1982/AB XXIII. GP
Eingelangt am 09.01.2008
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BM für Wissenschaft und Forschung
Anfragebeantwortung

GZ: BMWF-10.000/0220-C/FV/2007
Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien
Wien, 9. Jänner 2008
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1943/J-NR/2007 betreffend Versuche an wild lebenden Tieren und an Tieren gefährdeter Arten, die die Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen am 9. November 2007 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
Zu Fragen 1 bis 7:
Im Zuständigkeitsbereich des nunmehrigen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung wurden in den Jahren 2003 bis 2007 insgesamt neun Tierversuche mit wild lebenden Tieren bzw. mit Tieren gefährdeter Arten genehmigt.
Bei den folgenden drei Projekten war das Ziel die Auswertung der Auswirkung von fluss-baulichen Maßnahmen insbesondere im Hinblick auf die Habitatnutzung durch Fische:
1. Titel: „Fischwanderung und Konnektivität im Donau-System“
Art und Anzahl der Tiere: 92 Fische (wild lebende Tierarten)
Bei diesem inzwischen abgeschlossenen Projekt wurden insgesamt 92 wild lebenden Fischen Telemetriesender implantiert, um ihre Wanderbewegungen verfolgen zu können. Fische bzw. deren Wanderbewegungen können, im Unterschied zu an Land lebenden Tieren, aufgrund ihrer Lebensweise unter Wasser nicht optisch verfolgt werden. Zur Beobachtung von Fischwanderungen steht mit der Radiotelemetrie eine Methode zur Verfügung, Wanderungen kontinuierlich zu verfolgen und zu dokumentieren. Alle Versuchsfische wurden nach der Senderapplikation sofort wieder freigelassen, keines der Tiere wurde getötet oder ist unbeabsichtigt verstorben.
Die Ergebnisse des Projekts wurden national und international einem breiten Fachpublikum präsentiert. Die Erkenntnisse der Studie werden laufend in verschiedenste gewässer-ökologische Projekte und Planungsprozesse integriert (z.B. EU-LIFE Natur-Projekt „Vernetzung Donau – Ybbs“, EU-LIFE Natur-Projekt „Wachau“).
Internationale Publikationen:
Unfer, G., C. Frangez & S. Schmutz (2003): Seasonal Migration Patterns of Nase and Barbel in the Danube and its Tributaries. In: Proceedings: Fifth Conference on Fish Telemetry held in Europe, 09.-13. Juni 2003, Ustica, Italy, 1, 83.
Bauer, C., Unfer, G., Loupal, G. (2005): Potential problems with external trailing antennae: antenna migration and ingrowth of epithelial tissue, a case study from a recaptured Chondrostoma nasus. Journal of Fish Biology, 67, 3, 885-889; ISSN 0022-1112.
Wiesner C., Jungwirth M., Schmutz S., Unfer G., Zitek A. (2006): Importance of Connectivity in the Danube River Catchment. In: DWA-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V.: Internationales DWA-Symposium zur Wasserwirtschaft - Durchgängigkeit von Gewässern für die aquatische Fauna, 03.-07. April 2006, Berlin, DWA-Themen, 142-150; ISBN-10:3-939057-19.
2. Titel: „Fischmigrationen im frei fließenden Abschnitt der Donau östlich von Wien“
Art und Anzahl der Tiere: 1.200 Fische (wild lebende Tierarten)
Das Projekt ist abgeschlossen. Bei diesem Projekt sollte insbesondere die Nutzungsintensität der Flusshabitate durch Laichpopulationen erfasst werden. Ergänzend zur Fang-Wiederfang-Methode und zu hydroakustischen Untersuchungen wurden wild lebenden Fischen [Nasen (Chondrostoma nasus), Nerflingen (Leuciscus idus) und Barben (Barbus barbus)] Transponder-Chips implantiert, um individuelle Raum-Zeit-Mosaike der rheophilen Fischarten, Wiederaufsuchen der selben Laichplätze etc. zu erstellen. Alle Versuchsfische wurden nach der Transponderapplikation sofort wieder freigelassen, keines der Tiere wurde getötet.
