1218/AB XXIII. GP

Eingelangt am 04.09.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                              Wien, am        September 2007

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0066-I/4/2007

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1162/J vom 4. Juli 2007 der Abgeordneten Sylvia Rinner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Armut, Armutsgefährdung und Armutsbekämpfung in Österreich (EU-SILC 2005) beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1. und 2.:

Die vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz gemeinsam mit EUROSTAT in Auftrag gegebene jährliche Erhebung EU-SILC liefert mit der von Statistik Austria zu erstellenden Analyse einen guten Überblick über die soziale Situation in den österreichischen Haushalten. Die am 30. April 2007 präsentierten Ergebnisse von EU-SILC 2005 stellen daher für die gesamte Bundesregierung eine wichtige empirische Grundlage für die Fortsetzung der bereits unternommenen Schritte zur Armutsvermeidung und Armutsbekämpfung dar.

 

Die Erhebung beweist dabei, wie bedeutsam das wohlfahrtsstaatliche System in Österreich ist, um Armut zu vermeiden. Die im EU-25-Vergleich in Österreich unterdurchschnittliche Armutsgefährdungsquote (12% in Österreich, 16% im EU-25 Durchschnitt) ist im starken Ausmaß auf den Umfang und die Treffsicherheit der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen zurückzuführen: Gäbe es keine Pensionen und Sozialleistungen würde das Armutsgefährdungsrisiko der Gesamtbevölkerung anstatt bei 12% bei 43% liegen, die Armutsgefährdungsquote wäre also dreieinhalb Mal höher. Pensionen und Sozialleistungen reduzieren bei älteren Haushalten die Armutsgefährdung von 96% auf 14%, bei Haushalten

im erwerbsfähigen Alter wird das Armutsgefährdungsrisiko auf weniger als die Hälfte (von 30% auf 12%) gesenkt und bei Haushalten mit Kindern von 34% auf 13%. Die Absicherung unseres wohlfahrtsstaatlichen Systems ist deshalb eine Grundvoraussetzung für den sozialen Zusammenhalt. Wir können daher zu Recht stolz auf ein umfassendes System der sozialen Sicherheit sein. Die Vielzahl von sozialen Leistungen gewährleistet in der Regel auch die finanzielle Existenzsicherung und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

 

Die besondere Bedeutung eines stabilen Sozialsystems wie dem unseren sehe ich darin, dass es Vertrauen schafft, Risiken reduziert und den Konsum sowie die Investitions- und Risikobereitschaft stärkt. Der Staat trägt dabei eine wichtige, aber nicht die alleinige Verantwortung. Mindestsicherungssysteme in der Pensions- und Arbeitslosenversicherung sowie in der Sozialhilfe dienen dem Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung, doch kommt vor allem auch jeder Hilfe zur Selbsthilfe besondere Bedeutung zu. Der Staat darf seine Bürgerinnen und Bürger nämlich nicht entmündigen, sondern muss Rahmenbedingungen schaffen, die ihre freie Entfaltung begünstigen und sie auch zur eigenen Vorsorge befähigen. Nur das, was erarbeitet und erwirtschaftet wird, kann auch verteilt werden, weshalb im Sinne einer nachhaltigen und auch den beitragszahlenden Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern gegenüber fairen Absicherung des Sozialsystemes Vorsorge grundsätzlich Vorrang vor Fürsorge haben muss.

 

Ich sehe die Senkung des Anteils der Armutsgefährdeten um jede einzelne Person als Erfolg an und gehe davon aus, dass die Fortsetzung des im Sinne obiger Ausführungen bereits von der vormaligen Bundesregierung eingeschlagenen Weges eine weitere Stärkung der Solidarsysteme bringen wird. Die beispielsweise bereits im Vorjahr beschlossene und auch bereits umgesetzte weitere Anhebung der Ausgleichszulage beziehungsweise die bedarfsorientierte Mindestsicherung, welche im Budget bereits berücksichtigt ist, werden hier neben den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik – dazu verweise ich etwa auf die einem erfreulichen Trend folgenden aktuellen Arbeitsmarktdaten, welche als Früchte der getroffenen gezielten Maßnahmen auch der vorangegangenen Bundesregierung gesehen werden können, wobei etwa Dank Blum-Bonus auch die sinkenden Lehrlingszahlen gestoppt

werden konnten – ebenso dazu beitragen, wie auch die im Regierungsübereinkommen festgelegten weiteren Maßnahmen, zu welchen ich davon ausgehe, dass sie realisiert werden.

