1233/AB XXIII. GP
Eingelangt am 03.09.2007
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung

JOSEF PRÖLL
Bundesminister
An die Zl. LE.4.2.4/0089 -I 3/2007
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 3. SEP. 2007
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Gerhard Reheis, Kolleginnen
und Kollegen vom 6. Juli 2007, Nr. 1201/J, betreffend Beseitigung
verfassungswidriger Vorrechte im Bezug auf Nutzung und
Verwaltung des Gemeindeguts
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen vom 6. Juli 2007, Nr. 1201/J, betreffend Beseitigung verfassungswidriger Vorrechte im Bezug auf Nutzung und Verwaltung des Gemeindeguts, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
In jüngerer Vergangenheit wurde in Tirol eine intensive Diskussion im Zusammenhang mit Fragen betreffend Agrargemeinschaften und Gemeindegut geführt. Während einerseits bereits vor einigen Jahrzehnten erfolgte Übertragungen von Gemeindegut als rechtswidrig bzw. ungerechtfertigt bezeichnet werden und beklagt wird, dass den Gemeinden heute dringend benötigte Grundflächen nicht zur Verfügung stünden, wird andererseits auf das rechtskonforme Zustandekommen entsprechender behördlicher Entscheidungen, auf die dadurch entstandene finanzielle und administrative Entlastung der Gemeinden oder darauf verwiesen, dass heute in den meisten Fällen die Kooperation von Gemeinden und Agrargemeinschaften funktioniere.
In dem häufig zitierten Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 judizierte der Verfassungsgerichtshof, dass das Flurverfassungsrecht formell an den Begriff des Gemeindegutes im Sinne der Gemeindeordnungen anknüpfe, der das Eigentum der Gemeinde voraussetze. Führe die Einbeziehung des Gemeindegutes in die Ordnung der Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken aber tendenziell dazu, dass die Gemeinde die Substanz des Gemeindegutes zur Gänze an die Nutzungsberechtigten verliere, so bewirke sie eine durch nichts gerechtfertigte Bevorzugung der Nutzungsberechtigten gegenüber der (auch) die übrigen Gemeindeangehörigen repräsentierenden Gemeinde. Der VfGH hob aus diesem Grunde § 15 Abs. 2 lit. d des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, gemäß dem zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken auch das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungen unterliegende Gemeindegut (Ortschafts-, Fraktionsgut) gehörte, als verfassungswidrig auf. Ebenso wurden Bezug habende Bestimmungen des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes sowie des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978 als verfassungswidrig aufgehoben.
Der VfGH verwies im zitierten Erkenntnis zwar auch auf ältere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, hatte aber noch im Einleitungsbeschluss zum genannten Gesetzesprüfungsverfahren selbst angemerkt, dass die von den Beschwerdefällen ausgelösten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen, die die Einbeziehung des Gemeindegutes in die Ordnung der rechtlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken nach Maßgabe der bestehenden Bodenreformgesetze betrafen, trotz ähnlicher Sachlage aus dem Blickwinkel von VfSlg. 5666/1968 noch nicht entstanden waren. Auch der VfGH räumte in seinem Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 ein, dass im Zuge der Überleitung des alten Gemeindegutes in die neue Gemeindeverfassung nach 1848 aus dem Eigentum der alten Realgemeinde häufig Eigentum der Nutzungsberechtigten entstanden ist. Er ließ es freilich dahin gestellt, ob diese Vorgänge den damals geltenden Vorschriften entsprochen haben.
