1752/AB XXIII. GP
Eingelangt am 21.12.2007
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Weinzinger, Freundinnen und Freunde haben am 25. Oktober 2007 unter der Nr.1692/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „§115 Fremdenpolizeigesetz “ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Fragen 1 bis 11:
Der 2. und 3. Satz des § 115 Abs 1 FPG wird mit „jedenfalls“ bzw. „gleiches gilt“ eingeleitet und normiert einen Rechtfertigungsgrund für Rechtsanwälte und andere in die Verteidigerliste eingetragene Personen im Rahmen ihrer Berufspflichten. Dies stellt eine demonstrative Aufzählung für straflose Verhalten dar und dient sohin der notwendigen Flexibilität um weitere – an sich den objektiven Tatbestand des Abs. 1 erfüllende – Personen von der Strafbarkeit auszunehmen. Dies ist insbesondere in Zusammenschau mit den Materialien zum § 115 Abs. 1 FPG von Bedeutung. Dort werden humanitäre Zuwendungen an einen Fremden und Rechtshilfe explizit als nicht rechtswidrig angeführt. § 115 Abs 1 ist daher so zu lesen, dass humanitäre Zuwendungen an einen Fremden und Rechtshilfe – insbesondere Tätigkeiten von Rechtsanwälten und andere in die Verteidigerliste eingetragene Personen im Rahmen ihrer Berufspflichten – straflos bleiben sollen. Unter Beachtung der erläuternden Bemerkungen ergibt sich daher für die Straflosigkeit ein klar erweiterter Anwendungsbereich. In den EB wird weiters der Begriff des „Hintanhaltens“ näher erläutert und klar gegenüber einem „Erschweren“ abgegrenzt. „Im Gegensatz zu Erschweren ist Hintanhalten eine zumindest über längere Zeit anhaltende Vereitelung.“ Dadurch wird der Anwendungsbereich der Norm weiter erläutert. Insbesondere kann jemandem, der bei der Inanspruchnahme von Rechtsschutz gegen behördliche Entscheidungen und damit der Ausübung eines Rechtes des Fremden Hilfe leistet, bereits von Vorneherein keinesfalls dieser Vorsatz unterstellt werden.
Dies entspricht auch der Begründung des Verfassungsgerichtshofes im Zurückweisungsbeschluss zu einer Anfechtung des § 115 Abs 1. gem. Art 140 B-VG vom Jänner 2006. Mit Beschluss vom Juni 2006 hat der VfGH den Antrag zurückgewiesen, da bereits der zur Antragslegitimierung erforderliche unmittelbare Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers verneint wurde. Der VfGH stellt in seinem Beschluss klar fest, dass jemandem, der insbesondere bei der Inanspruchnahme von Rechtsschutz gegen behördliche Entscheidungen und damit der Ausübung eines Rechtes des Fremden Hilfe leistet, bereits von Vorneherein keinesfalls der Vorsatz unterstellt werden kann, aufenthaltsbeendende Maßnahmen hintanzuhalten. Aber auch humanitäre Hilfe jeder Art, die nicht von diesem Vorsatz begleitet ist, ist nicht tatbestandsmäßig.
Daraus ist klar ersichtlich, dass hinsichtlich humanitärer Zuwendungen (sei es von einer karitativen Organisation oder von anderer Seite) grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass diese nicht verfahrensbehindernde Ziele verfolgen, sondern vom Gedanken getragen sind, den Zugang zum Rechtsschutz entsprechend zu erleichtern, sodass in dieser Konstellation die Rechtswidrigkeit des Deliktes wohl kaum gegeben sein wird.
Gleiches gilt auch für sonstige Fälle humanitärer Hilfe durch karitative Organisationen (Betreuung, Hilfe bei medizinischer Versorgung, Kleidung, Schlafgelegenheit, Ernährung etc.), soweit und solange eben der humanitäre Aspekt im Vordergrund steht und diese daher ausschließlich als „humanitäre Zuwendungen“ zu qualifizieren sind.
Die Frage, ob bei unentgeltlicher Zurverfügungstellung eines Schlafplatzes der Tatbestand des § 115 FPG erfüllt ist, kann, da es eben auf die Intention ankommt, demnach nicht generell beantwortet werden, sondern hat jeweils anhand des konkreten Einzelfalles zu erfolgen. Handelt es sich um eine rein humanitäre Maßnahme, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Soll der Fremde allerdings versteckt (dh. dauerhaft dem Zugriff der Behörde entzogen) werden, ist der Tatbestand des § 115 FPG verwirklicht.
Unabdingbare Voraussetzung für einen geordneten Vollzug des österreichischen Fremdenwesens ist die Gewährleistung eines funktionierenden dh. effizienten fremdenpolizeilichen Tätigwerdens durch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen. Mit § 115 war im Gesetzwerdungsprozess intendiert, das Untertauchen von Fremden zu verhindern, gegen die Verfahren zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen laufen oder die abgeschoben werden sollen. Die in diesem Zusammenhang erlassenen Strafbestimmungen leisten dazu einen wichtigen Beitrag und sind innerhalb der Gesamtsystematik unverzichtbar. Dieser Wille wurde auch durch eine breite parlamentarische Mehrheit zum Ausdruck gebracht.
Auch durch europarechtliche Vorgaben ist Österreich verpflichtet, illegale Einwanderung innerhalb der EU zu bekämpfen. Dazu zählt auch, wirksame und abschreckende Maßnahmen zu erlassen, die darauf abzielen, illegalen Aufenthalt in der EU zu verhindern (BeihilfeRL, Beihilferahmenbeschluss).
Weiters wird auf das Zusatzprotokoll gegen die Schlepperei von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinigten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität verwiesen. Dieses sieht unter anderem sinngemäß vor, dass die Vertragsstaaten geeignete Straftatbestände gegen eine vorsätzliche und zur Erlangung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils begangene Beihilfe zum unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden schaffen müssen. Diese Bestimmung ist im § 115 Abs 1 FPG inhaltlich korrekt umgesetzt.
Die Bestimmung des § 299 Abs. 3 StGB bezieht sich auf den Angehörigen eines Straftäters (Begünstigung) und kann daher nicht auf den Angehörigen eines Illegalen angewendet werden.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die gerichtlichen Straftatbestände des FPG seinerzeit mit dem Bundesministerium für Justiz akkordiert wurden.