1176/AB XXIII. GP

Eingelangt am 31.08.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Frauen, Medien und öffentlichen Dienst

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Rinner, Kolleginnen und Kollegen haben am 4. Juli 2007 unter der Nr. 1161/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Armut, Armutsgefährdung und Armutsbekämpfung in Österreich (EU-SILC 2005) gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Ø      Sind Ihnen die Ergebnisse der EU-SILC 2005 bekannt und wie beurteilen Sie die­se?

Ø      Wie beurteilen Sie den Umstand, dass es seit der ersten Erhebung zur EU-SILC im Jahr 2003 nicht gelungen ist, den Anteil der Armutsgefährdeten signifikant zu senken? (Laut Statistik Austria sind geringfügige Veränderungen auf statistische Zufallsschwankungen zurückzuführen.)

Die Ergebnisse der EU-SILC 2005 sind mir bekannt. Speziell aus Frauensicht lassen sich daraus klare Handlungsaufträge für die Politik ableiten.

Im Schnitt sind 12,2 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen armutsgefähr­det. Männer liegen mit 11 Prozent unter diesem Wert, Frauen mit 13 darüber. Noch deutlicher ist der Unterschied zwischen Singlefrauen (inkl. Pensionistinnen) mit einer Armutsgefährdung von 23 Prozent und Singlemännern mit einer Armutsgefährdung von 14 Prozent.


Auch die Einkommensverteilung nach unterschiedlichen Haushaltstypen zeigen ein

klares Bild:

Im untersten Einkommensviertel finden sich:

         47 Prozent der Singlefrauen mit Pension

         45 Prozent der Alleinerzieherinnen

         43 Prozent der Haushalte mit drei oder mehr Kindern

         32 Prozent der Singlefrauen ohne Pension

Im obersten Einkommensviertel finden sich:

         41 Prozent der Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder

         32 Prozent der Singlemänner mit Pension

         31 Prozent der Singlemänner ohne Pension

Die größere Armutsgefährdung von Frauen hat seine Gründe in den Lebensbedin­gungen, die sich für Frauen in vielen Bereichen immer noch schwieriger gestalten als für Männer. Aus dem Armutsbericht lassen sich fünf typische weibliche Armutsrisi­ken" ableiten. Diese sind: weibliche Erwerbsverläufe, Erwerbslosigkeit, prekäre Be­schäftigung und schlechte Entlohnung, das Leben als Alleinerzieherin und ein Leben mit mehr als 2 Kindern.

Die Erwerbsverläufe von Frauen sind oft gekennzeichnet durch Berufsunterbrechun­gen zur Kindererziehung und schlechtere Entlohnung. Das alles sind Umstände, die einen lebenslangen Einkommensnachteil mit sich bringen, der sich auch in der Pen­sion niederschlägt.

Allein lebende Pensionistinnen haben mit 25 Prozent ein sehr hohes Risiko, in Armut zu geraten. Sie haben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung etwa 21 Prozent weniger Einkommen zur Verfügung. Beinahe die Hälfte aller allein lebenden Frauen in Pensi­on befinden sich im untersten Einkommensviertel (Einkommen bis 13.598,-- Euro pro Jahr).

Während die Armutsgefährdung von Erwerbstätigen bei nur sieben Prozent liegt, tra­gen Hausfrauen bzw. Hausmänner ein 21prozentiges Armutsrisiko.


Auch in Partnerschaften zeigt sich: Wenn die Frau erwerbstätig ist, reduziert sich das Armutsrisiko um die Hälfte gegenüber jenen Haushalten, in denen eine Frau im Er­werbsalter keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

Erwerbstätigkeiten mit weniger als 12 Wochenstunden sind für knapp ein Fünftel (19 Prozent) der Betroffenen mit Armutsrisiko verbunden. In prekärer Beschäftigung be­finden sich vor allem Frauen zwischen 20 und 39 Jahren.

Die Armutsgefährdungsquote, die von allen Erwerbstätigen bei 7 Prozent liegt, er­höht sich bei Personen, die trotz Vollerwerbstätigkeit weniger als 1.000 Euro brutto verdienen auf mehr als das Doppelte (16 Prozent)

Alleinerziehende sind mit einer Quote von 27 Prozent eine der Gruppen mit dem höchsten Risiko, in Armut zu geraten. Knapp die Hälfte der Haushalte von Alleiner­ziehenden können keine Ausgaben über die laufenden Kosten hinaus finanzieren. Ein-Eltern-Haushalte liegen um 20 Prozent unter dem durchschnittlichen Haus­haltseinkommen.

