1604/AB XXIII. GP
Eingelangt am 05.12.2007
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BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am Dezember 2007
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0100-I/4/2007
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1589/J vom 5. Oktober 2007 der Abgeordneten Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gesetzesnovelle im Glücksspielbereich beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu 1. und 3.:
Einleitend ist festzuhalten, dass Österreich innerhalb der Europäischen Union zu den Ländern mit der liberalsten Rechtslage im Glücksspielwesen im weiteren Sinne gezählt wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich der österreichische Gesetzgeber seit jeher um eine stark differenzierte Rechtslage bemüht hat, welche Verhältnismäßigkeitserwägungen breiten Raum gibt. Je nach Gefährdungslage sollen adäquate Regulierungsmittel eingesetzt werden, um die ordnungspolitischen Vorstellungen von Suchtprävention, Spielerschutz und Abwehr von Begleitkriminalität bestmöglich zu verwirklichen.
Dabei konnte Österreich im laufenden Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission erst kürzlich die europarechtliche Konsistenz seines Glücksspielrechts in Hinblick auf Spielerschutz und Verhältnismäßigkeit ausführlich begründen und darlegen. Das österreichische Glücksspielgesetz entspricht in seinem Konzept der Installation eines am Spielerschutz und der Kriminalitätsabwehr ausgerichteten und verhältnismäßigen Konzessionssystems den europarechtlichen Vorgaben, wie sie zuletzt vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache "Placanica" zusammengefasst worden sind.
Seine Legitimation erfährt das Glücksspielmonopol durch seine ordnungspolitischen Zielsetzungen, die den besonderen gesellschaftlichen Risken, Umständen und Implikationen des Glücksspiels Rechnung tragen. Spielerschutz und Kriminalitätsabwehr stehen dabei im Vordergrund. Dort, wo der Spieltrieb des Menschen ausgenutzt zu werden droht, müssen entsprechende Schutzmechanismen vorhanden sein, um insbesondere die Überwachung der Altersgrenzen, Zugangsbeschränkungen bei Suchtgefährdung von Spielern, faire Spielabläufe und die notwendige Abwicklungssicherheit zu gewährleisten.
Bei der Verteidigung des Monopols durch das Bundesministerium für Finanzen geht es daher nicht um Verteidigung der Interessen des jeweiligen Konzessionärs, sondern um die Verteidigung des ordnungspolitisch unverzichtbaren österreichischen Konzessionssystems an sich.
Nur über dieses Konzessionssystem können die hohen österreichischen Schutzstandards zur Beherrschung der besonderen Gefahren des Glücksspiels und eine strenge staatliche Aufsicht zur laufenden Überwachung der Ausübung des Glücksspiels gewährleistet werden.
Zu 2.:
Der Vorwurf, dass hinter dem österreichischen Glücksspielmonopol das Ziel der fiskalischen Gewinnmaximierung steht, ist schlichtweg unrichtig.
Das Glücksspielgesetz statuiert als Voraussetzung für die Konzessionserteilung, dass der Konzessionswerber „unter Beachtung der Vorschriften des Glücksspielgesetzes über den Schutz der Spielteilnehmer“ den besten Abgabenertrag erzielt.
Dieses Verständnis des Glücksspielgesetzes spiegelt sich auch in der täglichen Aufsichtspraxis des Bundesministeriums für Finanzen wieder. Das zeigte sich etwa zuletzt in der Verschärfung der Spielbedingungen für Elektronische Lotterien. In Anknüpfung an neue technische Möglichkeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse zum Spielerschutz hat das Bundesministerium für Finanzen die vorgeschriebenen Schutzmechanismen erst kürzlich weiter verschärft und neue Spielausschlussgründe eingeführt. Derartige Anpassungen in den Spielbedingungen einzelner Spiele erfolgen laufend im Rahmen der Aufsicht.
Zu 4. und 5.:
Im Zuge einer Reorganisation im Bundesministerium für Finanzen wurden die Glücksspielagenden aus der Sektion III in die Sektion VI verschoben. Herr Dr. Peter Erlacher verlor mit Wirksamkeit zum 16. August 2006 seine Zuständigkeit für das Glücksspiel.
Mit Jahresende 2006 beendete Herr Dr. Erlacher schließlich seine Tätigkeit im Bundesministerium für Finanzen und beantragte ab 29. Dezember 2006 nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Dienstrecht eine Karenzierung. Herr Dr. Erlacher wurde durch den Antritt dieses Karenzurlaubes kraft Gesetzes arbeitsplatzverlustig.
Sollte Herr Dr. Erlacher nach Beendigung des Karenzurlaubes in den Bundesdienst zurückkehren, wird bei der Wahl eines neuen Aufgabengebietes selbstverständlich auf Unvereinbarkeiten Bedacht genommen werden, die aus der ausgeübten Tätigkeit während seiner Karenzierung resultieren.