3. Titel: „Life-Natur-Projekt – Vernetzung Donau-Ybbs“
Art und Anzahl der Tiere: 100 Fische (wild lebende Tierarten)
Das Projekt wurde erst im November 2007 begonnen, Ergebnisse liegen naturgemäß noch nicht vor. Insgesamt sollen 100 wild lebenden Fischen [50 Nasen (Chondrostoma nasus), 25 Huchen (Hucho hucho) und 25 Welsen (Silurus glanis)] Telemetriesender implantiert werden, um die Wanderbewegungen verfolgen zu können. Die Untersuchungen lassen jedenfalls wesentliche neue Erkenntnisse zum Wanderverhalten wichtiger Donauarten erwarten, über das bisher kaum Wissen verfügbar ist. Ein Wissen, das eine unentbehrliche Grundlage zum effizienten Schutz vieler stark gefährdeter Fischarten bildet. Fische sind ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems der Donau. Zur Verbesserung des ökologischen Zustands von Fließgewässern bestehen durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie gesetzliche Verpflichtungen. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus diesem Projekt sollen unter anderem direkt in die Planung und Ausführung weiterer Fischwanderhilfen einfließen und dazu beitragen, dass in der österreichischen Donau zukünftig wieder nennenswerte Fischwanderungen stattfinden. Nachdem die Fische gefangen wurden, werden die Telemetriesender unter Vollnarkose implantiert. Selbstverständlich werden alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, die Versuchsfische schonend zu behandeln und bestmöglich zu versorgen. Alle Versuchsfische werden nach der Senderapplikation sofort wieder freigelassen, keine Tiere werden getötet.
Bei weiteren drei Projekten war das Ziel das Erheben von Basisdaten an nachgezogenen, gesunden Landschildkröten für die Optimierung der Haltungsbedingungen bzw. der veterinär-medizinischen Betreuung dieser gefährdeten Tierart:
4. Titel: „Computertomografie bei Landschildkröten“
Art und Anzahl der Tiere: 29 Schildkröten (gefährdete Tierart)
Die Zahl der nachgezogenen Landschildkröten steigt stetig an. Da aber die Haltungs-bedingungen leider meist unzureichend sind, erkranken die Landschildkröten und landen beim Tierarzt. Hierbei spielen vor allem Nierenerkrankungen eine gewichtige Rolle. Aufgrund des knöchernen Panzers dieser Reptilien ist eine klinische Untersuchung nur beschränkt möglich. Viele Krankheiten sind daher nur mit weiterführenden Untersuchungen wie bildgebenden diagnostischen Verfahren wie Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen diagnostizierbar. Vor allem die Computertomografie liefert bei Schildkröten, wenn auch erst relativ selten beschrieben, sehr aussagekräftige Informationen für eine Krankheitsdiagnose.
Das abgeschlossene Projekt beschäftigte sich mit der Darstellung der Abdominalorgane, vor allem aber mit der Darstellung des so häufig bei Landschildkröten erkrankten Urogenitaltraktes und dessen Gefäßversorgung. Hierzu ist keine Narkose notwendig, da Schildkröten mittels Klebebändern, die die Extremitäten in physiologischer Stellung im Panzer fixieren, unbeweglich gemacht werden können. Diese Fixationsmethode ist weder unnatürlich – Schildkröten ziehen sich auch natürlicherweise in ihren Panzer zurück – noch ist sie schmerzhaft.
Zur besseren Differenzierung der Organe und um Art und Grad der Anreicherung bestimmen zu können, wurde jodhältiges Kontrastmittel in die Vena jugularis dextra („Halsvene“) injiziert. Unmittelbar anschließend daran wurden die computertomografischen Bilder aufgenommen. Im Gegensatz zu Kölle et al. 2000 wurde nicht in die Vena coccygealis dorsalis („Schwanzvene“) injiziert, um die in jener Arbeit beschriebenen Komplikationen (Paresen der Hinterextremitäten) zu vermeiden. Die gesamte Untersuchung dauerte inklusive Kontrastmittelapplikation nur 5 bis max. 10 Minuten pro Tier. Die kurze Untersuchungsdauer wurde vor allem durch moderne Spiral-Computertomografen ermöglicht. Dieses Gerät erlaubt nicht nur einen beschleunigten Scanvorgang (Dauer für eine Schildkröte etwa 1,5 Minuten), sondern auch eine ausreichend dünne Schichtdicke der Aufnahmen. Diese Schichten können dann mittels spezieller Software in jeder beliebigen Raumrichtung oder als 3D-Modell rekonstruiert werden. Dies wiederum ermöglicht eine deutlich verbesserte Diagnostik. Mit diesen zusätzlichen Informationen sollte sowohl eine verbesserte Prognosestellung als auch ein „Staging“ häufiger Erkrankungen bei mediterranen Landschildkröten wie z.B. Gicht oder Leberverfettung gewährleistet werden.
Im Gegensatz zu der etablierten und anerkannten Methode der endoskopischen Bioptatentnahme unter Allgemeinanästhesie wäre die Computertomografie weniger invasiv und mit weniger Schmerzen und Risiko verbunden. Gleichzeitig erlaubt diese Untersuchungs-methode auch die Beurteilung anderer Organe im Scanbereich, sodass auch etwaige Veränderungen des Gastrointestinaltraktes diagnostiziert werden können. Dafür sind keine weiteren Aufnahmen nötig. Da es sich um eine artspezifische veterinärmedizinische Frage handelte, war sie nicht mit anderen Tierarten untersuchbar. Keines der Tiere wurde getötet oder ist unbeabsichtigt verstorben.
Literatur:
Gumpenberger M., Henninger W.: The use of computed tomography in avian and reptile medicine. Sem. Av . Ex. Pet. Med. (2001) 10,174-180.
Gumpenberger M., Hittmair K.: Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beim Urogenitaltrakt von Schildkröten. Verh. Ber. Erkrg. Zootiere (1997) 38, 77-85.
Hernandez-Divers SJ.: Endoscopic renal evaluation and biopsy of Chelonia. Vet. Rec. (2004) 154, 73-80.
Kölle P., Hoffmann R.: Zum Vorkommen von Nierenerkrankungen bei europäischen Landschildkröten. Tierärztl. Prax. (2002) 30(K), 347-355.
Kölle P., Reese S., Hoffmann R.: Urographie und Zystographie bei Landschildkröten. Tierärztl. Prax. 2000: 28(K), 339-344
5. Titel: „Evaluierung jahreszeitlicher und geschlechtsspezifischer Blutparameter bei griechi-schen Landschildkröten (Testudo graeca)“
Art und Anzahl der Tiere: 40 Schildkröten (gefährdete Tierart)
Die Untersuchungen sind inzwischen abgeschlossen und ergaben große jahreszeitliche und geschlechtsspezifische Unterschiede. Die gewonnenen Daten tragen zur Kenntnis der physiologischen Vorgänge bei Landschildkröten bei und sind für die Diagnostik am lebenden Tier von wichtiger Bedeutung. Es wurden keine Tiere getötet und es sind keine an den Folgen der Untersuchungen erkrankt oder verstorben. Die Untersuchungsergebnisse werden derzeit ausgewertet und sollen dann publiziert werden.
6. Titel: „Calciumbedarf der Schildkröte“
Art und Anzahl der Tiere: 40 Schildkröten (gefährdete Tierart)
In der Untersuchung wurden Fragen zum Calciumbedarf von Landschildkröten geklärt. Die griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) ist eine der am häufigsten in privaten Haushalten gehaltenen Schildkröten. Die häufigsten Gründe für Erkrankungen bei Schildkröten sind in Haltungs- und Fütterungsfehlern zu finden. Mit Hilfe von Blutparametern (Ca, P, Mg, ALP) wurde untersucht, ob einerseits die verfütterten Ca-Gehalte eine ausreichende Versorgung sichern. Aufgrund der speziesbedingten Unterschiede im Stoffwechsel können bei tierartspezi-fischen Fragestellungen Erkenntnisse, die von einer anderen Spezies gewonnen wurden, nicht unbedingt übertragen werden. Der Eingriff bestand in der Blutentnahme aus dem Plexus cervicalis dorsalis (5 Blutentnahmen in 30-tägigen Abständen, jeweils 1 ml). Es wurden keine Tiere zu Untersuchungszwecken getötet, vier Schildkröten verstarben im Untersuchungszeit-raum. Die pathologische Untersuchung ergab, dass möglicherweise der Ca-Gehalt in dieser Gruppe zu hoch war. Diese Gruppe wurde danach nicht mehr weitergeführt bzw. mit niedrigerem Ca-Gehalt im Futter weiter gefüttert. Das Ergebnis (inkl. Todesfälle) soll in der zugehörigen Dissertation beschrieben werden. Umsetzung konkreter Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Art: In der Untersuchung mit Landschildkröten geht es hauptsachlich darum, gesicherte Kenntnisse über die Bedürfnisse der Tiere an die Haltung (z.B. Luftfeuchtigkeit, UV-Strahlung, Temperatur) und an die Nahrung zu gewinnen, um entsprechende Empfehlungen geben zu können. Das Projekt ist abgeschlossen, die Ergebnisse werden im Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition publiziert werden.
