterung des Privatkonkursverfahrens sind grundsätzlich zu begrüßen, sie stehen außer
Streit! Trotzdem ist aber weiterhin mit einer explosionsartigen Steigerung der
sanierungswilligen verschuldeten Personen zu rechnen. Damit ist zu befürchten, dass die
anerkannten Schuldnerberatungen diesen Mehraufwand mit den zur Verfügung stehenden
Mitteln nicht bewältigen werden können. Um den steigenden Beratungsbedarf abzudecken
und auch präventiv tätig werden zu können, fehlt es jedoch zunehmend an den notwendigen
Ressourcen, da die Schuldnerberatungen aus den Sozialhilfsbudgets der Länder nicht
ausreichend finanziell abgesichert werden können. Eine bundesgesetzliche Regelung der
Finanzierung der anerkannten Schuldnerberatungen ist deshalb notwendig.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, dem Nationalrat einen
Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem eine bundesgesetzliche Mitfinanzierung von staatlich
anerkannten Schuldnerberatungseinrichtungen sichergestellt wird und in dem auch die
Mitfinanzierung der Schuldnerberatungen durch Banken ermöglicht wird."

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Konsumentenschutz