1191/AB XXIII. GP

Eingelangt am 03.09.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0077-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1134/J-NR/2007

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „den Verein Neustart und den Entzug der Opferhilfe“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Ich meine, dass es geboten ist, eine klare Trennung von Organisationen, die Opfer von Straftaten betreuen, von solchen, die Täter betreuen, herbeizuführen. Der Schwerpunkt der im Bereich der Opferhilfe vom Bundesministerium für Justiz geförderten Tätigkeit liegt im Bereich der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung. Diese soll eine sekundäre Viktimisierung der Opfer durch das regelmäßig der Straftat folgende Strafverfahren und den dort unvermeidlichen Kontakt mit dem Beschuldigten durch psychosoziale und juristische Unterstützung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren möglichst vermeiden. Opfer benötigen unabhängige Unterstützung, die es ihnen etwa ermöglicht, Ansprüche gegen den Täter durchzusetzen. Wenn sowohl das Opfer als auch der Täter von ein und derselben Organisation betreut werden, ist es nicht auszuschließen, dass es – schon strukturell bedingt – zu Unvereinbarkeiten oder Interessenskonflikten kommen kann.

Organisationen, die im Bereich der Gewaltprävention tätig sind, sind differenziert zu betrachten. Diese betreuen Täter üblicherweise nicht in dem Sinn, dass sie parteilich für diese einschreiten, sondern führen z.B. Gewaltarbeit mit Tätern im Sinne einer therapeutischen oder sozialkontrollierten Intervention durch.

Zu 2:

Ich bin nicht der Ansicht, dass Arbeit mit Opfern von Straftaten im hier behandelten Zusammenhang als Mittel dienen soll, Erkenntnisse über Täter zu gewinnen. Gerade bei der Prozessbegleitung soll dem Opfer geholfen werden, das mitunter sehr belastende an die Straftat anschließende Verfahren unter gleichzeitiger Wahrung des Strafanspruches des Staates zu bewältigen. Opferarbeit als Ausbildung oder Training für Täterarbeit anzusehen, scheint mir jedenfalls nicht der richtige Ansatz zu sein.

Zu 3:

Sowohl im Bereich der Arbeit mit Straftätern, wie sie Neustart primär durchführt, als auch bei der Arbeit mit Opfern von Straftaten ist es nötig, parteilich für den jeweiligen Klienten oder die jeweilige Klientin einzutreten, um die Interessen bestmöglich wahren zu können. Deshalb halte ich eine Trennung für wichtig und geboten. Straftäter werden seit langer Zeit durch eine eigens dafür eingerichtete Institution unterstützt. Es spricht nichts dagegen, auch Opfer durch speziell dafür vorgesehene Institutionen in der Wahrung ihrer Rechte und Interessen zu unterstützen. Ich halte eine organisatorische Vermischung nicht für zielführend.

Zu 4:

Allgemein wurde der Bereich der vom Bundesministerium für Justiz geförderten Prozessbegleitung durch eine Studie des Instituts für Konfliktforschung einer Evaluierung unterzogen. Diese Studie liegt seit Mai 2007 vor. Zu den Erwägungen, die zur der Anfrage zu Grunde liegenden Entscheidung führten, darf auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen werden.

Zu 5:

Die Bereiche sind bei Neustart insoweit getrennt, als zumindest bei großen Geschäftsstellen eine organisatorische Trennung erfolgte und es Mitarbeiter/inne/n, die im Bereich der Opferhilfe tätig sind, zwar erlaubt war, im Bereich der Diversion tätig zu sein, nicht jedoch im Bereich der Bewährungshilfe. Bei kleinen Geschäftsstellen gab es nach meinem Wissensstand aber Durchbrechungen dieses Prinzips. Zudem ist natürlich im Bereich der Geschäftsführung keine Trennung mehr gegeben.

Diese mangelnde organisatorische und dogmatische Trennung zeigt sich auch daran, dass etwa bei der Werbung von Neustart quasi eine Gleichstellung von Opfern und Tätern erfolgte, weil damit geworben wurde, dass beide Hilfe und einen „Neustart“ ins Leben bräuchten.

Zu 6 und 7:

Nach dem bestehenden Vertrag über die Gewährung von Prozessbegleitung ist Neustart zur Betreuung aller Opfer, ausgenommen Kinder unter 14 Jahren und Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt in Partnerschaften geworden sein könnten, ermächtigt.

Es bestehen derzeit Verträge des Bundesministeriums für Justiz mit 45 anderen Einrichtungen, sodass kein Monopol des „Weißen Ring“ zur Betreuung von Opfern situativer Gewalt und von Gewalt im öffentlichen Raum besteht. Eine Statistik zur Frage, welche Opfer welcher Straftaten von den einzelnen Einrichtungen betreut wurden, ist allerdings erst im Aufbau begriffen. Dabei sind vor allem auch Erwägungen des Datenschutzes zu berücksichtigen.

Mit dem „Weißen Ring“ wurde kein Vertrag über Tätigkeit im Bereich der Opferhilfe im Allgemeinen abgeschlossen, sondern einerseits einer über die Durchführung von Prozessbegleitung im Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2007 für alle Opfer von Straftaten in ganz Österreich im Sinne des § 65 Z 1 lit. a und b des Strafprozessreformgesetzes und andererseits ein Vertrag über den Betrieb des Opfernotrufes „0800 112 112“ im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008, womit der schrittweise Ausbau dieser Einrichtung zu der im Regierungsprogramm angeführten Koordinationsstelle Opferhilfe verbunden ist.

Zu 8:

Für das Jahr 2007 stehen 3,5 Millionen Euro für den Bereich Opferhilfe zur Verfügung. Im Hinblick auf die große Zahl der geförderten Einrichtungen bestehen für alle Arten von Opfern ausreichende Angebote spezialisierter Einrichtungen, sodass es zu keinen Einschränkungen des Angebots kommen wird.

Zu 9:

Wie schon zu den Fragen 6, 7 und 8 ausgeführt besteht bereits derzeit ein vielfältiges Angebot an vom Bundesministerium für Justiz geförderten Opferhilfeeinrichtungen, die eine optimale Betreuung sämtlicher Opfergruppen abdecken.

 

 

. August 2007

 

(Dr. Maria Berger)