1457/AB XXIII. GP
Eingelangt am 22.11.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für europäische und internationale Angelegenheiten
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat
Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und
Kollegen haben am 27. September 2007 unter
der Nr. 1516/J-NR/2007 an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Regierungskonferenz
über den
Entwurf eines EU-Reformvertrags" gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Ich habe dieses Thema sowohl beim informellen Treffen
der Außenminister am
7. September als auch in der Regierungskonferenz auf Außenministerebene
am
15. Oktober angesprochen, die österreichische Situation erläutert und
die große
politische Bedeutung
des Themas für Österreich betont.
Eine
Reihe von Mitgliedstaaten äußerte Verständnis für dieses
österreichische Anliegen.
Der Präsident der Europäischen Kommission hat Österreich
schriftlich zugesichert, eine
Aussetzung des gegen
Österreich laufenden Verfahrens für die nächsten fünf Jahre
zu
unterstützen. Wir werden diese Frist nützen, um mit Nachdruck an
einer dauerhaften
Lösung für dieses Problem zu arbeiten.
Zu Frage 2:
Österreich
ist stetig und hartnäckig in allen zuständigen EU-Gremien und auf
Ratsebene
bemüht,
Erleichterungen der Transitbelastung zu erreichen. Der neue Vertrag sieht in
den Bestimmungen zur Verkehrspolitik vor, dass ernstlichen
Beeinträchtigungen von
Lebensstandard und Beschäftigungslage in bestimmten Regionen Rechnung
getragen
wird.
Zu Frage 3:
Gemäß Art.
175 Absatz 2 EGV unterliegt die mengenmäßige Bewirtschaftung der
Wasserressourcen oder Maßnahmen im Zusammenhang mit der mittelbaren oder
unmittelbaren Verfügbarkeit dieser
Ressourcen weiterhin der Einstimmigkeit. Ich habe
mich in der Regierungskonferenz dafür eingesetzt, dass diese
Bestimmung nicht
angetastet wird. Somit bestimmt Österreich weiterhin alleine über die
Nutzung seiner
Wasserressourcen.
Zu Frage 4:
Das
österreichische Parlament hat im Jahr 2005 der Ratifizierung des
Verfassungsvertrags mit
überwältigender Mehrheit zugestimmt. Die darin vorgesehenen
Bestimmungen, die den Einfluss Österreichs auf Entscheidungen der
Europäischen
Union betreffen, wurden im Wesentlichen unverändert in den neuen
Reformvertrag
übernommen.
Im
neuen Reformvertrag wurde die Rolle der nationalen Parlamente weiter
gestärkt und
dadurch auch die
Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips verbessert.
Österreich hat gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten die strikt
gleichberechtigte
Rotation der EU-Mitgliedstaaten nach
Verkleinerung der Europäischen Kommission ab
2014 durchgesetzt. Bei der Zusammensetzung des Europäischen
Parlaments wird
Österreich gemäß der vom Europäischen Parlament
beschlossenen und von der
Regierungskonferenz gutgeheißenen Sitzverteilung ab 2009 ein
zusätzlicher Sitz
gegenüber dem derzeitigen Stand
zugesprochen.
Zu Frage 5:
Das Thema Temelin war im Zuge der
Regierungskonferenz kein Verhandlungs-
gegenstand, da nur die mit der auf eine Reform der vertraglichen Grundlagen der
EU
und ihrer Arbeitsweise ausgerichtete Zielsetzung der Regierungskonferenz und
ihrem
Mandat in unmittelbarem Zusammenhang
stehende Angelegenheiten behandelt wurden.
Die
Frage der Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Melker Abkommen
(Brüsseler
Fassung) wurde von
Österreich jedoch in der Vergangenheit bereits im Rahmen des
EU-Beitritts der Tschechischen Republik thematisiert. Bei den
abschließenden
Verhandlungen der Beitrittskonferenz haben sich Österreich und die
Tschechische
Republik auf eine gemeinsame Erklärung
zum Melker Abkommen (Brüsseler Fassung)
geeinigt.
