1987/AB XXIII. GP

Eingelangt am 10.01.2008
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BM Für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

JOSEF PRÖLL

Bundesminister

 

 

 

 

An die                                                                                    Zl. LE.4.2.4/0130-I 3/2007

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 9. JÄN. 2008

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dr. Ruperta Lichtenecker,

            Kolleginnen und Kollegen vom 12. November 2007, Nr. 2025/J,

betreffend umstrittenes Kraftwerksprojekt an der Schwarzen Sulm

im Natura 2000 Gebiet

 

 

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen vom 12. November 2007, Nr. 2025/J, betreffend umstrittenes Kraftwerksprojekt an der Schwarzen Sulm im Natura 2000 Gebiet, teile ich Folgendes mit:

 

Zu Frage 1:

 

Der Oberlauf der Schwarzen Sulm wurde 1998 – in einem allgemeinen Konsens zwischen dem damaligen Landwirtschaftsminister, dem Umweltminister und dem WWF – im Buch der Flüsse als eine der 74 Flussstrecken von österreichweiter Bedeutung ausgewiesen, deren Erhalt als wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen von besonderer ökologischer Bedeutung ist.

 

Zu Frage 2:

 

Bei § 104a WRG 1959 handelt es sich um eine gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Ausnahmebestimmung. Für Ausnahmebestimmungen gilt der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz,

 

dass Auslegung und Anwendung im Hinblick auf die Erreichung gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Ziele nach Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft restriktiv zu handhaben ist, der selbstverständlich auch von den österreichischen Behörden berücksichtigt wird.

 

Demnach hat die Behörde aufgrund der gesetzlichen Vorgaben eine Interessensabwägung im Hinblick auf (mögliche) übergeordnete öffentlichen Interessen und insofern eine Nutzenbewertung anzustellen und verschiedene Nutzen gegeneinander abzuwägen.

 

Die Aussage, die Schwarze Sulm sei durch das Wasserrechtsgesetz nicht mit Sicherheit geschützt, ist also in dieser Form unrichtig. Der erstinstanzliche Bescheid ist noch nicht rechtskräftig ist und es findet derzeit aufgrund einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eine Neuprüfung des Projektes durch die oberste Wasserrechtsbehörde statt. Dies stellt den üblichen Vorgang in einem Verwaltungsverfahren dar. Die Berufungsbehörde kann den angefochtenen Bescheid sowohl zu Gunsten wie auch zu Ungunsten des Berufungswerbers abändern, sie ist nur insoweit in ihrer Entscheidungsbefugnis beschränkt, als die Änderung nicht zu einer Entscheidung führen darf, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Behörde erster Instanz war. Der Interpretationsspielraum, den § 104a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) zulässt, entspricht den Vorgaben des Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie).

 

Zu Frage 3:

 

Bislang wurden keine Richtlinien zur Vornahme der Interessenabwägung verfasst. Wie in der Beantwortung zu Frage 2 ausgeführt wurde, ist die Vornahme von Abwägungsentscheidungen im Wasserrechtsgesetz nicht neu.

 

Die Abwägungsentscheidung nach dieser Bestimmung ist insofern vorgezeichnet, als das Projekt einen Nutzen

·            für die menschliche Gesundheit,

·            die Sicherheit der Menschen und

·            die nachhaltige Entwicklung

bewirken muss. Dieser Nutzen muss den Nutzen aus der Verwirklichung der Gewässerschutzziele übertreffen, um eine Zustandsverschlechterung zu rechtfertigen.

 

Zu Frage 4:

 

Dass die Schwarze Sulm ein „ökologisch intaktes Fließgewässer“ ist, schlägt sich in der Bewertung des ökologischen Zustandes zumindest eines betroffenen Wasserkörpers als „sehr gut“ nieder. Aufgrund dieser - bist dato unwidersprochenen - Klassifizierung ist nun im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die zu erwartende Änderung/Verschlechterung des Oberflächenwasserkörpers von einem übergeordneten Interesse ist (§ 104a WRG 1959). Hierzu läuft noch das Ermittlungsverfahren und somit kann derzeit keine abschließende Auskunft erteilt werden.

 

Zu Frage 5:

 

Die Interessensabwägung im Fall des Wasserkraftwerksprojektes an der Schwarzen Sulm ist, wie bei der Beantwortung zu Frage 2 ausgeführt, nicht rechtskräftig, sodass davon jedenfalls keine Vorbildwirkung für andere Fälle derartiger Interessensabwägungen zu erwarten ist.

 

Der Bereich der Donau unterhalb von Wien bis nach Bratislava ist zwar vom energiewirtschaftlichen Potential höchst interessant, jedoch wurde bereits vor mehr als 10 Jahren in einem Staatsvertrag nach Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Wien und NÖ festgehalten, dass in diesem Donauabschnitt der „Nationalpark Donau-Auen“ errichtet und erhalten werden soll. Dieser kann nach internationalem IUCN-Standard – und dieser ist die Voraussetzung für die Kofinanzierung des Bundes und der Länder Wien und NÖ – nur dann betrieben werden, wenn dieser Abschnitt von der Wasserkraftnutzung freigehalten wird, wie es in entsprechenden Gutachten mehrfach festgehalten wurde.

 

Überdies weisen Wasserkraftprojekte in den seltensten Fällen eine derartige Ähnlichkeit auf, dass ein Ergebnis der Abwägung nach § 104a WRG 1959 ohne Weiteres auf andere Projekte übertragen werden könnte. Vielmehr hat in jedem Fall eine genaue gesonderte Beurteilung des jeweiligen Projektes zu erfolgen.


Zu den Fragen 6 und 7:

 

Aufgrund des noch laufenden Verfahrens bzw. ihrer hypothetischen Formulierung können diese Fragen nicht beantwortet werden. Abschließende Fachgutachten stehen noch aus. Es wird selbstverständlich eine gesetzeskonforme Überprüfung des ggst. Projektes gem. § 104a WRG 1959 stattfinden.

 

Zu Frage 8:

 

Sowohl der Bescheid der BH Deutschlandsberg, welcher eine Teilstrecke der Schwarzen Sulm zum Naturdenkmal erklärt als auch der naturschutzrechtliche Bescheid 1.Instanz sind noch nicht rechtskräftig. Das Steiermärkische Naturschutzgesetz und das Wasserrechtsgesetz sind zwei verschiedene Gesetzesmaterien mit unterschiedlichen Zielausrichtungen. Sollten diesen beiden Bescheiden jedoch Informationen entnommen werden können, die für die gewässerökologische Beurteilung dienlich sind, so werden diese entsprechend gewürdigt.

 

Zu Frage 9:

 

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist gerade dabei, im Zusammenhang mit dem „Masterplan Wasserkraft“ Kriterien zu entwickeln, die eine transparente Entscheidung ermöglichen, ob eine Wasserkraftnutzung aus gewässerökologischer Sicht sehr sensibel ist.

 

Zu Frage 10:

 

Der allfällige Bau eines Kraftwerkes in einer intakten Fließgewässerstrecke würde die weitere Entwicklung im Rahmen des „Masterplan Wasserkraft“ nicht präjudizieren, da für die Entwicklung des Masterplanes nicht nur ein Kriterium (intakte Fließgewässerstrecke) sondern eine Anzahl verschiedenster Kriterien zu berücksichtigen sein werden.

 

Zu Frage 11:

 

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft als Berufungsbehörde ist an das Berufungsvorbringen der Parteien gebunden. Die EU-Kommission stellt keine Verfahrenspartei in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren dar. Jedoch decken sich die Berufungsvorbringen der wasserwirtschaftlichen Planung mit dem Vorbringen der EU-Kommission in einigen Argumentationslinien und somit werden diese Punkte auch in der Berufungsentscheidung behandelt werden.

 

Zu Frage 12:

 

Die voraussichtliche Stromausbeute des Wasserkraftwerksprojektes ist einer von mehreren Aspekten, die bei der Gesamtbeurteilung nach § 104a WRG 1959 zu berücksichtigen sind und wird im Berufungsverfahren dementsprechend in die Abwägungsentscheidung der Berufungsbehörde mit einfließen.

 

Zu Frage 13:

 

Die Feststellung der Kommission bezieht sich auf das Projekt an der Schwarzen Sulm. Eine darüber hinausgehende Signalwirkung für andere ähnlich gelagerte Fälle kann aber nicht abgeleitet werden.

 

Zu Frage 14:

 

Die Europäische Kommission hat in dieser Angelegenheit ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2006/4414) gegen die Republik Österreich eröffnet. Das Mahnschreiben datiert vom 17. Oktober 2007. Die Europäische Kommission wirft der Republik Österreich darin einen Verstoß gegen den Artikel 6 der FFH-RL sowie gegen Art. 1a und Art. 4 der RL 2000/60/EG (WRRL) vor. Die Frist für die österreichische Stellungnahme ist der 21. Jänner 2008.

 

Der Bundesminister: