1702/AB XXIII. GP

Eingelangt am 20.12.2007
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BM für Gesundheit, Familie und Jugend

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMGFJ-11001/0176-I/A/3/2007

Wien, am      18. Dezember 2007

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 1734/J der Abgeordneten Maga. Christine Muttonen und GenossInnen wie folgt:

 

Frage 1:

Nach Schätzungen des österreichischen Psychologenforums tritt SVV bei 0,5 bis 1,5 % der Gesamtbevölkerung auf.

 

In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass mein Ressort eine Prävalenzstudie zur Erhebung psychischer Störungen in Österreich in Auftrag zu geben plant.

 


Frage 2:

Laut Statistischem Handbuch der österreichischen Sozialversicherung 2007, Tabelle 2.34, haben sich im Jahr 2006 österreichweit 1993 Spitalsfälle wegen Selbstmordes, -versuches bzw. absichtlicher Selbstbeschädigung ereignet.

 

Frage 3:

Eine Studie aus dem Jahr 2004 geht von einer Prävalenzrate von 4,3 % bei psychiatrischen Erkrankungen im Jugendalter aus und von einer Prävalenzrate von 0,6 bis 0,7 % bei traumabedingten Störungen (Eggers, Christian/Fegert, Jörg M./Resch, Franz: Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Springer, 2004).

 

Frage 4:

Der Stellungnahme des Österreichischen Psychologenforums entsprechend, darf ich anmerken, dass Klinischen PsychologInnen zufolge spezifische – d.h. am Symptom SVV orientierte – Therapieangebote als nicht sinnvoll erachtet werden,

da diese der Komplexität der Thematik und den dahinterstehenden Störungen nicht gerecht werden. Hinsichtlich der Behandlung der Ursachen verweise ich auf die psychiatrischen und heilpädagogischen Abteilungen entsprechend eingerichteter Krankenanstalten sowie auf die Behandlungsmöglichkeiten der Psychotherapie, dies auch als Vertragsleistung im Rahmen des SV-Systems durch Vereine oder auch als Kostenzuschuss zu Psychotherapie bei freiberuflich tätigen Psychotherapeuten.

 

Frage 5:

Familienberatungsstellen, pädagogische Beratungsstellen, kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanzen, Kinderschutzzentren, Kriseninterventionszentren, schulpsychologische Beratungsstellen sowie Praxen niedergelassener Klinischer PsychologInnen sind mögliche Anlaufstellen.

 

In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass niederschwellige Angebote, die den Betroffenen einen Einstieg in weiterführende Beratungs- und Behandlungsformen ermöglichen, sehr wichtig und sinnvoll sind.

 

Die genannten Einrichtungen bieten im Rahmen ihrer Beratungs- und Aufklärungstätigkeit zumeist Informationsmaterial (Broschüren, Webpages) zum Thema SVV an oder weisen auf einschlägige Beratungseinrichtungen und Therapiemöglichkeiten hin.

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es im Bereich der geförderten Familienberatungsstellen zwar keine expliziten Schwerpunktberatungsstellen für von Autoaggression und Selbstverletzendem Verhalten betroffene Personen und Angehörige gibt, aus der Familienberatungsförderung jedoch von meinem Ressort 41 Beratungsstellen finanziert werden, die einige der in der Einleitung der Anfrage angeführten Belastungsfaktoren beraterisch abdecken.

 

Dazu zählen die aus der Familienberatungsförderung mitfinanzierten Kinderschutzzentren, Familienberatungsstellen, die auf Beratung und Hilfestellung bei sexuellem Missbrauch spezialisiert sind, Beratungsstellen direkt an Jugendzentren, sowie besonders auf Beratung von Jugendlichen (im Umfeld von Berufsfindung oder Schwangerschaft) spezialisierte Einrichtungen. Insgesamt werden jährlich für diese Beratungsstellen 1,75 Mio. Euro aus der Familienberatungsförderung aufgewendet.

 

Diese Beratungsstellen stehen allen ratsuchenden Personen zur kostenlosen, nach sachlichen Gesichtspunkten und unter Wahrung der Anonymität durchgeführten Beratung zur Verfügung. In den meisten Beratungsstellen arbeiten multiprofessionelle Teams von Sozialarbeiter/inne/n, Ehe- und Familienberater/inne/n, Jurist/inn/en, Psycholog/inn/en, Pädagog/inn/en und anderen Fachleuten.

 

Frage 6:

Grundsätzlich ist dazu auf Folgendes Bedacht zu nehmen: Wie das Österreichische Psychologenforum festhält, birgt eine explizite Aufklärung von Jugendlichen über SVV – z.B. im Rahmen des Schulunterrichts – wie auch in anderen Bereichen von jugendlichem Risikoverhalten das Risiko des Fokussierens auf das Phänomen und die Erscheinungsformen von SVV.

 

Die Erfahrung zeigt, dass sich dadurch – verstärkt durch die Dynamik von Peergroups – unter Umständen die Attraktion von SVV erhöht. Während diese Verhaltensweisen für manche lediglich Wettbewerbscharakter erhalten, können sie für andere aber auch eine Verstärkung bereits bestehender (latenter) psychischer Probleme bedeuten. So können sich u.U. Initiativen, die vordergründig sinnvoll erscheinen, in weiterer Folge als kontraproduktiv erweisen.

 

Seitens meines Ressorts wurde - ausgehend von einer Tagung zum Thema „Suizid“ für Mitarbeiter/innen der offenen Jugendarbeit (Jugendzentren, Jugendtreffs, Jugendinitiativen) - eine Erhebung von Anlauf- und Beratungsstellen zu psychischen Problemen von Jugendlichen durchgeführt. Diese Adressliste soll Multiplikator/inn/en der außerschulischen Jugendarbeit – und allen anderen Interessierten - eine Hilfestellung bieten, wo sie bei Verdacht auf psychische Probleme der von ihnen betreuten Jugendlichen entsprechende Beratung finden können. Diese Datenbank wird mit Frühjahr 2008 im Web abrufbar sein.

 

Es hat sich gezeigt, dass in der natürlichen Phase der Ablösung Jugendlicher vom Elternhaus gerade die Mitarbeiter/innen der außerschulischen Jugendarbeit eine bedeutende Rolle als Ansprech- und Vertrauenspersonen übernehmen. Ziel muss es daher sein, Jugendbetreuer/innen entsprechend zu sensibilisieren, damit sie frühzeitig (und damit rechtzeitig) entsprechende professionelle Hilfe und Unterstützung suchen und eine weitere Vorgangsweise gemeinsam abgeklärt werden kann.

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Andrea Kdolsky

Bundesministerin