1413/AB XXIII. GP
Eingelangt am 16.11.2007
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BM für europäische und internationale Angelegenheiten
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen haben am 19. September 2007 unter der Nr. 1381/J-NR/2007 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Konsequenzen der Vereinbarung über zivile nukleare Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Indien auf das multilaterale Abrüstungs- und Rüstungskontrollvertragssystem, sowie der diese Vereinbarung betreffenden österreichischen Position in der Nuclear Suppliers Group (NSG) und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO)" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Am 20. Juli 2007 einigten sich die Vereinigten Staaten von Amerika und Indien über das bilaterale „Kooperationsabkommen zur friedlichen Nutzung der Nuklearenergie" (das so genannte „123 Agreement").
Das Abkommen konkretisiert die Zusammenarbeit im zivilen Nuklearbereich (u.a. Forschung und Entwicklung, Sicherheit, Technologieaustausch), enthält Bestimmungen zu Brennstofflieferungen und Wiederaufbereitung und regelt auch das Recht der Rückforderung gelieferter Technologie und nuklearen Brennstoffs im Kündigungsfall.
Der Vertrag verbietet die Verwendung von in seinem Rahmen geliefertem Nuklearmaterial und sonstigen Ausrüstungsgegenständen für militärische Zwecke und beinhaltet Kontrollbestimmungen in diesem Zusammenhang. Der von indischer Seite notwendige Kabinettsbeschluss erfolgte am 25. Juli 2007. Das Abkommen muss noch vom US-Kongress genehmigt werden und ist somit noch nicht in Kraft.
Im Zuge der parlamentarischen Behandlung des Abkommens in den USA hat der Kongress die geplante Zusammenarbeit mit Indien von weiteren Auflagen abhängig gemacht. Voraussetzung sei demzufolge zunächst der Abschluss eines Sicherheitskontrollabkommens zwischen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) und Indien sowie in weiterer Folge die Zustimmung der Nuclear Suppliers Group (NSG). Diese zusätzlichen Bedingungen haben in Indien zu einer intensiven innenpolitischen Debatte geführt, ob das geplante Abkommen in der vorliegenden Form für Indien überhaupt akzeptabel sei.
Diese innenpolitischen Auseinandersetzungen in Indien haben dazu geführt, dass gegenwärtig unklar ist, ob und wann Verhandlungen zwischen der indischen Regierung und der IAEO über das geplante Sicherheitskontrollabkommen beginnen. Somit ist derzeit der gesamte weitere Zeitplan in der IAEO und damit auch in der NSG offen.
Zu den Fragen 3 bis 12:
Aus österreichischer Sicht bestehen grundsätzliche Vorbehalte gegen jede Regelung, die das bestehende System der nuklearen Nichtweiterverbreitung in Frage stellt oder dessen Funktionieren beeinträchtigt. Unter diesem Gesichtspunkt wird auch das „123 Agreement" zu beurteilen sein. Eine einheitliche Position der EU-Mitgliedstaaten gibt es aufgrund prinzipiell unterschiedlicher Haltungen in Atomfragen nicht.
Ich engagiere mich in meinen internationalen Kontakten mit Nachdruck für Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Atomtechnologie. So habe ich auch bei meinem Besuch in Indien im März dieses Jahres die klare österreichische Position vertreten, dass der Nichtweiterverbreitungsvertrag (NPT) nicht untergraben werden darf. Erst am 15. November hat Österreich im Rahmen der NSG gegenüber den USA die österreichischen Vorbehalte unter dem Aspekt der Nichtweiterverbreitung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Solange aber nicht geklärt ist, ob Indien bereit ist, das vorliegende Abkommen und die zusätzlichen Auflagen des Kongresses zu akzeptieren, und auch keine Informationen über die geplanten Verhandlungen und Vereinbarungen mit der IAEO vorliegen, ist weder eine abschließende Beurteilung dieses Abkommens noch die endgültige Festlegung der österreichischen Position im IAEO-Gouverneursrat und in der NSG möglich.
Österreich wird weiter in enger Abstimmung mit gleichgesinnten Staaten innerhalb und außerhalb der EU vorgehen und seine Beratungen zu einer gemeinsamen Beurteilung über das „123 Agreement" fortsetzen. Ziel ist dabei, auf eine Stärkung der globalen und regionalen Sicherheitsarchitektur hinzuwirken und ein Wettrüsten in Asien - insbesondere ein atomares Wettrüsten - zu vermeiden.