1948/AB XXIII. GP

Eingelangt am 07.01.2008
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                     Wien, am       Jänner 2008

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0117-I/4/2007

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1757/J vom 7. November 2007 der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen, be­treffend „Banken: Verkauf von (nicht) `notleidenden Krediten`“, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Einleitend weise ich darauf hin, dass die vorliegende Anfrage in wesentlichen Teilen Angelegenheiten anspricht, welche der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz zuzuordnen sind. Ich ersuche daher um Verständnis, dass mir nur eine Beantwortung jener Fragestellungen möglich ist, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen bzw. der Aufsichtstätigkeit der Finanzmarktaufsicht fallen.

 

Zu 1. und 2.:

Der geschilderte Sachverhalt ist dem Bundesministerium für Finanzen grundsätzlich bekannt.

 

Der Verkauf bzw. die Abtretung von Forderungen aus Kreditverträgen ist nach österreichischem Recht zulässig. Die entsprechende Rechtsgrundlage findet sich in § 1396a ABGB und ist dem Rechtsgebiet des Zivilrechtes zuzuordnen. Demgemäß müssten Zessionsverbote im Einzelnen ausgehandelt werden: das heißt, eine Abtretung ist grundsätzlich zulässig. Hinsichtlich ergänzender Auskünfte zu dieser Rechtsgrundlage weise ich jedoch darauf hin, dass die Zuständigkeit in zivilrechtlichen Angelegenheiten nicht beim Bundesministerium für Finanzen, sondern beim Bundesministerium für Justiz liegt.

 

Der gewerbliche Ankauf von Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen ist gemäß § 1 Abs. 1 Z  16 Bankwesengesetz (BWG) ein konzessionspflichtiges Bankgeschäft (Factoringgeschäft). Die Tätigkeit solcher Kreditinstitute wird von der Finanzmarktaufsicht beaufsichtigt, jedoch umfasst die Aufsicht keine zivilrechtlichen Aspekte oder Genehmigungen von Einzelgeschäften.

 

Regelmäßig nicht unter das Factoringgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 16 BWG fallen die Tätigkeiten der Special Purpose Vehicles (SPVs), worunter das BWG die in § 2 Z 60 ff BWG geregelten Verbriefungsspezialgesellschaften im Rahmen von Asset-Backed Securities Transaktionen versteht. Dies ist neben dem konzessionspflichtigen Factoringgeschäft die zweite Möglichkeit, wie derartige Forderungen angekauft werden können.

 

Liegt eine solche Verbriefungsspezialgesellschaft vor, deren ausschließliche Geschäftstätigkeit in der Ausgabe von Schuldverschreibungen, in der Aufnahme von Krediten, […] besteht, um Forderungen gemäss § 22 Abs. 2 BWG eines Originators zu erwerben oder die mit solchen Forderungen verbundenen Risiken zu übernehmen, stellt die Geschäftstätigkeit dieser Gesellschaft kein Bankgeschäft dar. Die Qualifizierung von SPV-Tätigkeiten als Nicht-Bankgeschäft ist EU-rechtlich vorgegeben (Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten der Kreditinstitute).

 

Zur Frage einer Zustimmungs- und Informationspflicht von Kreditnehmern wird auf die eingangs genannte zivilrechtliche Rechtsgrundlage gemäß § 1396a ABGB und somit auf die diesbezügliche Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz verwiesen.

 

Zu 3.:

Es gibt weder eine Anzeige- noch eine Bewilligungspflicht für derartige Geschäfte. Es bestehen daher seitens der Finanzmarktaufsicht im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit keine diesbezüglichen Wahrnehmungen. Jedes Kreditinstitut mit der entsprechenden Konzession ist dazu befugt, derartige Geschäfte abzuwickeln. In diesem Sinn ist eine Beantwortung der vorliegenden Fragestellung nicht möglich.

 

Es darf allerdings exemplarisch auf die im Jahr 2007 medial bekannte – geplante - Transaktion der Bank Austria Creditanstalt AG verwiesen werden, die rd. 1 Mrd. Euro an speziellem Kreditgeschäft aus ihren Büchern verkauft.

Zu 4.:

Wie mir von der Finanzmarktaufsicht mitgeteilt wurde, sind dieser im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit mangels Zuständigkeit keine derartigen Fälle bekannt.

 

Zu 5.:

Die hier angesprochenen Fragen umfassen ausschließlich zivilrechtliche Fragestellungen, welche der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz zuzuordnen sind. Im Übrigen verweise ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zu 1. und 2.

 

Zu 6. und 7.:

Dem Bundesministerium für Finanzen sind keine diesbezüglichen Zahlen bekannt, da keine diesbezügliche Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen oder der Finanzmarktaufsicht besteht.

 

Zu 8.:

Eine diesbezügliche oberstgerichtliche Rechtsprechung wäre zuständigkeitshalber beim Bundesministerium für Justiz zu erfragen.