Ob vor den mit Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 erfolgten Klarstellungen durch den VfGH die Rechtslage in verfassungsrechtlicher Hinsicht in jedem Einzelfall vollkommen unstrittig gewesen war, ist heute schwer zu beurteilen. Wie dem Einleitungsbeschluss zu VfSlg. 9336/1982 zu entnehmen ist, hat der VfGH gegen die Bildung öffentlich-rechtlicher Körperschaften der Nutzungsberechtigten, auch wenn daran nicht alle Gemeindemitglieder teilnehmen, keine Bedenken. Auch in der jüngeren Judikatur wird – in anderem Zusammenhang – hinsichtlich Agrargemeinschaften betont, dass es ein legitimes Interesse des Staates sei, die den sachlichen und örtlichen Gegebenheiten angepassten landwirtschaft-lichen Besitzstrukturen zu bewahren und unerwünschten Entwicklungen entgegen zu wirken (VfGH 2.10.2006, A 27/05). Der primäre Zweck einer Agrargemeinschaft einst und jetzt liege in der Verwaltung, pfleglichen Bewirtschaftung und Nutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke gemäß den Anteilsrechten und den Vorschriften in Regulierungsplänen und Satzungen. Die Agrargemeinschaften hatten und haben zweifelsfrei einen großen Einfluss auf die Erhaltung einer funktionsfähigen landwirtschaftlichen Struktur und ihre Tätigkeit liegt schon daher im allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes (VwGH 7.7.2005, 2004/07/0070). Folgt man der Judikatur, so kann den Agrargemeinschaften grundsätzlich auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, auch Erträge zu lukrieren, die nicht unmittelbar der Holz- und Weidenutzung zuzuordnen sind. Wenn nämlich die Satzung einer Agrargemeinschaft den Zweck hat, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicher zu stellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben, ist daraus nicht abzuleiten, dass Grundstücke der Agrargemeinschaft nur zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden dürfen (vgl. VwGH 31.1.1995, 94/07/0148).
Zu Frage 1:
Die Fragestellung sowie die Ausführungen im Votum der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage, wonach der Bund auf das Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 bis heute nicht reagiert habe, obwohl der VfGH eine Frist bis 28.2.1983 zur Reparatur der aufgehobenen Bestimmung gesetzt und damit zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Reparatur nötig wäre, vermitteln den Eindruck, dass der Bundesgrundsatzgesetzgeber nach Erlassung dieses Erkenntnisses bis heute säumig sei. Dies ist jedoch unrichtig.
Wie bereits dargelegt, hat der VfGH mit dem genannten Erkenntnis vielmehr die Bestimmung des § 15 Abs. 2 lit. d des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, welches normiert hatte, dass zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken auch das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungen unterliegende Gemeindegut (Ortschafts-, Fraktionsgut) gehört, als verfassungswidrig aufgehoben und gleichzeitig ausgesprochen, dass frühere Vorschriften nicht wieder in Wirksamkeit treten. Gleichzeitig hob der VfGH ebenso die Bezug habenden Bestimmungen im Vorarlberger Flurverfassungsgesetz und im Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1978 als verfassungswidrig auf und sprach jeweils aus, dass deren Aufhebung mit Ablauf des 28. Feber 1983 in Kraft tritt und frühere Vorschriften nicht wieder in Wirksamkeit treten.
Gemäß den Ausführungen des VfGH im zitierten Erkenntnis betrafen die Bedenken des Gerichtshofes, die dahin gingen, dass die im entscheidenden Punkt undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes in die Ordnung agrargemeinschaftlicher Verhältnisse, die das Flurverfassungsrecht vornehme, eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung einzelner Gemeindemitglieder bewirke und daher dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, die in Prüfung gezogenen (und aufgehobenen) Bestimmungen. Wie dem Erkenntnis entnommen werden kann, hatte der VfGH auf Grund diesbezüglich gegenteiliger Vorbringen im Gesetzesprüfungsverfahren ausdrücklich und eingehend geprüft, ob sich die von ihm geäußerten Bedenken tatsächlich gegen die in Prüfung gezogenen Vorschriften wandten. Mit der Aufhebung des genannten § 15 Abs. 2 lit. d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 wurde somit in diesem Gesetz ein verfassungskonformer Zustand hergestellt, ohne dass es einer zusätzlichen Novellierung seitens des Grundsatzgesetzgebers bedurfte. In den Entschei-dungen, mit denen in weiterer Folge die zum Gesetzesprüfungsverfahren geführt habenden Anlassverfahren abgeschlossen wurden, verwies der VfGH dementsprechend darauf, dass mit der Aufhebung der Bestimmung, die Gemeindegut der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken unterworfen habe, die für die Feststellung von Rechtsverhältnissen am Gemeindegut maßgebliche materielle Rechtsgrundlage (in den entsprechenden Flurverfassungsgesetzen) weggefallen sei.
