1122/AB XXIII. GP
Eingelangt am 23.08.2007
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BM für Wissenschaft und Forschung
Anfragebeantwortung
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GZ: BMWF-10.000/0143-C/FV/2007 |
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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag. Barbara Prammer Parlament 1017 Wien
Wien, 19. August 2007
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Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1203/J-NR/2007 betreffend dramatische Steigerung der Anzahl von Versuchstieren, die die Abgeordneten Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, Kolleginnen und Kollegen am 6. Juli 2007 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die in der Einleitung der Anfrage enthaltenen Aus-führungen, die sich auf eine Pressemeldung des Internationalen Bundes der Tierversuchsgegner (IBT) berufen, teilweise unrichtig oder irreführend sind.
So wird einleitend behauptet, dass „190.121 lebende Wirbeltiere aufgrund von Experimenten und Tests ihr Leben lassen mussten“: Richtig ist vielmehr, dass diese Zahl zwar die im Jahre 2006 in Tierversuchen verwendeten Tiere wiedergibt, keinesfalls ist aber zutreffend, dass alle Tiere dabei auch ihr Leben lassen mussten. Dies gilt insbesondere für Tierversuche mit landwirtschaftlichen Großtieren, wie Rinder und Pferde, sowie für Haustiere wie Hunde und Katzen.
Als ein konkretes Beispiel wird angeführt, dass „im Jahre 2006 insgesamt 7.732 Fische zu Testzwecken eingesetzt worden sind, obwohl es hierfür alternative Teststrategien gibt, die in Deutschland seit Jahren eingesetzt werden“: Für diese generelle Behauptung gibt es überhaupt keine sachliche Begründung, da diese Tierversuche einerseits eben deshalb genehmigt wurden, weil es hierfür keine alternative Test- oder Ersatzmethode gibt, und andererseits, weil das Vorhandensein einer Alternativ- oder Ersatzmethode nur in jedem einzelnen Tierversuch beurteilt werden kann. Von den genannten Fischen wurden – wie ein Blick in die Tierversuchsstatistik 2006, Tabelle 2 bestätigt – nur 501 Fische für Unbedenklichkeitsprüfungen, für die keine Ersatzmethoden verfügbar sind, verwendet.
Weiters wird behauptet, dass „die veröffentlichte amtliche Tierversuchsstatistik nicht die Anzahl der Tiere, die für die umstrittenen Experimente eigens vorher getötet worden sind, enthält“ und, dass „auch noch die Zahlen der überschüssigen Tiere und Versuche an Wirbellosen, Embryonen und Föten fehlen würden“: Hiezu ist festzuhalten, dass Experimente mit nicht lebendem Material, wie Gewebe oder Organe von toten Tieren (so auch z.B. mit Geweben und Organen, die im Zuge der Tierschlachtungen als „Nebenprodukt“ anfallen), schon ex definitione keinen Tierversuch darstellen können, weil sie keinem (lebenden) Tier Schmerzen, Leiden, Angst oder sonst dauerhafte Schäden zu verursachen vermögen und als In-Vitro-Material international auch als Ersatz- und Alternativmethode anerkannt werden. So genannte „überschüssige Tiere“ (d.h. in Tierversuchseinrichtungen oder Zuchteinrichtungen gezüchtete Tiere, die jedoch in keinem Tierversuch Verwendung finden) sind allein schon deshalb in keine Tierversuchsstatistik aufzunehmen, weil solche Tiere ja tatsächlich keinem Tierversuch unterzogen wurden. Da nur Wirbeltiere, infolge ihres höher entwickelten Nervensystems, die mit Tierversuchen nicht auszuschließenden Wirkungen (wie Angst, Schmerzen, Leiden) erfahren können, sind Experimente mit wirbellosen Tieren nach internationaler Definition keine Tierversuche.
Zu Frage 1:
Was die Frage nach einen „Verstoß gegen den § 1 und § 3 des Tierversuchsgesetzes“ betrifft, so ist festzustellen: § 1 Tierversuchsgesetz (TVG) enthält den „(Regelungs-)Gegenstand“ des Bundesgesetzes, nämlich „die Regelung von Versuchen an lebenden Tieren in den Zuständigkeitsbereichen des Bundes gemäß den Zuständigkeitsbestimmungen der Bundes-verfassung“, und als Zielbestimmung (bzw. als Begründung des Tierversuchsgesetzes insgesamt) die Zahl der Tierversuche zu reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern. Es ist dies eine im Einzelnen nicht quantifizierbare Zielbestimmung, der aber allein schon aus der eingeschränkten Zulässigkeit für die Genehmigung von Tierversuchen gemäß § 3 TVG entsprochen wird.