Folgende weitere drei Projekte zu verschiedenen Fragestellungen wurden genehmigt:
7. Titel: „Vitamin A und E-Untersuchungen bei frei lebenden Greifvögeln“
Art und Anzahl der Tiere: 10 Vögel (8 Bartgeier und 2 Wespenbussarde, gefährdete Tierart)
Dieser Versuch wurde zwar bewilligt, aber nicht durchgeführt.
8. Titel: „Gefährdete Säuger in der Kulturlandschaft“
Art und Anzahl der Tiere: 240 Ziesel (gefährdete Tierart)
Bei diesem Projekt werden ökologische, verhaltensbiologische und genetische Anpassungen
der gefährdeten Tierart Ziesel untersucht. Um die spärlichen Kenntnisse über die Populations-genetik zu erweitern, sollen demographische Parameter (Geschlechterverhältnis, Altersstruktur) sowie Lebenszyklen einzelner Individuen verfolgt werden. Die Tiere werden – unter ständiger Beobachtung – mit Drahtkasten- oder Holzwipplebendfallen gefangen und umgehend in einen dunklen Hantierungssack entlassen. Dieser ähnelt einem Baueingang und die Tiere zeigen darin kaum Anzeichen von Unruhe. Zur Individualmarkierung werden einzelne Tiere mit Kennzeichnungschips (PIT-Tags) markiert, Gewebeproben zur genetischen Identi-fizierung (DNA-Gewinnung) und Kotproben zur nicht-invasiven Bestimmung von Stresshor-monen gesammelt. Alle Tiere werden nach maximal 5 Minuten wieder freigelassen. Es werden keine Tiere getötet, allerdings war im Zuge der Kartierungstätigkeit immer wieder festzustellen, dass Tiere durch den Individualverkehr zu Schaden kommen. Das Projekt ist derzeit noch nicht abgeschlossen, es sind aber schon jetzt große Unterschiede zwischen fünf genauer untersuchten Zieselpopulationen erkennbar, obwohl noch ein weiteres Untersuchungsjahr ausständig ist. Über die Zwischenergebnisse wurde in einem Zeitungsartikel berichtet (Der Standard, Wissenschaft: 21. August 2007). Jedenfalls scheinen Ziesel zumindest kurzfristig von menschlichem Einfluss gewissen Ausmaßes zu profitieren, sowohl was ihre individuelle Kondition als auch die Populationsdichte betrifft. Auch die genetischen Analysen sind noch nicht abgeschlossen. Durch die Zusammenarbeit mit Wissenschafter/innen aus dem Ausland war es aber bereits möglich, festzustellen, dass sich Zieselpopulationen aus Österreich, Ungarn und Rumänien genetisch relativ wenig unterscheiden. Dies dürfte einerseits auf das Ausbreitungs-muster seit der letzten Eiszeit zurückzuführen sein, andererseits auf die Spezialisierung auf eine strikt saisonale Lebensweise. Die genetische Variabilität ist beruhigender Weise dennoch so hoch, dass Inzucht bzw. deren nachteilige Effekte ausgeschlossen werden können.
Als konkrete Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Tierart, die als Ergebnis der bisherigen Untersuchungen umgesetzt wurden, sind anzuführen:
Das Areal der Radio Austria Gründe am Ostabhang des Laaer Bergs (1100 Wien) wurde zum Naturdenkmal erklärt, nachdem 2002 erhoben wurde, dass dort sowohl Ziesel und Hamster vorkommen. Dieser Befund war nur aufgrund der wissenschaftlichen Tätigkeit der Versuchsleiterin in vorangehenden Forschungsprojekten möglich. Durch das fortgesetzte Monitoring dieses Gebiets (inklusive Fang-Wiederfang, Markierung und Genetikproben) wird es möglich sein, die künftige Bestandsentwicklung im Auge zu behalten und durch die isolierte Lage bedingte Inzuchteffekte zu ermitteln. Das Netzwerk Natur plant die Schaffung, Verbesserung und Vernetzung von Ziesellebensräumen in Wien auf Basis der Befunde der Versuchsleiterin.
Im Rahmen des LIFE-Projekts Bisamberg Habitat Management (Distelverein) sind Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensraums des Ziesels in den Natura 2000-Gebieten Bisamberg in Niederösterreich und Wien vorgesehen. Diese basieren teils auf den bisherigen, teils auf künftigen Erhebungen.
Gemeinsam mit dem Verein der Freunde der Perchtoldsdorfer Heide wird der dortige Zieselbestand unter Beobachtung gehalten, um die Effizienz von Maßnahmen zu dessen Schutz und Erhaltung zu überprüfen.
9. Titel: „Reproduktionsstrategien weiblicher Feldhamster“
Art und Anzahl der Tiere: 40 Feldhamster (gefährdete Tierart)
Näheres dazu siehe Beantwortung der Fragen 10 bis 14.
Zu Frage 8:
Ja.
Zu Frage 9:
Die Genehmigung für 24 Feldhamster wurde am 3. Oktober 2007 und befristet bis 31. Oktober 2008 erteilt. Anträge auf Tierversuche sind zu genehmigen, wenn die Voraussetzungen des Tierversuchsgesetzes erfüllt sind.
Zu Fragen 10 bis 14:
Es ist zutreffend, dass Frau Prof. Millesi eine dreijährige Studie über Reproduktionsstrategien weiblicher Feldhamster durchgeführt und im Vorjahr abgeschlossen hat. Dabei handelte es sich um eine Fang-Wiederfang-Studie in Kombination mit Verhaltensbeobachtungen in den Grünflächen der Wohnanlage Kundratstraße 8-14 und im angrenzenden Gelände der AUVA. Selbstverständlich wurden vorher alle nötigen behördlichen Genehmigungen eingeholt. Es wurde während der gesamten Studie kein Tier aus dem Gebiet entfernt und weder absichtlich noch unabsichtlich verletzt oder gar getötet. Ein Kontrollorgan des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung hat vor Ort die Tätigkeit kontrolliert und konnte sich davon überzeugen, dass die Stressbelastung für die Tiere durch das Fangen sehr gering ist. Um die Zeit in der Falle so kurz wie möglich zu halten, waren diese ständig unter Beobachtung. Von der Falle konnten die Hamster in einen spitz zulaufenden Baumwollsack laufen, in dem sie gewogen sowie Geschlecht und Fortpflanzungszustand bestimmt wurden.
Die einzige invasive Tätigkeit war eine einmalige Markierung der Tiere mit Transponder-Chips (wie sie auch für Haustiere verwendet werden) und bei einigen ausgewählten Individuen eine gelegentliche Blutabnahme in sehr geringer Menge (ca. 100 µl) aus der Beinvene. Bei jedem Wiederfang wurden die Tiere auf ihren Gesundheitszustand überprüft. Alle Eingriffe wurden von fachkundig geschulten Personen bzw. von Tierärzt/innen durchgeführt. Die Tiere wurden außerdem auf Ektoparasiten untersucht, wenn möglich, wurde auch eine Kotprobe gesammelt. Nach etwa 5 bis 10 Minuten wurden die Hamster bei ihren Bauten freigelassen und waren meist kurze Zeit später wieder an der Oberfläche zu beobachten. Auch nach wiederholten Fängen einzelner Individuen war keinerlei Meidung der Fallen durch die Hamster festzustellen, was bei nachhaltiger Stresseinwirkung wohl zu erwarten gewesen wäre. Ebenso konnte kein Unterschied in Gewicht, Fortpflanzungserfolg, Nebennierenaktivität (gemessen an Cortisol-ausscheidung in Kotproben) oder Überlebensrate bei unseren Fokustieren und anderen weniger häufig gefangenen Tieren festgestellt werden. Es kann daher mit Sicherheit davon ausge-gangen werden, dass durch die Studie keines der Tiere geschädigt wurde.
Durch die Zusammenarbeit mit den Anrainer/innen über die Tätigkeit in der Anlage war es möglich, einige Verhaltungsänderungen der Anwohner/innen im Sinne der Feldhamster vor Ort zu bewirken. Die Auslegung von Rattenködern während der aktiven Saison der Feldhamster konnte verhindert werden. Ebenso war es möglich, die meisten Anrainer/innen zu überzeugen, dass das Füttern mit Speiseresten für die Hamster eher schädlich ist und eine rapide Zunahme der Rattenpopulation zur Folge hat. Kämpfe zwischen Ratten und Hamstern konnten in der Anfangsphase der Studie, mehrfach beobachtet werden. In den letzten beiden Jahren ist dieses Problem deutlich zurückgegangen. In mehreren Fällen wurden verletzte Tiere aus der Umgebung der Versuchsleiterin gemeldet oder gebracht, die nach tierärztlicher Behandlung wieder freigelassen werden konnten.
Weiters ist es gelungen, wichtige Erkenntnisse über Reproduktionserfolg, mütterliches Verhalten und die Auswirkungen von hohem Brutpflegeaufwand bei dieser Tierart zu gewinnen. Die Analyse von Cortisolmetaboliten aus Kotproben als Stressindikatoren erwies sich als erfolgreich. Diese inzwischen validierte, nicht-invasive Methode zur Untersuchung möglicher Stressfaktoren soll nun auch vom Internationalen Arbeitskreis Feldhamsterschutz in einigen Gebieten in Deutschland, Frankreich und Holland angewendet werden. Ebenso könnten damit Wiederan-siedlungsprojekte überprüft werden.
Beim Feldhamster ist kaum etwas über Winterschlafmuster bekannt. Da aber in vielen Populationen die Wintersterblichkeit sehr hoch ist und Feldhamster hier offenbar unter-schiedliche Strategien verfolgen, wird nach einer Möglichkeit gesucht, mehr über diesen Aspekt in Erfahrung zu bringen. Selbstverständlich werden auch bei dieser Fragestellung keine Hamster gefährdet oder ihnen Schaden zugefügt.
Im Zuge der Arbeit im Rahmen der Arbeitsgruppe zum Schutz des Feldhamsters sind eine Reihe von Aktivitäten bereits angelaufen. Bei der Gelegenheit ist darauf hinzuweisen, dass die Methodik des "Capture-Mark-Recapture", die in Favoriten eingesetzt wurde, im Zuge von Bestandsaufnahmen und Wiederansiedlungsprojekten als begleitendes Monitoring sogar verlangt wird, um den Erfolg der Projekte abschätzen zu können. Dies wäre wohl nicht der Fall, wenn dabei Tiere zu Schaden kommen würden.
Frau Prof. Millesi ist Mitherausgeberin des Bandes "The Common Hamster (Cricetus cricetus, L.1758): Current state and perspectives of an endangered species", der in der Reihe Biosystematics and Ecology Series demnächst erscheinen wird. Dies ist ein weiterer Schritt um die internationale Zusammenarbeit im Schutz des Feldhamsters zu verbessern.
In ihrer Stellungnahme zu der gegenständlichen Anfrage legt Frau Prof. Millesi Wert auf die Feststellung, dass sie seit etwa zehn Jahren keine Studien an wild lebenden Zieseln durchgeführt und auch keine entsprechenden Anträge eingereicht hat. Sie merkt auch generell an, dass ihr sowohl Ziesel, als auch Feldhamster als bedrohte Arten besonders am Herzen liegen und sie sich daher weiterhin bemühen wird, möglichst detaillierte Kenntnisse über ihre Lebensweise, mögliche Stressfaktoren z.B. durch anthropogene Einflüsse oder kritische Phasen im Jahreszyklus zu gewinnen. Sie hat auch Netzwerke in Europa zum Schutz der gefährdeten Arten mitgestaltet, die von Jahr zu Jahr wachsen. Verlässliche Daten über die Entwicklung der Bestände, die entsprechenden Habitatansprüche und konditionelle Aspekte werden dringend benötigt.
Der Bundesminister:
Dr. Johannes Hahn e.h.