Es wird dabei nicht übersehen, dass der VfGH im Einleitungsbeschluss zum oben genannten Gesetzesprüfungsverfahren (vorläufig) kein Hindernis dafür gesehen hatte, dass die Ordnung der Rechtsverhältnisse an überkommenem Gemeindegut als Angelegenheit der Bodenreform behandelt und der Vollziehung durch Agrarbehörden überantwortet werde. Die Annahme, das Gemeindegut sei der Bodenreform ebenso unterworfen wie jedes andere Grundeigentum, bedeute – wie der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 schließlich darlegte – allerdings nicht, dass dem Gemeindegesetzgeber in seinem Zuständigkeitsbereich Regelungen über das Gemeindegut überhaupt versagt wären.
Gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG ist in Angelegenheiten der Bodenreform Bundessache lediglich die Gesetzgebung über die Grundsätze. Nach der Judikatur des VfGH ist das Verhältnis von bundesgesetzlicher Grundsatzgesetzgebung zu landesgesetzlicher Ausführungsgesetzgebung von zwei Verfassungsgeboten gekennzeichnet: Einerseits hat sich das Grundsatzgesetz auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken und darf über diese im Art. 12 B-VG gezogene Grenze hinaus nicht Einzelregelungen treffen, die der Landesgesetzgebung vorbehalten sind. Andererseits darf das Ausführungsgesetz dem Grundsatzgesetz nicht widersprechen (VfSlg. 16.058/2000 mit Hinweisen auf Vorjudikatur).
Berücksichtigt man vor diesem rechtlichen Hintergrund den Umstand, dass die Relevanz des Rechtsinstituts des Gemeindegutes in den einzelnen österreichischen Bundesländern sehr unterschiedlich zu beurteilen ist, sowie die bereits dargelegte Rechtsansicht, dass das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 im gegebenen Zusammenhang nach dem Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 zur Herstellung der Verfassungskonformität keiner Novellierung bedurfte, erscheint eine darüber hinausgehende Regelung im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 weder erforderlich noch zweckmäßig. Dessen ungeachtet wirft die hinter der Frage wohl stehende Intention, der Gesetzgeber möge eine Rechtsgrundlage dafür schaffen, in jenen Fällen, in denen das Eigentum an aus Gemeindegut entstandenen Grundstücken Agrargemeinschaften einverleibt wurde, dieses Eigentum trotz anders lautender rechtskräftiger behördlicher Entscheidung den Gemeinden zu übertragen, (verfassungs-)rechtliche Bedenken auf (vgl. die nachfolgenden Ausführungen).
Zu den Fragen 2 bis 4:
In den Fragen 2 bis 4 kommt das Begehren zum Ausdruck, im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, die Rechte an der Substanz und an den die Holzbezugs- und Weiderechte der Mitglieder übersteigenden Nutzungen sowie die Verwaltung der aus dem Gemeindegut hervor gegangenen agrargemeinschaftlichen Grundstücke auf die Gemeinden zu übertragen. Gewünscht wird damit ein durch den Gesetzgeber ermöglichter Eingriff in heute bestehende Rechtsverhältnisse bzw. rechtskräftige Entscheidungen in jenen Fällen, in denen die Agrargemeinschaften Eigentümer von Grundstücken sind, die historisch Gemeindegut darstellten bzw. darstellen. Sowohl bei der gegenwärtigen als auch bei der begehrten geänderten Rechtslage gilt es jedoch, nachstehende rechtliche Umstände zu beachten:
Die Aufhebung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch den VfGH wirkt auf den Anlassfall. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände ist das Gesetz gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG jedoch weiterhin anzuwenden, sofern der VfGH nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Eine Rückwirkung der Aufhebung der bereits genannten gesetzlichen Bestimmungen ist dem zitierten Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 aber nicht zu entnehmen.