 

Zu 3. und 4.:

Die Armutsbekämpfung ist nicht nur mir ein persönliches Anliegen, sondern auch ein zentrales Ziel der Bundesregierung. Es wurde daher auch im Regierungsprogramm verein­bart, in der aktuellen Legislaturperiode einen der Schwerpunkte auf die Weiterentwicklung des österreichischen Sozial- und Gesundheitssystems zu legen, die durch eine Strategie der Armutsbekämpfung ergänzt wird. Dazu wurden im Abschnitt „Soziale Herausforderungen und Gesundheit“ den vereinbarten Maßnahmen zur Armutsbekämpfung ein eigenes Kapitel gewidmet, was die Entschlossenheit der Bundesregierung zur Fortsetzung der bereits unternommenen Schritte zur Armutsvermeidung und Armutsbekämpfung unterstreicht. Ein umfassendes Paket an Maßnahmen soll eine materielle Besserstellung und eine bessere soziale Eingliederung eines Großteils der armutsgefährdeten Personen bewirken.

 

Im Rahmen meiner Ressortzuständigkeit werde ich selbstverständlich zur Erreichung dieser Zielsetzungen beitragen. So wurde beispielsweise im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2007 neben einer Erhöhung der Pendlerpauschalen um 10% ein zeitlich befristeter Pendlerzuschlag zur Negativsteuer in Höhe von bis zu € 90,-- eingeführt. Damit profitieren auch jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die unter den Besteuerungsgrenzen verdienen und einen grundsätzlichen Anspruch auf das Pendlerpauschale haben. Aber auch die Budgetpolitik wird hier einen Beitrag leisten können: So steht etwa das Budget für die Haushaltsjahre 2007 und 2008 als klares Bekenntnis für das funktionierende soziale Netz in Österreich. Insgesamt wurde darin nämlich rund ein Drittel der gesamten Budgetausgaben für Soziale Wohlfahrt und Gesundheit vorgesehen: heuer sind das € 23,48 Mrd., im Jahr 2008 € 23,62 Mrd. Im Budget ist dabei auch die bereits umgesetzte weitere Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, welcher in Österreich zugleich als Bezugsgröße der Armutsgefährdungsgrenze definiert ist, berücksichtigt. Damit und auch mit der beschlossenen Erhöhung der Pensionen in einem Gesamtvolumen von € 460 Millionen, wobei der dabei beschlossene sozial abgestufte Fixbetrag gerade den Bezieherinnen und Beziehern kleinerer Pensionen zu Gute kommt, wurden bereits im Vorjahr weitere Meilensteine gesetzt, ohne dabei das für eine nachhaltige Absicherung des Generationenvertrages erforderliche Gleichgewicht aus den Augen zu verlieren. Es wurde auch hier eine für beide Seiten – sowohl für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, als auch für die Pensionsbezieherinnen und Pensionsbezieher – gerechte und soziale Lösung gefunden. Österreich war, ist und bleibt ein starker, verlässlicher und sicherer Sozial-Standort.

 

Die Bundesregierung wird sich darüber hinaus auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Geld-, Finanz- und Haushaltspolitik einen aktiven Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union leistet, wobei die österreichische Bundesregierung neben Wachstum und Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Ausbau der Infrastruktur, Bildung, Umweltschutz und Nachhaltigkeit einen Schwerpunkt auf Armutsvermeidung und soziale Absicherung setzt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Mag. Wilhelm Molterer eh.