 

Zu 9.:

Hinsichtlich allfälliger datenschutzrechtlicher Problemstellungen verweise ich darauf, dass die Zuständigkeit in Datenschutzangelegenheiten beim Bundeskanzleramt liegt.

 

Im Hinblick auf das Bankgeheimnis besteht die Möglichkeit vertraglicher Vereinbarungen zwischen Bank und Kreditnehmer gemäß § 38 Abs. 2 Z 5 BWG. Es ist seit einigen Jahren auch gängige Praxis der Banken, die mit der Abtretung verbundene Durchbrechung des Bankgeheimnisses vertraglich zu vereinbaren. Wie mir meine Experten versichern, sind dem Bundesministerium für Finanzen keine Fälle von Verletzungen des § 38 BWG im Zusammenhang mit Forderungsverkäufen bekannt geworden.

 

Im Falle von Forderungsverkäufen an andere Kreditinstitute hat das übernehmende Institut das Bankgeheimnis in gleicher Weise zu wahren wie das übertragende. Im Fall der Abtretung an Verbriefungsspezialgesellschaften (SPVs) gilt § 2 Z 60 BWG. Demnach hat das SPV das Bankgeheimnis in gleicher Weise zu wahren wie das ursprünglich kreditgewährende Institut. Es ist auch festzuhalten, dass die Verwaltung des Forderungsbestandes eines SPV aus praktischen Gründen ohnedies durch ein Kreditinstitut erfolgt. Häufig ist dies das ursprünglich kreditgewährende Institut selbst. In diesen Fällen hat daher der juristische Gläubigerwechsel keine praktischen Auswirkungen auf die Kundenbeziehung.

 

Zu 10.:

Eine Beaufsichtigung zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte als solche findet nicht statt. Die Tätigkeit der Kreditinstitute wird von der Finanzmarktaufsicht dahingehend beaufsichtigt, ob sie im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Vorschriften, insbesondere des BWG, erfolgt. Eine Bewilligung einzelner Rechtsgeschäfte ist damit nicht verbunden.

 

Zu 11.:

Grundsätzlich bestehen gegen Kreditverkäufe keine volkswirtschaftlichen Bedenken: Banken stärken mit den Erlösen aus Kreditverkauf ihre Eigenkapitalrelation und das Kreditausfallrisiko wird auf andere Institutionen/Investoren aufgeteilt. Mit dem Verkauf von Krediten machen die Banken Eigenkapital, das sie sonst für die Abdeckung des Kreditrisikos reservieren müssten, für neues Geschäft frei.

 

Auch für den Käufer von Krediten können sich Vorteile ergeben: wer viele unterschiedliche Kredite auf einmal erwirbt, kann einen Portfolio-Effekt erzielen. Dass heißt, es wird das größere Risiko eines Kredites mit dem geringeren Risiko eines anderen Kredites ausgeglichen. Dadurch kann es zu einer besseren Risikodiversifikation in der Gesamtwirtschaft kommen.

 

Neben Kreditverkäufen können Banken auch über sogenannte Kreditverbriefungen ihr Kreditrisikomanagement verbessern. So können Banken einerseits einen Teil ihrer vorhandenen Buchkredite in einem Portfolio zusammenstellen und dieses - mitsamt dem anhaftenden Kreditrisiko - im Wege der Verbriefung an den Kapitalmarkt weiterleiten. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, das Kreditrisiko durch den Einsatz von Kreditderivaten, d.h. außerbilanziellen, bedingten oder unbedingten Termingeschäften, deren Auszahlung von dem Kreditrisiko eines Referenzwerts abhängt, von dem betreffenden Kredit zu separieren und an einen Sicherungsgeber zu verkaufen. Eine Kreditverbriefung ermöglicht aktives Risikomanagement und eine bessere Risikostreuung. Andererseits können Bündelungen und Tranchierungen von Krediten die Transparenz des Risikoprofils einzelner Positionen einschränken. Wenn sich die Korrelationen verschiedener Risikopositionen aber anders als erwartet entwickeln, kann es zu hohen und unerwarteten Verlusten kommen.

 

Die volkswirtschaftliche Beurteilung von Kreditverkäufen ist nach den jüngsten Finanzmarktturbulenzen aber nicht nur positiv zu sehen, da offenbar der Markt das Risikoprofil einzelner Investoren/Produkte nicht immer exakt beurteilen konnte und es zu einer Verstärkung der Unsicherheit – mit ungünstigen Effekten auf die Liquiditätssituation auf den Märkten – kam.

 

Die Vertreter im ECOFIN-Rat haben daher die Experten in der Europäischen Union ersucht, den Gründen für die aktuellen Turbulenzen nachzugehen und im Laufe des Jahres 2008 zu berichten.

 

 

Mit freundlichen Grüßen