Im Gegensatz zu den Ausführungen in der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage, wonach die diesbezüglichen Einwände nicht stichhältig seien, kommt der Rechtskraft von behördlichen Entscheidungen – unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung rechtmäßig waren oder nicht – wesentliche Bedeutung zu. Der Gesetzgeber regelt bereits im § 68 AVG, unter welchen Voraussetzungen bereits rechtskräftige Entscheidungen aufgehoben oder abgeändert werden können. Darüber hinaus gehende Bestimmungen im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 sind daher nicht geboten.
Im Zentrum der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage stehen bereits regulierte Agrargemeinschaften, denen das Eigentum an bestimmten Grundstücken mit Bescheid zugesprochen wurde. Die durch eine Regulierung – etwa nach dem Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz – neu geschaffene Agrargemeinschaft tritt hinsichtlich der in ihr Eigentum übertragenen Grundstücke die Rechtsnachfolge (etwa) der Gemeinde an (vgl. VwGH 13.12.2001, 98/07/0082). Ist in einem Regulierungsplan ausdrücklich ausgesprochen, dass ein Regulierungsgebiet ein agrargemeinschaftliches Grundstück darstellt und dass dieses im Eigentum der Agrargemeinschaft steht, so kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesem Ausspruch über das Eigentum an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken normative Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um die Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken (vgl. VwGH 3.2.2000, 99/07/0152).
Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass in den letzten Jahren von einigen Gemeinden versucht wurde, eine inhaltliche Änderung der angesprochenen, häufig in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts erlassenen Regulierungsbescheide durch – letztlich als verspätet beurteilte – Rechtsmittel bzw. Wiedereinsetzungsanträge zu erreichen und damit die Rechtskraft dieser Bescheide zu durchbrechen. Soweit bekannt, blieben diese Begehren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bisher ebenso erfolglos (vgl. VfGH 4.3.2006, B 334/05; 8.6.2006, B 619/05; 21.6.2006, B 790/05; 21.6.2006, B 686/05; VwGH 9.11.2006, 2005/07/0123) wie der Versuch, entgegen dem Inhalt der seinerzeitigen Regulierungsbescheide im Grundbuch die Einverleibung des Eigentumsrechts an den in Rede stehenden Grundstücken für die Gemeinde zu erreichen (vgl. OGH 4.11.2005, 5 Ob 164/05m).
Die in den zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen wiedergegebenen Sachverhalte geben vielfach Hinweise auf die Mitwirkung bzw. Beteiligung der Gemeinden in den seinerzeitigen Regulierungsverfahren. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die verantwortlichen Organe der Gemeinde seinerzeit noch nicht ahnen hätten können, welche Folgen das Regulierungsverfahren haben würde, musste ihnen – so führte der VfGH in den Bezug habenden Beschlüssen etwa aus – mit Erlassung des Regulierungsplanes klar sein, dass die Eigentumslage geändert werden sollte. Spätestens mit der Übertragung des bücherlichen Eigentums von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft hätten sie nach der höchstgerichtlichen Judikatur erkennen müssen, dass das Regulierungsverfahren zur Rechtsfolge einer Eigentumsübertragung geführt hat.
