1566/AB XXIII. GP
Eingelangt am 28.11.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am November 2007
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0098-I/4/2007
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1547/J vom 28. September 2007 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen, betreffend „Kündigung des Erbschaftssteuer-Doppelbesteuerungsabkommens durch Deutschland“, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Die zuständigen Finanzämter führen keine Aufzeichnungen über die Häufigkeit der Anwendung des Erbschaftssteuerabkommens mit Deutschland. EDV-technische Auswertungen können daher nicht vorgenommen werden. Die Häufigkeit der Anwendung könnte daher nur mit unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand mittels Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschätzt werden. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich dazu keine Angaben machen kann.
Zu 2.:
Österreich und Deutschland üben jeweils ihre nationalen Besteuerungshoheiten aus und normieren in ihrem innerstaatlichen Recht, welche Sachverhalte der Erbschaftssteuer unterliegen und mit welcher Bemessungsgrundlage und welchem Steuersatz diese zu versteuern sind. Das Doppelbesteuerungsabkommen verteilt somit auf der Ebene des Völkerrechts lediglich die Besteuerungsrechte zwischen den beiden Staaten. Folglich kann das Doppelbesteuerungsabkommen österreichische nationale Besteuerungsrechte lediglich einschränken. Aus dem Doppelbesteuerungsabkommen können sich jedoch keine neuen Besteuerungsrechte ergeben, die nicht bereits im nationalen Recht begründet sind. Steuereinnahmen durch Erbanfälle wurden daher aufgrund des nationalen Rechts erzielt. Das Doppelbesteuerungsabkommen hat diese Steuereinnahmen lediglich eingeschränkt. In welcher Höhe das Doppelbesteuerungsabkommen die österreichischen Steuereinnahmen reduziert hat, könnte wiederum nur im Wege eines äußerst verwaltungskostenintensiven Schätzverfahrens eruiert werden, da die zuständigen Finanzämter keine statistischen Aufzeichnungen hinsichtlich einzelner Staaten führen.
Zu 3. und 4.:
Das deutsche Erbschaftssteuergesetz knüpft an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt an, um den gesamten Vermögensanfall zu besteuern. Dabei ist es unbeachtlich, ob es der Erbe oder der Erblasser ist, welcher in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. In beiden Fällen wird das gesamte in- und ausländische Vermögen der Erbschaftssteuer in Deutschland unterzogen. Besteht auch in Österreich ein Wohnsitz und befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich, ändert sich nichts an der dargelegten Besteuerung. Nach Wegfall des Erbschaftssteuerabkommens mit Deutschland wird das deutsche Besteuerungsrecht völkerrechtlich nicht mehr eingeschränkt.
Zu 5.:
Deutschland sieht eine erweiterte unbeschränkte Erbschaftssteuerpflicht vor. Deutsche Staatsangehörige, die ihren deutschen Wohnsitz aufgeben, sind nach dem Zeitpunkt des Wegzugs für weitere fünf Jahre in Deutschland unbeschränkt erbschaftssteuerpflichtig. Der deutsche Erbe, der nach Österreich umzieht, ist daher für fünf Jahre ab Wegzug weiterhin in Deutschland erbschaftssteuerpflichtig.
Zu 6.:
Ein unmittelbarer jährlicher Einnahmenausfall für den österreichischen Finanzhaushalt ergibt sich aus dem Wegfall des Doppelbesteuerungsabkommens nicht, da das Doppelbesteuerungsabkommen lediglich nationale Besteuerungsrechte einschränkt, aber keine neuen Besteuerungsrechte schaffen kann.
Zu 7.:
Der deutsche Fiskus ist nach Wegfall des Doppelbesteuerungsabkommens nicht mehr daran gehindert, Teile seiner nationalen Besteuerungshoheit aufzugeben. Die Mehreinnahmen des deutschen Fiskus sind nicht abschätzbar, da diese von der Anzahl der natürlichen Personen, die nach Österreich gezogen sind oder in Zukunft ziehen werden, deren Vermögenshöhe sowie vom verwandtschaftlichen Verhältnis zwischen Erblasser und Erben abhängig sind.
Zu 8.:
Österreich hat weitere Erbschaftssteuerabkommen mit Frankreich, Liechtenstein, Niederlande, Schweden, der Schweiz, der Tschechischen Republik, Ungarn und den USA abgeschlossen. Bisher bestehen keine Bestrebungen dieser Staaten, das jeweilige Erbschaftssteuerabkommen mit Österreich zu kündigen, zumal sich dieser Anreiz nur bei jenen Staaten ergeben könnte, welche ihrerseits die Methode der Steuerbefreiung vorsehen (Liechtenstein, Schweden, Schweiz, Tschechische Republik, Ungarn). Die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung ist allerdings geringer als bei Deutschland einzuschätzen. Deutschland sah sich zur Kündigung insbesondere durch den Umstand veranlasst, dass das Abkommen mit Österreich - als einziges der von Deutschland abgeschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung - die Methode der Steuerfreistellung vorgesehen hat und darüber hinaus auch spezielle Wegzugsregelungen, die Deutschland die Ausübung der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht bei Wegzug nach Österreich während eines beschränkten Zeitraums zugesichert hätten, nicht vorgesehen waren.
Mit freundlichen Grüßen