217/AB XXIII. GP
Eingelangt am 07.03.2007
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0002-Pr 1/2007
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 221/J-NR/2007
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Ärzte und Pharmafirmen - Korruptionsverdacht in Österreich?“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 8:
Der zuständigen Fachabteilung meines Hauses sind im Zusammenhang mit den anfragegegenständlichen Sachverhalten keine durch Justizbehörden veranlassten sicherheitsbehördlichen Ermittlungen bekannt geworden. Auch für das Bundesministerium für Justiz bestand bisher mangels eines konkreten Verdachtes von in Österreich begangenen Straftaten kein Anlass, auf die Einleitung entsprechender Erhebungen hinzuwirken.
Der Rechtshilfeverkehr in Strafsachen findet im Verhältnis zu Deutschland auf Grundlage des Vertrags vom 31. Jänner 1972 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl 1977/36, und auf der Grundlage des EU-Rechtshilfeübereinkommens 2000, BGBl III Nr. 65/2005, grundsätzlich im unmittelbaren Weg zwischen den Justizbehörden statt. Nach den vorliegenden Informationen sowohl der inländischen Justizbehörden als auch der Staatsanwaltschaft München I und des hessischen Justizministeriums haben weder deutsche noch andere ausländische Behörden in Zusammenhang mit den genannten Verfahren Rechtshilfeersuchen an Österreich gestellt oder Österreich betreffende Informationen übermittelt.
Zu 9:
Das Führen von Statistiken zu polizeilichen Anzeigen fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Inneres (polizeiliche Kriminalstatistik).
Zu 10:
Das in der AB 2254/XXII.GP erwähnte, bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt anhängig gewesene Verfahren wegen § 10 UWG wurde am 21. Jänner 2003 gemäß § 90 Abs 1 StPO eingestellt. In den Jahren 2000 – 2006 wurden bei österreichischen Gerichten keine Strafverfahren nach § 10 UWG geführt.
Zu 11:
Die Strafbestimmung des (früheren) § 55 AMG wie auch die seit 2.1.2006 in Kraft stehenden Nachfolgebestimmungen der §§ 55a und 55b AMG normieren keine gerichtlich strafbaren Tatbestände, sondern gegenüber dem gerichtlichen Strafrecht subsidiäre Verwaltungsübertretungen.
Im Zeitraum 2000 – 2006 hat weder ein Zuwiderhandeln gegen die frühere Verbotsnorm des § 55 AMG zur Verkaufsförderung bei Arzneimittel (idF BGBl. Nr. 107/1994 bzw. I Nr 35/2004) noch ein Zuwiderhandeln gegen die seit dem 2.1.2006 in Kraft stehende Nachfolgebestimmungen des § 55a und § 55b AMG (idF BGBl. I Nr. 153/2005) ein gerichtlich strafbares Verhalten begründet. Ein nach diesen Bestimmungen verbotenes Verhalten war als Verwaltungsübertretung zu ahnden. Daten über die Anzahl der Anzeigen nach dieser Gesetzesstelle liegen mir daher nicht vor.
Zu 12:
Eine Befassung der Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzwerkes erfolgte im Zusammenhang mit den der Anfrage zugrundeliegenden Ermittlungsverfahren nicht.
Zu 13:
Nach dem Bericht des österreichischen Nationalen Mitglieds von EUROJUST sind die der Anfrage zugrundeliegenden Fälle dem deutschen Nationalen Mitglied von EUROJUST zwar bekannt, EUROJUST war jedoch nie in die Ermittlungen eingebunden.
Zu 14:
Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG, BGBl I Nr. 151/2005 sieht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen und von Personenhandelsgesellschaften für die in ihrem Einflussbereich begangenen Straftaten vor (§ 1 Abs. 2 VbVG). Dabei können nach § 1 Abs. 1 VbVG alle gerichtliche strafbare Handlungen und somit auch gerichtlich strafbare Korruptionsdelikte im Gesundheitsbereich die Verantwortlichkeit eines Verbandes auslösen.
Zu 15:
Im Jahr 2006 wurden keine gerichtlichen Verfahren nach dem am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Verbandsverantwortlichkeitsgesetz im Zusammenhang mit Korruption im Gesundheitswesen geführt.
Zu 16:
Dazu liegen mir keine Informationen vor.
