1007/AB XXIII. GP
Eingelangt am 14.08.2007
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-12.000/0010-I/PR3/2007 DVR:0000175
An die
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 W i e n
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1006/J-NR/2007 betreffend Speicherung von Telefon/Handy-, SMS- und E-Mail-Daten, die die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 19. Juni 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Fragen 1 bis 4:
Warum wurde seitens der Bundesregierung bis jetzt nicht beim Europäischen Gerichtshof gegen die EU-RL über die Vorratsdatenspeicherung wegen Kompetenzüberschreitung geklagt, wie es seitens einzelner anderer Mitgliedsstaaten bereits erfolgte?
Warum wird nicht zumindest der Ausgang der in dieser Sache bereits laufenden Klagen abgewartet?
Haben Sie oder Ihre RegierungskollegInnen in dieser Sache bereits anderweitige Aktivitäten auf EU-Ebene gesetzt, um zB eine Änderung der Richtlinie zu erreichen (nachdem Sie diese kürzlich in einer parl. Anfragebeantwortung als „nicht vollkommen unberechtigt“ ansehen, somit aber wohl als weitgehend unberechtigt)? Wenn nein, warum nicht?
Werden Sie oder Ihre RegierungskollegInnen in dieser Sache anderweitige Aktivitäten auf EU-Ebene setzen, um zB eine Änderung der Richtlinie zu erreichen? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Eine Entscheidung über eine Klage oder nachfolgende einschlägige Initiativen auf EU-Ebene hätte das Bundesministerium für Justiz zu treffen, welches auch die Richtlinie im EU-Ministerrat inhaltlich zu vertreten gehabt hat. Unabhängig davon besteht die völkerrechtliche Verpflichtung der Republik, die Maßnahme fristgerecht in nationales Recht umzusetzen, da eine Klage beim Europäischen Gerichtshof keine aufschiebende Wirkung hat. Weitere Aktivitäten setzen eine klare nationale Meinungsbildung und die sich daraus ergebenden Schlüsse über die materielle Ausprägung der Umsetzung voraus, die für mich aufgrund der laufenden Evaluierung der Stellungnahmen noch nicht abgeschlossen ist.
Fragen 5 und 6:
In welcher Form, durch welche Ausnutzung nationaler Spielräume werden Sie bei einer etwaigen Umsetzung der EU-RL in der vorliegenden Form den Datenschutz gewährleisten?
In welcher Form, durch welche Ausnutzung nationaler Spielräume werden Sie bei einer etwaigen Umsetzung der EU-RL in der vorliegenden Form den Schutz der Grundrechte gewährleisten?
Antwort:
Durch eine Beschränkung auf die kürzest mögliche Speicherdauer von 6 Monaten, eine besonders restriktive Ausgestaltung der Zugriffstatbestände und eine sehr genaue Protokollierungspflicht für alle Zugriffe wird ein hoher Schutzstandard erreicht werden.
Frage 7:
Zu welchem Ergebnis sind Sie bei der nochmaligen Evaluierung der Frage der Speicherung von Daten erfolgloser Anrufsversuche?
Antwort:
Da die Auswertung der umfangreichen Stellungnahmen zum Entwurf noch nicht abgeschlossen ist,
kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Auskunft geben.
Fragen 8 und 9:
In welcher Höhe werden sich die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung bewegen?
Wer soll die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung konkret auf welchem Weg tragen, insbesondere a) soll die Überwachungskostenverordnung unverändert bleiben, b) sollen die Investitionskosten von jemand anderem als vom Staat bezahlt werden?
Antwort:
In welcher Höhe sich die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung bewegen werden, kann ich derzeit noch nicht endgültig abschätzen, da die letztgültige Ausprägung noch nicht endgültig festgelegt wurde. Die Kostentragungsregeln werden vor dem Hintergrund der Judikatur des VfGH geschaffen werden, wonach eine vollständige Überwälzung der Kosten auf Betreiber nicht zulässig ist.
Fragen 10 und 11:
Wie wollen Sie im einzelnen die zahlreichen Umgehungsmöglichkeiten (wie etwa Telefonzellen, Internet-Cafes, die Nutzung von Anonymisierungsdiensten, die Wahl von Diensteanbietern außerhalb der EU, die Nutzung von nichtgewerblichen Dienstleistern, …siehe auch die Anfragebegründung) unterbinden?
Falls Sie diese Umgehungsmöglichkeiten nicht unterbinden wollen (oder können) – warum wollen Sie dennoch eine in vielerlei Hinsicht problematische Vorratsdatenspeicherung per Gesetz einführen, obwohl diese in vielerlei Hinsicht umgehbar und damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weitgehend wirkungslos sein wird?
Antwort:
Der vorliegende Entwurf sieht kein Verbot von alternativen Diensten oder Kommunikationswegen vor. Auch allfällige Umgehungsmöglichkeiten einer Regelung, die es in allen Rechtsgebieten geben kann und die nicht immer vollständig verhindert werden können, entbinden nicht von der Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie an sich, sodass es zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung keine europarechtlich zulässige Alternative gibt.