Berücksichtigt man aber die auch vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bisher Bestand habende Rechtskraft der seinerzeitigen Bescheide, weiters die umfassenden aus dem Eigentumsrecht erfließenden Befugnisse, sowie die strengen Kriterien, an denen auch der Gesetzgeber bei einem Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG; Art. 1 1. ZPMRK) gebunden ist, so kann dem in der gegenständlichen Anfrage dargelegten Begehren, die Mitglieder einer als Eigentümerin von Grundflächen auftretenden Agrargemeinschaft lediglich auf Holzbezugs- und Weiderechte zu beschränken, auch dann nicht gefolgt werden, wenn entsprechend den Ausführungen in der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage in manchen Bescheiden zugleich festgestellt worden sein sollte, dass es sich beim Regulierungsgebiet um Gemeindegut handle.
Rechtsträger des Eigentumsrechts sind natürliche, aber auch juristische Personen. Auch Körperschaften des öffentlichen Rechts – wie die Agrargemeinschaften – genießen im Rahmen ihrer Privatrechtsfähigkeit entsprechenden Eigentumsschutz. Es ist wohl davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Agrargemeinschaften ihr Vermögen seit Jahrzehnten als ihr Eigentum verwaltet und entsprechend investiert haben. Weiters ist es nicht unzulässig, dass Agrargemeinschaften neben agrargemeinschaftlichen Grundstücken noch weitere Grundstücke und sonstiges Vermögen besitzen. Eine Enteignung oder Eigentumseinschränkung von Agrargemeinschaften kann daher nur unter jenen Voraussetzungen erfolgen, wie sie in der Judikatur des VfGH hinsichtlich anderer natürlicher oder juristischer Personen entwickelt wurde.
Darüber hinaus ist im vorliegenden Zusammenhang gegebenenfalls auch die kompetenzrechtliche Situation zu beachten. Gemäß den Ausführungen des VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 1390/1931 sind unter Angelegenheiten der „Bodenreform“ nur Angelegenheiten der ländlichen Bodenfrage, nicht aber auch Angelegenheiten der städtischen Bodenfrage zu verstehen. Sollten daher agrargemeinschaftliche Grundstücke dem Eigentum der Agrargemeinschaften entzogen und einer nichtagrarischen Nutzung, etwa dem sozialen Wohnbau, zugeführt werden, so kann dieses Vorhaben wohl nicht beim Kompetenztatbestand „Bodenreform“ subsumiert werden. Vielmehr wäre es eine Angelegenheit des jeweils zuständigen Materiengesetzgebers, eine allfällig notwendige sachgerechte Möglichkeit einer Enteignung oder Eigentumsbeschränkung von Grundstücken vorzusehen. Auch dabei sind die entsprechenden verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.
Ebenso wenig wie es unter den dargelegten rechtlichen Rahmenbedingungen einschließlich der bekannten höchstgerichtlichen Judikatur möglich erscheint, einer Gemeinde etwa in einem Regulierungsverfahren das bisher einer Agrargemeinschaft als juristische Person zustehende Eigentumsrecht an Grundstücken zu übertragen, erscheint es im Hinblick auf die bestehenden rechtskräftigen Regulierungsbescheide auch nicht möglich, den Einfluss der Gemeinden innerhalb der Agrargemeinschaften allein mit dem Hinweis, die in Rede stehenden Grundflächen seien aus Gemeindegut entstanden, zu stärken. Regulierungsurkunden und Satzungen von Agrargemeinschaften sind als rechtskräftige individuelle Verwaltungsakte anzusehen, deren inhaltliche Richtigkeit grundsätzlich nicht mehr überprüft werden kann (vgl. VwGH 22.4.2004, 2000/07/0213). Enthält ein Regulierungsplan aber Festlegungen über das Ausmaß bzw. den Umfang der Nutzungsrechte der Mitglieder der Agrargemeinschaft, ist grundsätzlich diese Urkunde für die Ausübung dieser Rechte maßgebend, weil sie die Rechtsgrundlage für das Anteilsrecht und Nutzungsrecht selbst bildet (VwGH 25.5.2000, 99/07/0157). Selbst in jenen Fällen, in denen sich die Aufrechterhaltung der gemeinschaftlichen Nutzung durch eine Agrargemeinschaft als nicht mehr zweckmäßig erweist und deshalb ein Teilungsverfahren in Erwägung gezogen würde, hätte jede Partei nach dem festgestellten Wert ihres Anteiles an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken oder sonstigen in die Teilung einbezogenen Liegenschaften oder Vermögenschaften Anspruch auf vollen Gegenwert tunlichst in Grund und Boden (vgl. § 22 Abs.1 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951).
