1748/AB XXIII. GP

Eingelangt am 21.12.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0108-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1722/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „rechtliche Auskunft von HR Mag. Roland Horngacher an HR Dr. Otto Schneider“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Der am 25. August 2006 im Bundesministerium für Justiz eingelangte Vorhabensbericht der Oberstaatsanwaltschaft Wien, von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen LStA HR Dr. Schneider wegen §§ 15, 12, 302 StGB abzusehen, wurde von der für Einzelstrafsachen zuständigen Fachabteilung zustimmend zur Kenntnis genommen. Vor Übermittlung des entsprechenden Erlasses an die Oberstaatsanwaltschaft Wien wurde das Kabinett meiner Amtsvorgängerin informiert. Danach wurde die für die Prüfung dienstaufsichtsbehördlicher Maßnahmen zuständige Fachabteilung befasst.

Zu 2:

Nach den Ergebnissen des bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien geführten Dienstrechtsverfahrens ist davon auszugehen, dass ein Kuvert mit der Strafverfügung, einem von HR Dr. Schneider konzipierten Einspruch und seiner Visitenkarte durch einen Boten übermittelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt dürften bereits Erhebungen gegen General Mag. Horngacher im Gange gewesen sein. Dies war HR Dr. Schneider offenbar nicht bekannt.

Zu 3:

Die Beurteilung der fachlichen Fähigkeiten von General Mag. Horngacher fällt nicht in meinen Aufgabenbereich.

Zu 4:

Falls hier die im Rahmen des Dienstrechtsverfahrens durchgeführte Vernehmung von HR Dr. Schneider gemeint ist, wurde diese vom Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien unter Beiziehung eines Mitarbeiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien als Schriftführer vorgenommen.

Zu 5 bis 9:

Angesichts des anhängigen Dienstrechtsverfahrens gegen einen Behördenleiter wurde von der Oberstaatsanwaltschaft Wien als unmittelbar zuständige Dienstbehörde auch die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens von HR Dr. Schneider gemäß § 32 Abs. 2 StPO selbst vorgenommen und ein Vorhabensbericht an das Bundesministerium für Justiz erstattet. Ferner veranlasste die Oberstaatsanwaltschaft Wien Ermittlungen durch das Büro für Interne Angelegenheiten.

Aufgrund der im Vorhabensbericht enthaltenen und von der zuständigen Fachabteilung als zutreffend erachteten Ausführungen stellte sich die Frage einer „Abtretung“ an einen anderen Gerichtsort nicht mehr.

Aufgrund der Erhebungen gelangte die Dienstbehörde (I. und II. Instanz) zum Ergebnis, dass HR Dr. Schneider zwar nicht in disziplinarrechtlich relevanter Weise gegen Dienstpflichten verstoßen habe, dienstaufsichtsbehördlich aber sein Verhalten auch nicht als einwandfrei zu beurteilen war. Wenngleich im Hinblick auf das schon derzeit enge Kooperationsverhältnis zwischen Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden eine klare Abgrenzung zwischen den beteiligten Organen in über konkrete Fälle hinausgehenden Fachfragen mitunter schwierig ist, erschien es mit Rücksicht auf die Funktion des HR Dr. Schneider als Leiter der größten Staatsanwaltschaft im Bundesgebiet und das damit verbundene Dienstansehen nicht vereinbar, über den rein dienstlichen Bezug hinaus einen hochrangigen Polizeioffizier mit einer die Privatsphäre betreffenden Strafverfügung zu befassen. Die sich aus den konkreten Umständen ergebende Optik war – wie HR Dr. Schneider auch selbst einräumte – jedenfalls ungünstig und wurde zum Anlass genommen, dem Leiter der Staatsanwaltschaft Wien eine förmliche Ermahnung im Sinn des § 109 Abs. 2 BDG 1979 zu erteilen. Diese Ermahnung wurde HR Dr. Schneider zu eigenen Handen zugestellt. Sie darf nur dann nach Ablauf von drei Jahren ab der Mitteilung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen, wenn der Beamte in diesem Zeitraum keine weitere Dienstpflichtverletzung begangen hat.

Der bezughabende Erlass des Bundesministeriums für Justiz lautete wie folgt (vollständiges Zitat):

„Das Bundesministerium für Justiz teilt zum Bericht vom 25. August 2006 mit, dass nach eingehender Prüfung des Sachverhaltes kein Anlass für eine Disziplinaranzeige gegen den Leiter der Staatsanwaltschaft Wien HR Dr. Otto Schneider im Zusammenhang mit der Übermittlung eines Einspruches in einem Verwaltungsstrafverfahren an den Polizeikommandanten von Wien General Mag. Horngacher gefunden wurde.

Aus dienstaufsichtsbehördlicher Sicht erscheint es allerdings unter Bedachtnahme auf die Funktion als Leiter einer staatsanwaltschaftlichen Behörde und das damit verbundene Standesansehen nicht vertretbar, dass HR Dr. Schneider keine klare Trennung zwischen einem dienstlichen Kontakt mit Mag. Horngacher und einer seine Privatsphäre betreffenden Angelegenheit vornahm, seinen Einspruch gegen die Strafverfügung durch einen Boten der Polizei abholen ließ und durch Anschluss (oder Kopie) seiner Visitenkarte auf die hervorgehobene Stellung als Behördenleiter hinwies. Damit könnte - wie Dr. Schneider selbst einräumte - auch bei unbefangener Betrachtung der Eindruck entstehen, dass mit der Übermittlung des Einspruches an den Polizeikommandanten die Erwartung einer inhaltlichen Einflussnahme auf die Erledigung verbunden war.

Es wird daher ersucht, LStA HR Dr. Schneider im Sinn des § 109 Abs. 2 BDG 1979 nachdrücklich und nachweislich darauf hinzuweisen, dass seine Funktion als Behördenleiter eine deutliche Abgrenzung privater von dienstlichen Angelegenheiten sowie Äquidistanz zu den Leitern oder Funktionsträgern anderer Behörden erfordert.“

Zu 10 bis 13:

Ja. Der in der Anfrage relevierte Sachverhalt wurde – wie bereits dargestellt - einer sorgfältigen strafrechtlichen und dienstaufsichtsbehördlichen Prüfung unterzogen, sodass einer neuerlichen Überprüfung grundsätzlich nicht näher getreten wird.

Nach Abschluss dieser Prüfung wurde eine Strafanzeige gegen HR Dr. Schneider bei der Staatsanwaltschaft Graz erstattet. Diese Anzeige ist der zuständigen Staatsanwaltschaft Wien abzutreten und von dieser zu erledigen. Um auch nur den Anschein einer Befangenheit zu vermeiden, wurde ein Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft Graz gemäß § 39 BDG 1979 der Oberstaatsanwaltschaft Wien zur revisionsfreien Bearbeitung dieser Anzeige dienstzugeteilt.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf § 28 StPO in der Fassung des am 1. Jänner 2008 in Kraft tretenden Strafprozessreformgesetzes, BGBl I 19/2004, wonach  die Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof von Amts wegen oder auf Antrag aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen eine Strafsache der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und einer anderen Staatsanwaltschaft, welche einer anderen Oberstaatsanwaltschaft untersteht, übertragen kann, wobei ein solcher wichtiger Grund auch dann vorliegt, wenn das Verfahren erster Instanz gegen ein Organ derselben Staatsanwaltschaft oder gegen einen Richter eines Gerichts, in dessen Sprengel die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, oder gegen ein Organ der Sicherheitsbehörde oder Sicherheitsdienststelle im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft zu führen ist.

. Dezember 2007

(Dr. Maria Berger)