Frage 12:
Inwieweit werden Tochterunternehmen österreichischer Unternehmen, die von außerhalb der EU aus operieren – zB Liechtenstein – von der von Ihnen geplanten Form der Richtlinienumsetzung erfasst werden?
Antwort:
Soweit ein im Ausland ansässiger Betreiber nicht der österreichischen Rechtsordnung unterliegt, wird dieser auch nicht von der österreichischen Richtlinienumsetzung erfasst sein. Inwieweit dies bei einem konkreten Betreiber der Fall ist, kann nur im jeweiligen Einzelfall und jedenfalls nicht an Hand Ihres allgemeinen Beispiels in der Anfrage beurteilt werden.
Frage 13:
Welchen Zeitplan sehen Sie für die Überarbeitung des Begutachtungsentwurfs und das eventuelle weitere Prozedere vor?
Antwort:
Die Evaluierung der im Begutachtungsverfahren eingelangten Stellungnahmen muss sehr sorgfältig erfolgen und ist – wie bereits erwähnt – noch nicht abgeschlossen. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung, einen entsprechenden Konsens vorausgesetzt, dem Nationalrat im Herbst einen Gesetzesvorschlag zuleiten könnte.
Frage 14:
Wann werden Sie die Ihrer Aussage zufolge ebenfalls bereits in Vorbereitung befindliche Richtlinienumsetzung im Internet-Bereich in die Begutachtung schicken?
Antwort:
Im Hinblick darauf, dass die Regelungen für den Internet-Bereich erst im März 2009 in Kraft treten müssen, liegt das Augenmerk an der umsichtigen und nicht überstürzten Umsetzung dieser Regelungen. Einen genauen Zeitpunkt für das Begutachtungsverfahren kann ich daher noch nicht nennen.
Frage 15:
Ist Ihnen bekannt, dass seitens Ihres Hauses bzw. infolge der Beteiligung Ihres Hauses in den letzten Jahren wiederholt EU-Richtlinien grob verspätet umgesetzt wurden, so etwa im Eisenbahnbereich oder auch bei der Einführung der SUP („Strategischen Prüfung Verkehr“), und wird dieser offensichtlich gegebene Spielraum auch bei dieser politisch und gesellschaftlich viel kontroversielleren EU-Umsetzung erneut genutzt werden, wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Das bmvit ist stets bemüht, EU-Richtlinien ehest möglich in nationales Recht umzusetzen. Dabei wird Wert auf die Beteiligung und die Meinung aller relevanten Stellen (Fachexperten, Organisationen und Interessensvertretungen) in Österreich gelegt. Durch einen umfassenden Diskussionsprozess soll ein sachlich fundiertes und von allen fachkundigen Experten getragenes Ergebnis erzielt werden; dabei ist der Qualität der Lösung gegenüber der Zeiterfordernis jedenfalls der Vorrang zu geben.
Frage 16:
Was haben Sie konkret gegenüber der EU-Kommission, zB bei Ihrem jüngsten Treffen im Rahmen des Verkehrsministerrates, im Hinblick auf eine spätere Umsetzung a) unternommen, b) erreicht?
Antwort:
Für mich war die nationale Auseinandersetzung mit dieser Frage vor der Hintergrund des Prozesses der Begutachtung und der damit verbundenen Evaluierung der Stellungnahmen noch nicht abgeschlossen. Deshalb war es für mich noch nicht möglich, daraus einen klaren Arbeitsauftrag abzuleiten, der über einen Informationsaustausch mit Kollegen hinausgehen würde. Ich habe mein Ressort im Vorfeld beauftragt die Vorgehensweise unserer Nachbarländer abzufragen und werde diese Analyse in die weitere Vorgehensweise einfließen lassen.
Frage 17:
Welche Schritte haben Sie gegenüber dem Bundesminister für Inneres gesetzt, der im Gegensatz zu Ihnen (als zuständigem Minister) und zu einer in der Begutachtung des Entwurfs manifest gewordenen großen Gruppe an Betroffenen vehement für eine Übererfüllung der EU-Richtlinie, also für noch weitergehende Vorratsdatenspeicherung mit noch weitreichenderen datenschutzrechtlichen und Freiheits-Eingriffen, eintritt?
Antwort:
Ich werde auf Basis der evaluierten Stellungnahmen weitere Gespräche mit betroffenen Ressorts aufnehmen, um eine entsprechende Abklärung offener Fragen zu erreichen.
Frage 18:
Warum haben Sie einen Entwurf für eine TKG-Novelle zur Vorratsdatenspeicherung in Begutachtung geschickt, von dem Sie sich hernach über den Weg der Medien distanziert haben?
Antwort:
Die Versendung zur Begutachtung ist ein wesentlicher Schritt zur Vorbereitung eines nach EU-Recht zwingend erforderlichen Rechtssetzungsvorhabens. Nur durch eine allgemeine Begutachtung kann eine umfassende Meinungsbildung erfolgen. Die Begutachtung bedeutet demgemäß nicht, dass das Vorhaben notwendigerweise in dieser Form auch umgesetzt wird. Dies kann erst nach Auswertung aller eingelangten Stellungnahmen seriös beurteilt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Faymann