1203/AB XXIII. GP
Eingelangt am 03.09.2007
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BM für Gesundheit Familie und Jugend
Anfragebeantwortung

Frau
Präsidentin des Nationalrates
Maga. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
GZ: BMGFJ-11001/0124-I/A/3/2007
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 1226/J der Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde wie folgt:
Frage 1:
Die ursprünglichen Angaben der Firma Wyeth, dass eine Durchimpfung der Hochrisikogruppen zu einer epidemiologisch signifikanten Senkung der Erkrankungsfälle bei Kindern unter 2 Jahren führen könnte, haben sich nicht bestätigt. Die nunmehrige Aussage, dass eine Durchimpfung aller zu einer 75% Senkung aller invasiven Erkrankungs- und Todesfälle führen werde, kann nicht bestätigt werden, da weltweit keine Ergebnisse vorliegen, die diese Aussage belegen.
Frage 2:
Soweit damit die Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung gemeint sein sollte, nein, doch halte ich fest, dass den Krankenversicherungsträgern – diese sind ja bekanntlich Körperschaften des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit - die Möglichkeit eingeräumt ist, als freiwillige Leistungen u. a. Maßnahmen zur Verhütung des Eintrittes von Krankheiten gewähren zu können. Somit könnten – bei entsprechender Entscheidung der Selbstverwaltung eines Versicherungsträgers - auch die Kosten für Impfungen gegen Pneumokokken als derartige freiwillige Leistungen übernommen werden.
Fragen 3 und 4:
Eine Beobachtung der Epidemiologie in England, wo die Pneumokokkenimpfung am 4. September 2006 eingeführt wurde, zeigt eine gute Wirksamkeit gegen die im Produkt enthaltenen Subtypen.
Die Infektionen durch nicht enthaltene Subtypen steigen jedoch an. Auch wenn alle Erkrankungen durch im Impfstoff enthaltene Subtypen verhindert werden könnten, entspricht das nur einer Reduktion um die Hälfte und nicht um 75 %.
In der geriatrischen Impfung, wo gute Erfolge verzeichnet werden, wird traditionell mit einem 23-valenten Impfstoff geimpft. Der flächendeckende Einsatz von Prevenar birgt die Gefahr einer Keimverschiebung und damit eine Gefährdung der Hochrisikokinder mit sich, die ja nur gegen die im Impfstoff enthaltenen Subtypen geschützt sind.
Es ist daher die Vermarktung von neuen Produkten mit einer breiteren Keimabdeckung abzuwarten, bevor die vorgeschlagene breite Einführung der Pneumokokkenimpfung neu aufgegriffen wird. Möglicherweise bringt auch die Markteinführung von Konkurrenzprodukten die unflexible Hochpreispolitik der Firma Wyeth ins Wanken.
Bei Übernahmen ins Impfkonzept ist eine Abwägung von Krankheitshäufigkeit und -schwere in Relation mit den zu erwartenden Kosten erforderlich. Daher wurde - bei fix vorgegebenem Budget - der Neueinführung einer Impfung gegen Rotaviren die Priorität gegeben, maßgeblich waren dafür Verlaufsbeobachtungsdaten (ich verweise dazu auf die in der Beilage angeschlossenen Tabellen).
Frage 5:
Im Hinblick auf diese Argumente wurde die Aufnahme der Rotavirusimpfung ins Kinderimpfkonzept bereits im März 2007 beschlossen. Die Implementierung begann nach Ankauf der nötigen Produkte unter Wahrung aller gesetzlich vorgegebenen Vergabevorschriften mit 16. Juli 2007.
Fragen 6 und 7:
Keine, solange kein zugelassener Impfstoff auf dem österreichischen Markt ist. Nach Zulassung wäre ein solches Produkt dann vorerst vom Impfausschuss des OSR auf Sinnhaftigkeit eines massiven Einsatzes in Österreich zu prüfen. Ergänzend halte ich fest, dass in diesem Fall geriatrischer Impfungen nicht das Kinderimpfkonzept betroffen ist.
Fragen 8 und 9:
Auf Beschluss der Bundesgesundheitskommission sollen die zugelassenen Impfstoffe gegen Humanpathogene Papilloma-Virenstämme evaluiert und in weiterer Folge in ein maßgeschneidertes Präventionsprogramm eingearbeitet werden. Würden wir das HPV-Präparat ohne flankierende Maßnahmen und seriöser Information der Bevölkerung ins Impfprogramm übernehmen, hätten wir einen gegenteiligen Effekt zu befürchten. Denn fälschlicherweise wird die Impfung sehr oft als hundertprozentiger Schutz vor Gebärmutterhalskrebs dargestellt. Die Teilnahme an der jährlichen Vorsorgeuntersuchung, dem sogenannten PAP-Abstrich, würde in der Folge abnehmen und die Zahl der Gebärmutterhalskrebs-Fälle sogar steigen statt abzunehmen. Nachgewiesenermaßen sei die Impfung nach dem ersten Geschlechtsverkehr nämlich völlig wirkungslos - die Impfung führe nicht zu einer Heilung.
Es wäre auch die Einführung eines zweiten Produkts, das im Herbst 2007 zugelassen werden soll, abzuwarten. Aus diesen oben beschriebenen Gründen stellen sich budgetäre Überlegungen im Augenblick nicht.
Frage 10:
Die derzeitigen Vorsorgeuntersuchungen in diesem Bereich werden fortgesetzt und verstärkt. Zusätzlich halte ich fest, dass die einheitliche Strategie im Kampf gegen Geschlechtskrankheiten beizubehalten ist. Derzeit sind wirksame Mittel, welche sowohl vor Geschlechtskrankheiten als auch vor ungewollter Schwangerschaft schützen, insbesondere für Heranwachsende breit verfügbar.
Frage 11:
Der Impfstoff bietet Schutz nur unter den vorgenannten Prämissen. Wer sich schon jetzt, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem die medizinische Analyse und Erarbeitung einer am Gemeinwohl orientierten nationalen Strategie noch nicht abgeschlossen sind, impfen lassen will, muss daher auch bereit sein, die Kosten für seinen individuellen Nutzen zu tragen.
Im Rahmen des von der Bundesgesundheitskommission beauftragten Präventionspaketes ist zu evaluieren (HTA Studien), wie sich in den kommenden Jahrzehnten die Impfkosten gegenüber den potentiellen Einsparungen entwickeln werden. Die Aufforderung, alle Frauen von 12 bis 26 Jahren auf Kosten der öffentlichen Hand zu impfen, kann somit erst nach Abschluss der Analysen seriös beantwortet werden.
Frage 12:
Derzeit sind im Impfkonzept die Grundimmunisierung gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus Influenzae b, Kinderlähmung, Hepatitis B, Rotaviren, Masern, Mumps, Röteln sowie die Auffrischungsimpfungen und Catch-up-Impfungen im Schulalter durch das Impfprogramm gedeckt. Für Risikokinder ist zudem weiterhin die Grundimmunisierung gegen Pneumokokken mit einem konjugierten Impfstoff gratis.
Frage 13:
Derzeit gibt es keine epidemiologische Notwendigkeit und daher auch keine Beschlüsse, dieses Programm auszuweiten.
Frage 14:
Nein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andrea Kdolsky
Bundesministerin
Beilage
BEILAGE zu parl. Anfr. 1226/J, Fragen 3 und 4:
Verlauf der durch im Impfstoff enthaltenen Subtypen verursachten Infektionen in England

Vergleich von Erkrankungen durch im Impfstoff enthaltene Typen und nicht enthaltene Typen

Verlauf der Erkrankungen durch im Impfstoff nicht enthaltene Typen
