1189/AB XXIII. GP

Eingelangt am 03.09.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0079-Pr 1/2007

 

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1196/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Bettina Stadlbauer und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Auslieferung von Gerd Honsik“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Gegen Gerd Honsik ist beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 20e Vr 14184/86 Hv 5720/90 ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz anhängig. Nach der - nicht rechtskräftigen Verurteilung - in erster Instanz setzte sich Honsik nach Spanien ab, sodass eine rechtskräftige Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft noch aussteht. Nachdem die spanischen Behörden aber bereits im Jahre 1995 eine Auslieferung von Gerd Honsik zur Vollstreckung einer anderen in Österreich über ihn verhängten Freiheitsstrafe abgelehnt hatten, nahm die Staatsanwaltschaft Wien von einem neuerlichen Auslieferungsersuchen an die spanischen Behörden Abstand.

Mit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und das Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1, haben sich die Voraussetzungen für eine Übergabe im Verhältnis zu Spanien aber grundsätzlich geändert: Der ersuchte Staat hat - wenn dem Europäischen Haftbefehl ein Delikt zugrunde liegt, das in der in Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses enthaltenen Liste angeführt ist und das im Ausstellungsstaat mit Freiheitsstrafe oder einer vorbeugenden Maßnahme von mindestens 3 Jahren bedroht ist - die Strafbarkeit nach seinem Recht nicht mehr zu prüfen. Im vorliegenden Fall kommt eine Zuordnung des Tatbestands der Holocaust-Leugnung in Verbindung mit antisemitischer Propaganda insbesondere zur Kategorie „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ in Betracht. Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft Wien am 23. Juli 2007 die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls gegen Gerd HONSIK zur Strafverfolgung seine Ausschreibung in den sogenannten „Schengen-Staaten“ gemäß § 29 Absatz 1 EU-JZG beantragt. Gerhard Honsik wurde am 23. August 2007 in Benalmadena (Malaga) von spanischen Polizeibeamten festgenommen.

Zu 3:

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind auf Grund der Gemeinsamen Maßnahme vom 15. Juli 1996 betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nach Titel I A lit c verpflichtet, die „öffentliche Leugnung der Verbrechen im Sinne von Artikel 6 des Statuts des Internationalen Militärtribunals im Anhang zum Londoner Abkommen vom 8. August 1945, sofern dies eine Verhaltensweise umfasst, die Verachtung einer über Hautfarbe, Rasse, Religion oder nationale oder ethnische Herkunft definierten Gruppe ausdrückt oder eine solche Gruppe herabwürdigt“ unter Strafe zu stellen oder für Zwecke der Zusammenarbeit vom Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit abzusehen.

Im Rahmen des Europarates verpflichtet das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art die Vertragsstaaten, das Verbreiten oder anderweitige Öffentlich-Verfügbar-Machen über ein Computersystem von Material, das Handlungen leugnet, grob verharmlost, billigt oder rechtfertigt, die den Tatbestand des Völkermords oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Völkerrechts erfüllen und die als solche in rechtskräftigen Endentscheidungen des durch das Londoner Abkommen vom 8. April 1945 errichteten Internationalen Militärgerichtshofs festgestellt wurden, unter Strafe zu stellen (Art. 6).

Das Zusatzprotokoll wurde am 28.1.2003 zur Zeichnung aufgelegt. Bisher haben es 20 Vertragsparteien unterzeichnet und 11 ratifiziert. Gegenwärtig ist die Ratifikation in Österreich in Vorbereitung. Unter anderem haben Deutschland, Belgien, Finnland, die Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden und die Schweiz das Zusatzprotokoll bisher unterzeichnet jedoch nicht ratifiziert. Neben anderen haben Dänemark und Frankreich das Zusatzprotokoll bereits ratifiziert. Hingegen haben Italien, Spanien und das Vereinigte Königreich das Zusatzprotokoll bisher nicht unterzeichnet (Stand 10. August 2007).

Zu 4:

Der Rat für Justiz und Inneres hat am 19. April 2007 zum Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eine allgemeine Annäherung erzielt. Es ist aufgrund der vorliegenden parlamentarischen Vorbehalte einiger Mitgliedstaaten und der neuerlichen Konsultation des Europäischen Parlaments noch nicht absehbar, bis wann eine formelle Annahme des Rahmenbeschlusses möglich sein wird.

Art 1 Abs. 1 lit. d des Rahmenbeschlusses verpflichtet die Mitgliedstaaten „das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Verbrechen nach Artikel 6 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs im Anhang zum Londoner Abkommen vom 8. August 1945 gegenüber einer Gruppe von Personen oder einem Mitglied einer solchen Gruppe, die nach den Kriterien Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definiert werden, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt“ unter Strafe zu stellen. Es steht den Mitgliedstaaten nach lit. e des Abs. 1 leg cit frei eine Erklärung abzugeben, „nur Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, oder die Drohungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen darstellen“.

Zu 5 und 6:

Die Entscheidung über die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls und die Übergabe an einen anderen Mitgliedstaat ist in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union regelmäßig von den unabhängigen Gerichten zu treffen. Das Bundesministerium für Justiz wird bestrebt sein, das Verfahren zur Übergabe des Gerd Honsik an Österreich im Rahmen seiner Kompetenz als Zentralbehörde bestmöglich zu unterstützen.

 

. September 2007

 

(Dr. Maria Berger)