Ein Mehrpersonenhaushalt ohne Kinder verfügt durchschnittlich über 20 Prozent - mehr als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.

Ein Mehrpersonenhaushalt mit einem Kind liegt um sechs Prozent über dem Durch­schnitt.

Ein Mehrpersonenhaushalt mit zwei Kindern liegt bereits acht Prozent unter dem Durchschnitt.

Mit drei Kindern liegt der Einkommensverlust schon bei 17 Prozent, anders ausge­drückt erreichen diese Haushalte nur 83 Prozent des durchschnittlichen Lebensstan­dards.

Um die weiblichen Armutsrisiken zu minimieren müssen daher die Erwerbschancen und Einkommen von Frauen erhöht werden, die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Frauen Berufsunterbrechungen kurz halten können und die Armutssi­cherung ausgebaut werden.

Als erster Schritt der neuen Regierung wurden mit der Mindestpension allein 150.000 Frauen über die Armutsgrenze gehoben.


Ein großer Fortschritt sind auch die im Koalitionsabkommen vereinbarten und nun durch die Sozialpartner fixierten Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte. In Österreich arbeiten 720.000 Personen Teilzeit, vor allem im Handel und Tourismus. 621.000 davon sind Frauen! Profitieren werden rund 200.000 Teilzeitbeschäftigte, die regelmäßig mehr arbeiten, als sie ursprünglich vereinbart haben.

Die Umsetzung des Mindestlohns, die wir in die Verantwortung der Sozialpartner ge­legt haben, wird sich ebenfalls positiv für viele Frauen in Österreich auswirken. Schätzungsweise 60.000 Beschäftigte werden vom Mindestlohn profitieren, davon sind weit mehr als die Hälfte Frauen, die als Kosmetikerinnen, Ordinationshilfen, Blumenbinderinnen arbeiten, oder in den Wäschereien oder im Bekleidungsgewerbe tätig sind.

Der nächste Schritt, der die Armutsrisiken Erwerbslosigkeit und unregelmäßige Er­werbsverläufe bekämpfen soll, setzt bei der Kinderbetreuung an. Mit dem flexiblen Kindergeld haben Mütter erstmals die Möglichkeit, ein Kindergeld, das über der Ar­mutsgrenze liegt, zu beziehen. Mit 800 Euro wird es deutlich leichter sein, die laufen­den Lebenshaltungskosten zu finanzieren, als mit 436 Euro.

Ganz entscheidend für Erwerbstätigkeit der Frauen sind gute Kinderbetreuungsplät­ze mit erwerbsfreundlichen Öffnungszeiten. Kinderbetreuung ermöglicht eine Er­werbstätigkeit der Eltern und schafft somit eine Basis für ein Leben ohne Armutsrisi­ko. Die Anstoßfinanzierung des Bundes, die im Juli dieses Jahres beschlossen wur­de, bietet einen Anreiz und eine Unterstützung für die Bundesländer, in diesem Be­reich ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Für Mehrkindfamilien ist eine Anhebung des Zuschlags zur Familienbeihilfe für das dritte und jedes weitere Kind geplant.

Diese Maßnahmen werden viele Frauen aus der Armut holen, die Armutsgefährdung vieler Frauen verringern und die Lebenssituation vieler Frauen verbessern.


Vor allem das Fehlen derartiger Maßnahmen zwischen 2003 und 2006 hat bewirkt, dass die Armutsgefährdung in dieser Zeitspanne unverändert auf hohem Niveau blieb.

Zu den Fragen 3 und 4:

Ø      Welche Maßnahmen haben Sie seitens Ihres Ressorts seit Ihrem Amtsantritt im Jahr 2007 gesetzt, um die Zahl der armutsgefährdeten und manifest armen Per­sonen in Österreich zu senken?

Ø      Welche Maßnahmen werden Sie seitens Ihres Ressorts setzen, um die Zahl der armutsgefährdeten und manifest armen Personen in Österreich zu senken und in welchem Zeitraum sind diese geplant?