Zu Fragen 2 und 3:
Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung wie auch alle für die Vollziehung des TVG zuständigen Behörden, ist in Vollziehung des TVG in vielfacher Weise um die Reduktion von Tierversuchen bemüht, und zwar sowohl im Rahmen der Entscheidungen über Tierversuchs-anträge, durch gezielte Informationen über Alternativ- und Ersatzmethoden zum Tierversuch, sowie der allgemeinen Aufforderung an alle Wissenschafter/innen, Forscher/innen, und potentielle Leiter/innen von Tierversuchen etc. wo immer möglich Alternativ-, Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Einsatz zu bringen. Darüber hinaus sind alle für die Vollziehung des TVG zuständigen Bundesministerien und insbesondere das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene bemüht, die Anerkennung von Ersatz- und Alternativmethoden zum Tierversuch sowie durch entsprechende legistische bzw. internationale Voraussetzungen (wie z.B. OECD-Test-Guidelines, u.a.) die Umsetzung der allgemein anerkannten „Drei R" (Reduction, Refinement, Replacement) herbeizuführen.
Zuletzt im Zusammenhang mit der Publikation der Tierversuchsstatistik 2006 habe und werde ich auch immer wieder alle Wissenschafter/innen und Forscher/innen einladen und auffordern, um die Anwendung von Ersatz- und Alternativmethoden zum Tierversuch bemüht zu sein. Weiters erfolgt – auch im Sinne des § 17 TVG – im Einvernehmen mit allen für die Vollziehung des TVG zuständigen Bundesministerien wiederholt und erneut die Ausschreibung für Ersatz- und Alternativmethoden zum Tierversuch: Nämlich Vorschläge und Anbote für Auftragsarbeiten und Forschungsprojekte einzureichen, wobei es sich hierbei im Einklang mit § 17 TVG um Projekte handeln soll, die wissenschaftlich aussagefähige Ersatzmethoden entwickeln und/oder validieren, die eine Verringerung der Anzahl oder der Belastung der Versuchstiere ermöglichen oder Tierversuche überhaupt entbehrlich machen.
Was die Frage nach einem „Ausmaß der Reduktion von Tierversuchen" betrifft, so muss jedenfalls festgestellt werden, dass diese – auch bei nachhaltigsten Bemühungen um Alternativ- und Ersatzmethoden – einerseits vom Stand der Wissenschaften sowie der internationalen Anerkennung abhängig sind, andererseits aber auch in einem engen Verhältnis zum Ausmaß der Forschungen im Bereich Life-Sciences sowie biomedizinischer und pharmazeutischer Forschung und Entwicklung für Mensch und Tier stehen. Eine Quantifizierung, welcher Art auch immer, wäre im höchsten Maße unseriös und unsachlich. Grundsätzlich kann – was allgemein gewünscht ist und worüber es Konsens gibt – bei erheblicher Ausweitung von Forschung und Entwicklung, sowie zur Sicherung von Gesundheit und Umwelt, auch gegebenenfalls eine unumgänglich notwendige Erhöhung von in Österreich sehr niedrigen Tierversuchszahlen nicht ausgeschlossen werden.
Zum aussagekräftigen Nachweis sei etwa nur angeführt, dass z.B. im Vergleich zu Österreich (mit einer Gesamtzahl an Versuchstieren von 190.121 im Jahre 2006) die Schweiz zuletzt (für das Jahr 2005) eine Gesamtzahl von über 550.000 Versuchstieren aufweist.
Zu Frage 4:
Auf der Grundlage der Meldungen aller hiezu gesetzlich verpflichteten Tierversuchseinrichtungen enthält die veröffentlichte Tierversuchsstatistik des Jahres 2006 (wie auch alle vorhergehenden jährlichen Statistiken) völlig im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen des Tier-versuchsgesetzes alle in Tierversuchen (siehe § 2 TVG) verwendeten Versuchstiere.
Zu Frage 5:
Ja, nach Maßgabe des Standes der Wissenschaften bzw. im Einklang mit dem Tierversuchs-gesetz. Im Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Wisseschaft und Forschung wird auch weiterhin eine Reduktion der Anzahl oder der Belastung der Versuchstiere oder ein Ersatz der Tierversuche überhaupt angestrebt.
Der Bundesminister:
Dr. Johannes Hahn e.h.