1307/AB XXIII. GP

Eingelangt am 06.09.2007
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BM für europäische und internationale Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen, haben am 9. Juli 2007 unter der Nummer Zl. 1332/J-NR/2007 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „eventueller Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte-Charta und deren Folgen" gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu den Fragen 1 bis 3:

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthält zwar ein Verbot der Diskriminierung von Einzelpersonen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, aber keine Regelung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Mit Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ändert sich daher nichts an der Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts der Südtiroler.

Zu den Fragen 4 bis 9:

Wie vor dem Beitritt Sloweniens und der Tschechischen Republik zur Europäischen Union auf Anregung Österreichs genauestens geprüft wurde, lässt der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gemäß seinem Art. 295 die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt.

Was Slowenien betrifft, ist darauf zu verweisen, dass seitens Sloweniens freiwillig ein Denationalisierungsprozess eingeleitet wurde, aufgrund dessen heute österreichischen Staatsbürgern auf Basis der sog. „Avnoj"-Beschlüsse entzogenes Eigentum rückerstattet wurde.

Anlässlich der Beitrittsverhandlungen mit der Tschechischen Republik wurden, nicht zuletzt über österreichische Verlangen angesichts von Zweifeln der Vereinbarkeit von einigen der sog. „Beneš Dekrete" mit dem acquis communautaire, eingehende rechtliche Überprüfungen sowohl seitens der Kommission als auch seitens des Europäischen Parlaments (Gutachten Prof. Frowein) in die Wege geleitet. Diese Untersuchungen kamen einhellig zu dem Schluss, dass die Dekrete heute keine konstitutive Wirkung mehr entfalten und daher einem Beitritt der Tschechischen Republik in dieser Hinsicht nichts entgegensteht. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in mehreren Entscheidungen keine Verletzung von in der EMRK festgelegten Menschenrechten festgestellt.

An dieser rechtlichen Situation ändert auch die Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nichts, der im Übrigen keine Rückwirkung zukommen wird.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt.

Österreich bemüht sich davon ungeachtet in Kontakten mit Vertretern der Tschechischen Republik weitere Schritte in Richtung einer Aufarbeitung der Vergangenheit zu erreichen. So habe ich gegenüber meinem tschechischen Amtskollegen bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass schon vor längerer Zeit die Aufhebung des sog. „Straffreistellungs- (oder „Amnestie"-)gesetzes zugesagt wurde, dies aber immer noch nicht erfolgt ist. Ich werde auch weiterhin auf die Umsetzung dieser Zusage in meinen Kontakten mit der Tschechischen Republik hinwirken.