Die Armutsbekämpfung ist ein zentrales Ziel der Bundesregierung. Ein umfassendes Paket an Maßnahmen soll eine massive Reduzierung der Zahl der armutsgefährde­ten Personen in Österreich bewirken.

Die österreichische Bundesregierung hat sich für die neue Legislaturperiode zur wir­kungsvollen Armutsbekämpfung daher die Einführung einer bedarfsorientierten Min­destsicherung im Rahmen der Pensionsversicherung, der Sozialhilfe und der Arbeits­losenversicherung vorgenommen. Begleitet wird dies durch einen von den Sozial­partnern zu vereinbarenden Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer.

Die Umsetzung wird in mehreren Schritten erfolgen, wobei der erste davon durch die Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes auf 726,-- brutto (14x pro Jahr) für Alleinstehende und 1.091, 14 für Ehepaare in der Rentenversicherung für das Jahr 2007 bereits gesetzt wurde. Im Juli diesen Jahres bezogen insgesamt 239.657 Pen­sionistlnnen diese angehobene Ausgleichzulage und wurden durch diese Maßnahme der Bundesregierung über die Armutsschwelle gehoben.

Im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern soll im Weiteren eine Vereinheitlichung und Pauschalierung der Sozialhilfe der Bundesländer erfolgen, in­dem sich die Höhe der Mindestsicherung am Ausgleichszulagenrichtsatz von 726,- brutto orientiert. Details darüber werden derzeit zwischen Bund und Ländern verhan­delt.


Die Betreuung der arbeitsfähigen Sozialhilfebezieherinnen und Sozialhilfebezieher zur Reintegration in den Arbeitsmarkt soll durch das Arbeitsmarktservice mit dem Ziel der Erreichung eines One-Stop-Shops im Hinblick auf die Betreuung und Auszahlung der Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung erfolgen.

Gleichzeitig soll der Ausbau mindestsichernder Elemente in der Arbeitslosenversi­cherung erfolgen, indem die Nettoersatzrate bei der Notstandshilfe angehoben wird. Darüber hinaus soll die Anrechnung des Partnereinkommens dahingehend geändert werden, dass eine Anrechnung nicht zu einem Haushaltseinkommen unter dem Fa­milienausgleichszulagenrichtsatz zuzüglich Kinderzuschläge führt.

Es handelt sich bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung um kein arbeitsloses Grundeinkommen. Die Zuerkennung von mindestsichernden Leistungen ist vielmehr an die Arbeitswilligkeit gekoppelt. In diesem Zusammenhang ist geplant, die Zumut­barkeitsbestimmungen gerechter und praxisnäher zu gestalten sowie Langzeitar­beitslose im stärkeren Ausmaß in gemeinnützige Arbeitsprojekte einzubinden und zur Weiterbildung zu verpflichten.

Schließlich soll die Mindestsicherung in den Sozialschutzsystemen durch einen auf Kollektivverträgen basierenden Mindestlohn in der Höhe von 1.000,-- (14x) be­gleitet werden.

Für mich als Frauenministerin stellt die ungerechte Verteilung der Einkommen die frauenpolitisch größte Herausforderung dar. Die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Frauen muss durch eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am Wirt­schaftsleben gesichert werden. Ein zentrales Anliegen ist der Ausbau der Kinderbe­treuungsplätze, wofür im Ministerrat eine jährliche Anschubfinanzierung des Bundes in der Höhe von 20 Millionen Euro beschlossen wurde. Auch die Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes, die mit 1.1.2008 in Kraft treten wird, leistet einen wichtigen Beitrag zum rascheren Wiedereinstieg der Frauen in das Berufsleben, was sich für den gesamten weiteren Erwerbsverlauf, bis hin zu den Pensionen, positiv auf die Fraueneinkommen auswirkt.


Weitere Maßnahmen zur Stärkung von Frauen im Berufsleben sind noch in diesem Herbst geplant, die von der Bewusstseinsbildung über bessere Vereinbarkeit von Be­ruf und Familie bis hin zu Anreizen bei der Aus- und Weiterbildung reichen werden.

Ab September wird das frauen.kompetenz.netz" die Bildung von Frauennetzwerken unterstützen. Es sollen vor allem Frauen, die am Arbeitsmarkt besonders benachtei­ligt sind, angesprochen werden:

-  Migrantinnen,

-  Wiedereinsteigerinnen und

-  Mädchen in der Berufsorientierungsphase.