Österreich
und die Tschechische Republik führen einen intensiven Sicherheitsdialog
mit
dem Ziel, aus österreichischer Sicht offene Fragen Zug um Zug vertieft zu
erörtern. Teil
dieses
Sicherheitsdialogs ist auch die im Februar dieses Jahres ins Leben gerufene
gemeinsame parlamentarische Kommission.
Zu Frage 6:
Art. 295 des Vertrags
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der die
Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt
lässt, war nicht
Verhandlungsgegenstand der Regierungskonferenz. Wie schon vor dem Beitritt
Sloweniens und der Tschechischen Republik
zur Europäischen Union auf Anregung
Österreichs genauestens geprüft wurde, steht diese Bestimmung einer
Einflussnahme
der Gemeinschaft auf die historisch entstandenen
Eigentumsverhältnisse in den
Mitgliedstaaten - also den so genannten
„Beneš Dekreten" und den so genannten
„Avnoj-Beschlüssen" - entgegen.
Zu Frage 7:
Die Frage
der Verhandlungen mit der Türkei war ebenfalls kein Verhandlungs-
gegenstand der Regierungskonferenz.
Für
diese Verhandlungen gelten die strengen Bedingungen des Verhandlungsrahmens
2005, in dem
Österreich vor allem durchgesetzt hat, dass die Verhandlungen einen
offenen Ausgang haben.
Österreich setzt sich
weiterhin für ein schrittweises Vorgehen zunächst mit dem Ziel
einer maßgeschneiderten
türkisch-europäischen Gemeinschaft ein. Die österreichischen
Bürgerinnen und Bürger werden bei Vorliegen eines
Verhandlungsergebnisses mit
Beitrittsziel jedenfalls in einer Volksabstimmung das letzte Wort haben.
Zu Frage 8:
Die
Verantwortung für die Überwachung und Kontrolle der
EU-Außengrenzen bzw. der
Schengen-Binnengrenzen
tragen weiterhin die Mitgliedstaaten und nicht FRONTEX.
Die Agentur ist ausschließlich für die Unterstützung der
Mitgliedstaaten zur
Koordination der Zusammenarbeit auf diesem
Gebiet zuständig.
Durch den
EU-Reformvertrag wird der Anwendungsbereich der qualifizierten Mehrheit
für Abstimmungen
im Rat auf die Bereiche Justiz und Inneres ausgedehnt, was von
Österreich unterstützt wurde. Die
EU wird in diesen Bereichen dadurch effizienter und
handlungsfähiger werden.
Österreich
unterstützt ferner die unter deutscher Ratspräsidentschaft
festgeschriebene
Ausdehnung des Gesamtansatzes Migration von Afrika und dem Mittelmeerraum auf
Süd- und
Südosteuropa. Für Österreich steht dabei der Kampf gegen die
illegale
Migration im Mittelpunkt. Auch die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und
Transitländern muss weiter intensiviert werden.
Zu den Fragen 9 und 10:
Österreich hat sich
während der Reflexionsphase stets für die Wiederaufnahme des
Reformprozesses auf der Basis des
EU-Verfassungsvertrages eingesetzt, vor allem auch
im Zuge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten
Halbjahr 2006.
Österreichisches Kernanliegen war dabei, die institutionellen Reformen
sowie die
substantiellen Neuerungen des Verfassungsvertrages im neuen EU-Reformvertrag
möglichst umfassend zu erhalten.
Nach der
politischen Einigung im Zuge der Regierungskonferenz können wir heute
feststellen, dass uns
dies gelungen ist. Mit dem neuen Vertrag wird die Union
demokratischer, effizienter, offener und transparenter.
Sie wird noch mehr als bisher der
Bürgernähe und dem spezifisch europäischen
Lebensmodell verpflichtet sein. Für die Union gilt in Hinkunft ein
anspruchsvoller
Wertekatalog. Sie schließt die noch
bestehenden Lücken im Grundrechtsschutz. Die
Entscheidungsstrukturen werden übersichtlicher, klarer und
effizienter.
Mit dem neuen
Vertrag kann das Ziel einer handlungsfähigeren Union, die gleichzeitig
kohärenter
agiert, erreicht werden, was im Interesse der österreichischen
Bürgerinnen
und Bürger liegt.