Zu 6. und 7.:
Zu einer Beteiligung der Casinos Austria AG an der Omnia Communications-Centers GmbH liegen dem Haus – wie mir mitgeteilt wurde – keine Informationen vor.
Zu 8. und 9.:
Folgende Kernbereiche sind in der im Ministerrat vom 14. November 2007 beschlossenen Glücksspielgesetz-Novelle 2007, von welcher ausschließlich das Glücksspielgesetz betroffen ist, enthalten:
- Bei Spielbankbesuchern werden die bisher nur für Inländer geltenden gesetzlichen Spielerschutzstandards auch auf Staatsbürger aus EU/EWR-Staaten erweitert.
- Konzessionierte ausländische Spielbanken aus EU/EWR-Staaten können für den Vor-Ort-Besuch ihrer ausländischen Standorte im Inland werben, wenn die Spielerschutzbestimmungen ihres Heimatkonzessionslandes den strengen österreichischen Schutzstandards entsprechen.
- Die Europäische Geldwäscherichtlinie wird umgesetzt.
- Bei Video Lotterie Terminals soll die bestehende Praxis betreffend Jugend- und Spielerschutz gesetzlich normiert und weiter ausgebaut werden.
- Um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen effizienter überprüfen zu können, muss die Aufsicht auch Zugriff auf die Einzeldaten der Spieler haben. Die Aufsicht über das Glücksspiel unterliegt dabei ihrerseits dem Spielgeheimnis.
Die Glücksspielgesetz-Novelle 2007 soll bestehende Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität punktueller Vorschriften des österreichischen Glücksspielgesetzes beseitigen und ist dabei auch Ausfluss der konstruktiven Gespräche zwischen Vertretern des Bundesministeriums für Finanzen und der Europäischen Kommission zu dem über einzelne Bestimmungen des Glücksspielgesetzes eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren.
Die Novelle schließt freilich nicht aus, dass dem Parlament im Jahre 2008 seitens des Bundesministeriums für Finanzen weitere Verbesserungsvorschläge für eine Glücksspielgesetz-Novelle 2008 zugeleitet werden. Die geltende Rechtslage im Glücksspielbereich wird nämlich gerade einer umfassenden Evaluierung insbesondere dahingehend unterzogen, inwieweit Verbesserungen in der notwendigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit des Glücksspielgesetzes möglich und Anpassungen an technologische Entwicklungen erforderlich sind.
Zu 10. und 11.:
Die gesellschaftlichen Vorstellungen über die Zulässigkeit des Glücksspiels und die Notwendigkeit seiner Überwachung variieren sehr stark innerhalb der Europäischen Union. Daher hat der Europäische Gerichtshof bereits früh anerkannt, dass „die staatlichen Stellen über ein ausreichendes Ermessen verfügen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich bezüglich der Art und Weise der Veranstaltung von Lotterien, [...] nach Maßgabe der soziokulturellen Besonderheiten jedes Mitgliedstaats aus dem Schutz der Sozialordnung ergeben" (Rechtssache "Schindler", Rz 61).
Zudem sind auch die Aufsichtsstrukturen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Es ist daher unerlässlich, dass jeder Mitgliedstaat innerhalb der Europäischen Union bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum eine eigene staatliche Aufsicht gewährleistet, um seine besondere gesellschaftliche Verantwortung für die Überwachung von Glücksspielen wahrzunehmen.
Schließlich liegt es in der Natur der Sache, dass die vom Europäischen Gerichtshof zuletzt in der Rechtssache "Placanica" bekräftigte europarechtliche Zulässigkeit eines nationalen Konzessionssystems auch bedeutet, dass Anbieter ohne österreichische Konzession im Inland keine Glücksspiele anbieten dürfen, an denen die Teilnahme der Spieler vom Inland aus erfolgt.
Zu 12.:
Die vorgelegte Glücksspielgesetz-Novelle 2007 bedarf mangels technischer Vorschriften keiner Notifikation bei der Europäischen Union.
Zu 13. bis 15.:
Fragen der Besteuerung sind in der Glücksspielgesetz-Novelle 2007 nicht enthalten.
Zu 16.:
Die Notwendigkeit eines staatlichen Konzessionssystems ist – wie ich schon zur zweiten Frage ausführlich dargelegt habe – eben gerade kein Regelungsgegenstand, der nach dem erzielbaren Steueraufkommen ausgerichtet werden kann. Ordnungspolitische Motive, wie insbesondere Spielerschutz und Kriminalitätsabwehr müssen immer im Vordergrund stehen.
Mit freundlichen Grüßen