124/AB XXIII. GP

Eingelangt am 26.01.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 101/J-NR/2006 betreffend Produktpiraterie (Marken- und Musterschutz), die die Abgeordneten Mag. Maier und GenossInnen am 28. November 2006 an meinen Amtsvorgänger gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Fragen 1 bis 3:

Ist es auch nach dem Produktpirateriegesetz 2004 rechtlich möglich, dass bei einer Bestellung einer nachgeahmten oder unerlaubt hergestellten Rolex durch einen Konsumenten über das Internet (z.B. Kauf über eBay) die Postsendung durch den Zoll auf Verdacht oder im Auftrag des Rechteinhabers beschlagnahmt und vernichtet werden kann?

Ist es richtig, dass der gutgläubige Internetkäufer neben der Bezahlung, für die Vernichtung der Ware wie auch für die Kosten des Rechtsanwalts des Rechteinhabers aufkommen oder sich auf ein kostenaufwendiges gerichtliches Verfahren einlassen muss?

Ist es für Sie denkbar, dass dieses Problem bei nicht gewerbsmäßigen Internetbestellungen in Zeiten von e-commerce in einer Abänderung zur EU-Produktpiraterieverordnung als Ausnahmebestimmung geregelt wird?

Antwort:

Da die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes nicht in die Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie fällt, ist es mir nicht möglich hier Auskunft zu erteilen.

Frage 4:

Bei einer Kfz-Reparatur (PKW oder LKW) werden mitunter unwissentlich nachgeahmte oder unerlaubt hergestellte Kfz-Teile durch einen Kfz-Betrieb verwendet und eingebaut (z.B. Kotflügel, Bremsbeläge, Auspuff, etc.). Wenn der Rechtinhaber (z.B. Mercedes, Porsche) davon erfährt, kann dieser nach dem Produktpirateriegesetz 2004 und u.a. in Verbindung mit dem Markenschutzgesetz etc. rechtlich dagegen vorgehen. Damit ergeben sich für die Wirtschaft wie auch für Konsumentinnen eine Reihe von offenen Fragen.


4.1.

Mit welchen rechtlichen Konsequenzen hat der Inhaber des Kfz-Betriebes zu rechnen, der im guten

Glauben diese nachgeahmten oder unerlaubt hergestellte Ersatzteile erworben und eingebaut hat?

4.2.

Mit welchen rechtlichen Konsequenzen hat der Fahrzeughalter eines PKW oder eines LKW zu

rechnen, an bzw. in dem nachgeahmte oder unerlaubt hergestellte Ersatzteile angebracht bzw.

eingebaut wurden?

4.3.

Ist es richtig, dass die nachgeahmten oder unerlaubt hergestellten Ersatzteile ausgebaut bzw. entfernt

werden müssen und auf Antrag des Rechteinhabers vernichtet werden können?

4.4.

Wer hat die Kosten für die Entfernung dieser Teile und die Kosten für die Vernichtung dieser zu

tragen?

4.5.

Ist es richtig, dass im geschilderten Fall auf Antrag des Rechteinhabers der PKW bzw. der LKW sogar

beschlagnahmt werden könnte.

Antwort:

Der Umfang der Befugnisse, zu denen ein für das österreichische Bundesgebiet relevantes Markenrecht berechtigt, ergibt sich im Wesentlichen aus den §§10 und 10a Markenschutzgesetz (MaSchG) bzw. den Art. 9 ff iVm Art. 92 und 98 der Gemeinschaftsmarkenverordnung, wobei idR ein Handeln des Verletzers im geschäftlichen Verkehr" vorausgesetzt wird. Dem solcherart in seinen Rechten durch eine unzulässige Markenbenutzung Verletzten stehen zivilrechtlich in erster Linie Ansprüche auf Unterlassung (§ 51 MaSchG) und Beseitigung (§ 52 MaSchG) gegen den unmittelbaren Täter, von dem der Eingriff ausgeht und auf dessen maßgeblichem Willen dieser beruht zur Verfügung, ggf. aber auch gegen einen, einen bloßen Tatbeitrag leistenden mittelbaren Täter. Als Gehilfen haften Personen lediglich dann, wenn sie den Täter bei der Tatbegehung bewusst und vorwerfbar fördern. Beseitigungsansprüche gegen private Endabnehmer sind idR - im Hinblick auf das Erfordernis des Handelns im geschäftlichen Verkehr - nicht gegeben. Der Beseitigung (Vernichtung, Unbrauchbarmachung) auf Kosten des Verletzers unterliegen jedenfalls nur Eingriffsgegenstände und Eingriffsmittel, die sich in dessen Verfügungsmacht befinden. Ein Eingriff in die dinglichen Rechte Dritter ist nur in bestimmten Konstellationen möglich, zB wenn dem Verletzten auch gegen den Dritten unmittelbar ein Recht auf Beseitigung zustünde. Eine Pflicht zum Rückruf markenverletzender Gegenstände aus den Vertriebswegen" trifft den Verletzer nur soweit sein rechtlicher Einfluss reicht, dh. der Rückruf zumutbar und der Rückrufempfänger zur Befolgung des Rückrufes verpflichtet ist. Die Auskunftspflicht des § 55a MaSchG ist ebenfalls auf gewerbliche Abnehmer oder Auftraggeber beschränkt. Zur Sicherung der Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung können einstweilige Verfügungen erlassen werden (§ 56 MaSchG). Daneben steht dem Verletzten ein Anspruch auf angemessenes Entgelt (idR in Höhe der entgangenen Lizenzgebühr) und bei schuldhafter Markenverletzung weitere Ansprüche in Geld (§ 53 MaSchG) zur Verfügung.

Aus strafrechtlicher Sicht werden Markeneingriffe auf Verlangen des Verletzten mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft. Gewerbsmäßig, d.h. in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, begangene Markenverletzungen sind mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren zu ahnden (§ 60 MaSchG).

Ziel der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums war es, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einander anzunähern, um ein


hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewähren. Die österreichischen Rechtsvorschriften (Markenschutzgesetz, Musterschutzgesetz etc.) entsprachen schon vor dem Umsetzungstermin weitgehend den Vorgaben dieser Richtlinie. Mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 96/2006, mit der die Richtlinie im Bereich der gewerblichen Schutzrechte umgesetzt wurde, wurden die einzelnen Rechtsvorschriften aufeinander abgestimmt. Die für das Markenrecht oben ausgeführten Grundsätze gelten daher in entsprechender Weise ua auch für den Bereich des Musterschutzrechtes.

Frage 5:

Wie hoch wird seitens Ihres Ressorts der durch derartige Marken- und Musterfälschungen jährlich in Österreich angerichtete volkswirtschaftliche Schaden geschätzt? Wie hoch wird der Schaden für die EU geschätzt?

Antwort:

Dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie liegt diesbezüglich kein ausreichendes Zahlenmaterial vor, welches eine seriöse Schätzung hinsichtlich Österreich ermöglichen würde.

Laut Schätzungen der Europäischen Kommission, Generaldirektion Handel, beträgt der durch Nachahmungen und Produktpiraterie verursachte jährliche Schaden für europäische Unternehmen im Binnenmarkt zwischen 400-800 Milliarden Euro, außerhalb der EU ca. 2.000 Milliarden Euro.

Frage 6:

Welche konkreten Maßnahmen sollen aus Sicht des Ressorts auf europäischer Ebene zur Sicherung des Marken- und Musterschutzes ergriffen werden?

Antwort:

Im Zuge der Implementierung vieler der im Aktionsplan der EK in ihrer Mitteilung über Folgemaßnahmen zum Grünbuch über die Bekämpfung von Nachahmungen und Produkt- und Dienstleistungspiraterie angesprochenen Maßnahmen wurde das bereits hohe Niveau an Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten für Marken- und Musterrechte in der EU weiter angehoben. Zuletzt durch die Annahme und Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.

Prioritäres Augenmerk sollte daher auf einer weiteren Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in Drittländern und besonders in Ländern, die als maßgebliche Herkunftsländer für nachgeahmte und gefälschte Produkte identifiziert werden, liegen.

Aktivitäten im Zuge der Umsetzung der EK-Strategie zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums in Drittländern oder den jüngsten Initiativen im Rahmen der Diskussion eines Anti- Counterfeiting Trade Agreements (ACTA) sollte ebenfalls besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Frage 7:

Hat sich das Produktpirateriegesetz aus Sicht des Ressorts bewährt und für Rechtsinhaber den Anreiz erhöht, einen Antrag auf Tätigwerden zu stellen? Wenn ja, wie ist dies aus Jahren Erfahrung ableitbar?