In diesem Zusammenhang wird auf die vor Kurzem – mit breitem Konsens – erfolgte Novellierung des § 37 Abs. 8 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996, verwiesen, mit der Streitigkeiten zwischen Agrargemeinschaften, die aus Gemeindegut hervorgegangen sind, und Gemeinden einer gemeinsamen Lösung zugeführt werden sollen.
Zu Frage 5:
Zur Frage der Vorlage eines Gesetzesentwurfes betreffend die Willensbildung sowie die Verteilung von Erträgen in Agrargemeinschaften, die Gemeindegut verwalten, wird im Wesentlichen auf die Ausführungen zu den Fragen 2 bis 4 verwiesen.
Soweit damit die Forderung erhoben wird, der Bundesgrundsatzgesetzgeber müsse dafür sorgen, dass die Regeln, nach denen Agrargemeinschaften ihre Verwaltungstätigkeit ausüben, jederzeit vom VfGH geprüft werden könnten (somit der gesamte Inhalt eines Regulierungsplanes den Charakter einer Verordnung erhalten müsse), ist darauf zu verweisen, dass sich der VfGH bereits in seinem Beschluss VfSlg. 12.279/1990 mit Fragen der Bescheid- oder Verordnungsqualität von Satzungen einer Agrargemeinschaft befasst hat. Der VfGH hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 keine Aussage über die Rechtsnatur der Satzungen von Agrargemeinschaften enthält. Die Landesausführungsgesetzgeber hätten innerhalb des ihnen durch das Grundsatzgesetz offen gelassenen Regelungsspielraumes für die Satzungen der Agrargemeinschaften verschiedene rechtliche Konstruktionen gewählt. So seien die Satzungen der Agrargemeinschaften etwa nach dem Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetz mit Verordnung der Agrarbehörde, nach dem Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz mit Bescheid der Agrarbehörde zu erlassen. Bereits daraus folgt aber, dass eine diesbezügliche Novellierung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 im Sinne der dargestellten Forderung nicht erforderlich ist.
Dessen ungeachtet betonte der VfGH im zitierten Beschluss VfSlg. 12.279/1990 unter Verweis auf Vorjudikatur aber auch, dass es auch Gründe des Rechtsschutzes nicht geboten erscheinen ließen, die von Agrargemeinschaften aufgestellten Satzungen als Verordnungen zu qualifizieren, um die Möglichkeit ihrer Prüfung durch den VfGH gemäß Art. 139 B-VG zu eröffnen. Der VfGH verwies bei der Prüfung der dieser Entscheidung zugrunde gelegenen Rechtslage nach dem Vorarlberger Flurverfassungsgesetz zum einen darauf, dass die Behörde verpflichtet sei, von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Satzungen einer Agrargemeinschaft zu prüfen und nötigenfalls durch Vornahme entsprechender Satzungsänderungen zu gewährleisten. Zum anderen hätten die Mitglieder einer Agrargemeinschaft die Möglichkeit, in Verfahren zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis auch die Gesetzwidrigkeit von Satzungsbestimmungen geltend zu machen. Damit biete – so der VfGH – die geltende Rechtslage hinreichende Gewähr dafür, dass nur dem Gesetz entsprechende Satzungsbestimmungen auf Dauer rechtlichen Bestand hätten. Es sei daher aus Rechtsschutzgründen keineswegs geboten, in solchen Fällen den Satzungen Verordnungsqualität beizumessen.
Der Bundesminister: