128/AB XXIII. GP
Eingelangt am 29.01.2007
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BM für Landesverteidigung
Mag. Norbert DARABOS 1090 WIEN BUNDESMINISTER FÜR
LANDESVERTEIDIGUNG Roßauer Lände 1 norbert.darabos@bmlv.gv.at
Anfragebeantwortung
S91143/56-PMVD/2006 29. Jänner 2007
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Stadlbauer, Genossinnen und Genossen haben am 29. November 2006 unter der Nr. 116/J an meinen Amtsvorgänger eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "möglicher Abschuss von entführten Passagierflugzeugen" gerichtet. Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu 1, 2, 4 bis 6:
Wie mir berichtet wurde, war meinem Amtsvorgänger das dem in der Anfrage erwähnten Artikel der Zeitschrift „Falter“ zu Grunde liegende Interview bekannt. Die Aufgaben des Bundesheeres sind – einzigartig in der österreichischen Bundesverwaltung – unmittelbar und abschließend auf Ebene des Verfassungsrechtes in Art. 79 B‑VG normiert. Dieser weist dem österreichischen Bundesheer als Primäraufgabe die „militärische Landesverteidigung“ und als Sekundäraufgaben „Assistenzleistungen“ zu. Darüber hinaus normiert er, dass alle weiteren Aufgaben des Bundesheeres durch Bundesverfassungsgesetz zu regeln sind. Die vorerwähnten Aufgaben werden auf einfachgesetzlicher Ebene im Wehrgesetz 2001 (WG 2001) sowie im Militärbefugnisgesetz (MBG) konkretisiert.
Zur militärischen Landesverteidigung ist auch die militärische Luftraumüberwachung zu zählen, die der ständigen Wahrung der Lufthoheit der Republik Österreich, insbesondere der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Souveränität, dient. Die Befugnisse dafür ermöglichen das Stellen von Luftfahrzeugen im österreichischen Luftraum, die im Verdacht stehen, die Lufthoheit zu verletzen oder die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres zu gefährden, sowie die Feststellung der maßgeblichen Umstände für die Luftraumbenützung (einschließlich der Identität des Luftfahrzeuges). Lebensgefährdender Waffengebrauch ist dabei nur dann zulässig, wenn es zum Schutz des Lebens, der Gesundheit, körperlichen Unversehrtheit oder Freiheit einer Person zwingend notwendig ist.
Entscheidungen in vorliegendem Zusammenhang erfolgen auf Grund des Befehls- bzw. Weisungszusammenhanges, wobei die Letztverantwortung bei mir als Bundesminister liegt; ungeachtet dessen hat der jeweilige Pilot in letzter Konsequenz in jedem Fall selbst zu beurteilen, ob die Anwendung lebensgefährdenden Waffengebrauches zulässig ist oder nicht.
Zu 3:
Entfällt.
Zu 7:
Abgesehen davon, dass eine Interpretation von Rechtsmeinungen Dritter nicht dem Vollziehungsbereich meines Ressorts obliegt, erscheint es mir zur Vermeidung von Missverständnissen wichtig, die Rechtslage klar zu stellen:
Art. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) normiert das Recht auf Leben. Der weite Schutzbereich dieses Grundrechts wird in seiner Anwendung durch Art. 2 Abs. 2 EMRK beschränkt. Zwar verlangt die EMRK selbst keine gesetzliche Grundlage für Handlungen nach Art. 2 Abs. 2 EMRK, jedoch erschließt sich die Notwendigkeit selbiger für die österreichische Rechtsordnung aus dem sogenannten Legalitätsprinzip. Derartige gesetzliche Grundlagen für Handlungen nach Art. 2 Abs. 2 EMRK sind das Militärbefugnisgesetz und das Waffengebrauchsgesetz 1969. Der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 8082/1975) folgend, verletzt ein lebensgefährdender Waffengebrauch, sofern er den gesetzlichen Regeln entspricht, nicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Leben, wenn hiebei ein strenger Maßstab im Hinblick auf Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit angewendet wird.
Zu 8 bis 10:
Der Einsatz von Luftraumüberwachungsflugzeugen kann bei einer Bedrohung im Sinne eines strafrechtswidrigen Angriffes gegen Zivilpersonen im Rahmen eines sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes erfolgen oder zu einem solchen übergehen. Dieser Fall tritt etwa dann ein, wenn sich erweist, dass zwar keine Verletzung der Lufthoheit vorliegt (weil keine unautorisierte Flugbewegung im österreichischen Luftraum feststellbar ist), jedoch Straftaten an Bord des Luftfahrzeuges begangen werden oder, weil ein terroristischer Angriff aus der Luft unmittelbar bevorsteht oder bereits begonnen hat (z. B. die Einleitung eines Sturzfluges auf bewohntes Gebiet oder das Öffnen eines offensichtlichen Bombenschachtes). Ab diesem Zeitpunkt sind ausschließlich Rechtsvorschriften der Sicherheitsexekutive anzuwenden, insbesondere Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und Waffengebrauchsgesetz 1969. Hiebei muss eine entsprechende (direkte oder indirekte) Kommunikationsmöglichkeit zwischen dem Militärpiloten und der Sicherheitsbehörde vorliegen. Sofern diese durch höhere Gewalt außerstande gesetzt ist, das militärische Einschreiten herbeizuführen und bei weiterem Zuwarten ein nicht wieder gut zu machender Schaden für die Allgemeinheit eintreten würde, kommt „selbständiges militärisches Einschreiten“ des Militärpiloten nach Art. 79 Abs. 5 B-VG in Betracht.
Zu 11:
Die Rechtslage in vorliegender Thematik in Deutschland war bzw. ist in keiner Weise mit jener in Österreich vergleichbar, da der Österreichische Bundes-(verfassungs-)Gesetzgeber die Aufgaben und Befugnisse des Bundesheeres sowohl in eigener als auch in fremder Kompetenz klar und eindeutig, aber anders geregelt hat. So kennt die österreichische Rechtsordnung keine dem nunmehr aufgehobenen § 14 Abs. 3 des deutschen Luftsicherheitsgesetzes vergleichbare Bestimmung.
Zu 12:
Nein; wie mir berichtet wurde, erfolgte die Beschaffung, weil Luftraumüberwachungsflugzeuge der Type Eurofighter „Typhoon“ als das zweckmäßigste System für die österreichische Luftraumüberwachung beurteilt wurden. Im Übrigen verweise ich auf die Überprüfung dieses Beschaffungsvorganges durch den diesbezüglichen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.