Antwort:

Da die Vollziehung des Produktpirateriegesetzes nicht in die Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie fällt, liegen keine unmittelbaren Daten bzw. Wahrnehmungen vor.

Frage 8:

Sind Sie auch der Auffassung, dass Rechteinhaber (z.B. Markenhersteller) gegen gewerbsmäßig tätige Fälscher (Produktpiraten) und Händler von nachgeahmten und unerlaubt hergestellten Waren ihre Rechte konsequent durchsetzen sollen, aber KonsumentInnen (z,.B. Kfz-Halter) nicht kriminalisiert werden dürfen?

Antwort:

Es wird die grundsätzliche Ansicht vertreten, dass den Inhabern gewerblicher Schutzrechte ein ausreichendes und effizientes Instrumentarium zur Durchsetzung ihrer Rechte auf nationaler und internationaler Ebene zur Verfügung stehen soll.

Die Sicherstellung einer weitest möglichen Ausklammerung der Gruppe der KonsumentInnen vom Anwendungsbereich zivilrechtlicher Behelfe, die gegen gewerbsmäßig tätige Personengruppen gerichtet sind, war eines der Hauptanliegen des Ressorts in den an das federführend zuständige Bundesministerium für Justiz gerichteten Stellungnahmen, im Zuge der Behandlung des Vorschlags für eine Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums (nunmehr Richtlinie 2004/48/EG) in den Jahren 2003-2004.

Frage 9:

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um österreichische KonsumentInnen über Gefahren und Risken beim Kauf von nachgeahmten oder unerlaubt hergestellten Markenwaren aufzuklären?

Antwort:

Die angesprochenen Thematik (Konsumentenschutz bzw. -information) fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

Frage 10:

Wie stehen Sie zu einer verbindlichen Kennzeichnung des Ursprungs- bzw. des Herkunftslandes in der EU am Produkt (z.B. Made in China)?

Antwort:

Der gegenständliche Vorschlag, sowie die grundsätzliche Thematik fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit.

Frage 11:

Wie stehen Sie zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über die Angabe des Ursprungslandes bei ausgewählten Einfuhrwaren aus Drittländern? Welche Stellungnahme hat Ihr Ressort abgegeben?

Antwort:

Der gegenständliche Vorschlag fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit.


Frage 12:

Sind Sie auch der Auffassung, dass eine Ursprungs- bzw. Herkunftskennzeichnung Voraussetzung für die Schaffung von mehr Markttransparenz (Rückverfolgbarkeit) ist und im Interesse der KonsumentInnen (Wahlmöglichkeit und Transparenz) liegt?

Antwort:

Die angesprochenen Themen (Ursprungs- und Herkunftskennzeichnung bzw. Konsumentenschutz) fallen in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit und des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

Fragen 13 und 14:

Wie stehen  Sie zum  angekündigten  Rahmenbeschluss  über die Verstärkung  strafrechtlicher

Vorschriften zur Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten?

Soll dieser Rahmenbeschluss für alle Formen von Schutzrechtsverletzungen (auch bei möglichen

Verletzungen von Patentansprüchen) gelten?

Welche Stellungnahme hat Ihr Ressort abgegeben?

Wie stehen Sie zum Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums? Welche Stellungnahme hat Ihr Ressort abgegeben?

Antwort:

Für die in der Ratsarbeitsgruppe materielles Strafrecht" sowie im Rat Justiz und Inneres" diskutierten gegenständlichen Vorschläge der Kommission für eine Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sowie für einen Rahmenbeschluss zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Ahndung der Verletzungen geistigen Eigentums ist federführend die Bundesministerin für Justiz zuständig. In den Stellungnahmen des Ressorts an das Bundesministerium für Justiz wurde die grundsätzliche Ansicht vertreten, dass angesichts der bevorstehenden Evaluierung der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (gem. Artikel 18 der RL 3 Jahre nach dem Ende der Frist für die Umsetzung, d.i. der 29. April 2006) zunächst der konkrete Bedarf (vor allem der Schutzrechtsinhaber) nach zusätzlichen strafrechtlichen Maßnahmen festzustellen sei und sich der mögliche Anwendungsbereich der Richtlinie sowie der Umfang des Rahmenbeschlusses an diesem konkreten und realen Bedarf und nicht am Kriterium, ob gewisse Rechte des geistigen Eigentums bereits auf EU-Ebene harmonisiert sind oder nicht, orientieren sollte.