216/AB XXIII. GP

Eingelangt am 07.03.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0001-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 219/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Funktionieren und Finanzierung der Besuchsbegleitung“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Ich möchte vorausschicken, dass mir die Unterstützung von Kindern während und nach belastenden Scheidungssituationen ein besonderes Anliegen ist. In diesem Zusammenhang werden dem Nationalrat bereits im Sommer dieses Jahres Vorschläge für eine gesetzliche Grundlage für die Ausweitung und Konkretisierung des gegenwärtig laufenden Modellprojekts zur Unterstützung von Kindern in besonders schwierigen Obsorgestreitigkeiten unterbreitet werden.

Ein funktionierender Kontakt zwischen minderjährigen Kindern und den nicht betreuenden Elternteilen ist für ihre Entwicklung äußerst bedeutend. Nach dem § 111 AußStrG neu kann das Gericht eine vom Antragsteller namhaft zu machende geeignete und dazu bereite Person oder Stelle bei der Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr heranziehen. Bei der Besuchsbegleitung kann demnach etwa eine Vertrauensperson beider Eltern ebenso tätig werden wie Mitarbeiterinnen eines öffentlichen oder privaten Jugendwohlfahrtsträgers. Da ich weiß, dass Eltern in ihrem Trennungskonflikt oft nicht in der Lage sind, sich auf eine Person beiderseitigen Vertrauens zu einigen, begrüße ich es, dass Besuchsbegleitung auch institutionell angeboten und von öffentlicher Hand gefördert wird. Diese Aufgabe fällt aber nicht dem Justizressort zu.

Zu den einzelnen Fragen:

Zu 1, 10 und 15:

Mit Entschließung 41/E XXI des Nationalrates vom 22.11.2000 wurde der Bundesminister für Justiz ersucht, einen Bericht über die Auswirkungen der Neuregelungen des KindRÄG 2001 - insbesondere was die Akzeptanz der Obsorge- und Besuchsrechtsregelungen, die Wirkungen auf das Kindeswohl und die Form der Konfliktaustragung anlangt - vorzulegen. Das Bundesministerium für Justiz hat ein Forschungsprojekt durchführen lassen, das quantitative und qualitative Untersuchungen enthielt. Zum einen wurde eine bundesweite Befragung aller in einem Quartal (1.9.2004 bis 30.11.2004) geschiedenen Eltern mit minderjährigen Kindern sowie aller im Familienrecht tätigen Richterinnen und Richter und  von weiteren mit Scheidungs- und Obsorgestreitigkeiten befassten Berufsgruppen durchgeführt. Zum anderen wurden 30 Scheidungsfamilien sowie Familienrichterinnen und -richter in Tiefeninterviews persönlich eingehend befragt. Zusammengefasst haben nach der Studie (Ergebnis einer Befragung von FamilienrichterInnen im Jahr 2004) rund 60% der Richterinnen und Richter in bis zu 5 Fällen, ca. 15 % in mehr als 5 Fällen eine Besuchsbegleitung angeordnet, ungefähr 20% haben damit keine Erfahrung oder haben das Institut der Besuchsbegleitung in diesem Zeitraum nicht genutzt.

Auch die Frage der Bewährung der Besuchsbegleitung in der Praxis wurde untersucht. Hiezu lautet das Resümee im Forschungsbericht - unter Weglassung von Zitaten - wie folgt:

„Das Bild, das sich hier abzeichnet, hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Einschätzung der Mediation durch die Berufsgruppen. Die RichterInnen sind in der deutlichen Mehrzahl von dieser Möglichkeit überzeugt, gefolgt von den MitarbeiterInnen der Jugendwohlfahrt und (prozentmäßig) der Familienberatungsstellen; letztere haben zumeist die ‚teilsteils’ Kategorie gewählt. Bei den MediatorInnen findet sich eine gewisse Polarisierung und die RechtsanwältInnen sind die Gruppe, die am häufigsten Skepsis zum Ausdruck bringt - allerdings ist die positive Beurteilung doch mit fast 42% (‚sehr’ und ‚ziemlich’ zusammen gefasst) nicht so gering. Zur Besuchsbegleitung haben sich auch die Kinder- und Jugendanwaltschaften in ihren Stellungnahmen geäußert. Meist wurde von positiven Erfahrungen berichtet, am deutlichsten dort, wo ein Angebot an mobiler Besuchsbegleitung etabliert wurde; abwägend differenziert sind andere Stellungnahmen. Weitgehend einhellig sind aber auch die Klagen über das zu geringe und zeitlich restriktive Angebot, sowie über die unklare finanzielle Situation.“

Zu den von den Forschern in den Schlussfolgerungen der Evaluierung geäußerten Empfehlungen zählt auch die Ausweitung des Angebots der Besuchsbegleitung:

„In jenen Fällen, in denen aufgrund einer Kindeswohlgefährdung oder aus anderen Gründen die Fortführung der Beziehung des Kindes zu einem Elternteil nicht ohne weiteres möglich ist, stellt das Modell der „Besuchsbegleitung“ ein ganz wichtiges Instrument dar, das ebenso in quantitativer und qualitativer Weise auszubauen wäre. Dies wird auch von den befragten Berufsgruppen gefordert“.

Der Abschlussbericht der Forscher liegt seit Mai 2006 vor und wurde dem Nationalrat gemäß obiger Entschließung mit Schreiben meiner Amtsvorgängerin vom 9.5.2006 im Volltext übermittelt. Da die Tätigkeit der unabhängigen Gerichte in inhaltlicher Hinsicht auf diesem Gebiet nicht elektronisch erfasst wird, liegen keine statistischen Daten vor.

Zu 2 bis 9 und 11 bis 14:

Einrichtungen, die Besuchsbegleitung (etwa im Rahmen von Besuchscafes) organisieren und anbieten, wurden vom Bundesministerium für Justiz bislang nicht finanziell unterstützt, weil dem Bundesministerium für Justiz im Rahmen seiner gesetzlich normierten Zuständigkeit und des dadurch determinierten Budgets keine Mittel zur Verfügung stehen, um institutionelle Besuchsbegleitung finanziell unterstützen zu können. Nach meinem Wissensstand wird die Besuchsbegleitung im Bundesbereich vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Konsumentenschutz gefördert. Ob es darüber hinaus auch eine finanzielle Unterstützung von anderen Gebietskörperschaften gibt und welchen Anteil an der Finanzierung der Bund bzw. die Länder übernehmen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Anfrage zur Zahl 218/J-NR/2007 betreffend „Funktionieren und Finanzierung der Besuchsbegleitung“ durch den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz.

    5. März 2007

 

(Dr. Maria Berger)