Zu 17 bis 19:
Nachdem Österreich am 13. Oktober 2000 das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption (ETS Nr. 173) unterzeichnet hat, soll dieses nun zu Beginn der neuen Legislaturperiode ratifiziert werden. Seit 1. Dezember 2006 ist Österreich jedoch bereits Mitglied der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) und damit einem verpflichtenden mehrstufigen Evaluierungsverfahren zur Überprüfung der Einhaltung bzw. Umsetzung der Rechtsinstrumente des Europarates (Strafrechtsübereinkommen über Korruption (ETS Nr. 173), Zivilrechtsübereinkommen über Korruption (ETS Nr. 174) und „20 Leitprinzipien zur Bekämpfung von Korruption“ - Resolution (97)24 on the Twenty Guiding Principles for the Fight against Corruption) unterworfen, zumal mit der erfolgten Ratifizierung des Zivilrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption der Beitritt zur GRECO verbunden war. (Die Kundmachung des Zivilrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption (ETS Nr. 174) sowie des Abkommens über die Errichtung der Staatengruppe gegen Korruption – GRECO und der Entschließung (99)5 über die Einrichtung der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) samt Anhang erfolgte am 6. Oktober 2006 im BGBl. III Nr. 155/2006.)
Insbesondere in Beantwortung der Frage 18. darf auf die in Österreich übliche Praxis, internationale Übereinkommen zunächst umzusetzen und erst in der Folge einer Ratifizierung zuzuführen, hingewiesen werden, wobei jedoch im Falle des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (A/RES/58/4) ausnahmsweise der umgekehrte Weg beschritten wurde. Dieses Übereinkommen wurde von Österreich bereits vor seiner Umsetzung ratifiziert und am 13. März 2006 im BGBl. III Nr. 47/2006 kundgemacht.
Unter den in jüngster Zeit gesetzten legistischen Maßnahmen zur Umsetzung der die Korruption betreffenden internationalen Rechtsinstrumente ist besonders das mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Verbandsverantwortlichkeitsgesetz hervorzuheben, mit dem zahlreiche Rechtsakte der EU, aber auch völkerrechtliche Verpflichtungen erfüllt wurden (vgl. OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (BGBl III Nr. 176/1999), Übereinkommen des Europarates (ETS 172, 173 und 185), Empfehlung 2a.) der 40 Empfehlungen der FATF, UN Übereinkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (BGBl Nr. 84/2005) ).
Die einzige wesentliche zwingende Umsetzungsvorgabe, die noch offen ist, betrifft die Bestechung von inländischen Abgeordneten. Jedoch hat hier das Bundesministerium für Justiz (wie in der Anfragebeantwortung zu XXII. GP – NR 4572/J, 12. Juli 2006 angekündigt) bereits einen Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes 2007 ausgearbeitet, dessen Schwerpunkt die Kriminalisierung der aktiven und passiven Bestechung von Mitgliedern eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers im StGB darstellt. Da das von Österreich bereits ratifizierte UN-Übereinkommen gegen Korruption (A/RES/58/4) zwingend die Kriminalisierung der Bestechung und Bestechlichkeit nationaler Abgeordneter verlangt und das (vor der Ratifikation stehende) Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates (ETS 173) eine derartige Strafbarkeit den Vertragsstaaten fakultativ nahe legt, soll nicht zuletzt in Umsetzung der internationalen Vorgaben die Schaffung einer entsprechenden Strafnorm, durch die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Unbestechlichkeit der Mandatsausübung und die Funktionstüchtigkeit des repräsentativen Systems gefördert werden soll, im Rahmen des alsbald einzuleitenden Begutachtungsverfahrens zur Diskussion gestellt werden. Dem Entwurf zufolge sollen einerseits Mitglieder des Nationalrats, des Bundesrats, der Bundesversammlung oder eines Landtags, die für die parteiliche Vornahme oder Unterlassung einer in ihren Aufgabenbereich fallenden Dienstverrichtung von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordern, annehmen oder sich versprechen lassen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. Andererseits soll strafbar sein, wer einem Mitglied eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers für die parteiliche Vornahme oder Unterlassung einer in seinen Aufgabenbereich fallenden Dienstverrichtung für dieses oder einen Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.
Der Entwurf soll zudem Vorschriften zur Kriminalisierung der Bestechung und Bestechlichkeit von Mitgliedern in- und ausländischer Schiedsgerichte enthalten, durch deren (ausdrückliche) gesetzliche Verankerung insbesondere den Vorgaben des Strafrechtsübereinkommens über Korruption des Europarates (ETS Nr. 173) samt Zusatzprotokoll (ETS Nr. 191) entsprochen werden würde.
Darüber hinaus soll der Korruption im privaten Sektor effizienter entgegengetreten werden, indem die Strafbarkeit von aktiver und passiver Bestechung im geschäftlichen Verkehr nicht wie bisher (bloß) in § 10 UWG, sondern im Strafgesetzbuch selbst eine Regelung erfährt. Die Verwirklichung des Tatbestandes soll künftig mit adäquater Strafe bedroht sein und als Offizialdelikt verfolgt werden können.
Als weitere Neuerung soll der Entwurf auch eine Anhebung der Strafdrohungen bei aktiver Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (auf drei Jahre Freiheitsstrafe) vorsehen. Damit würden auch die an Österreich im Rahmen des im Februar 2006 veröffentlichten Berichts der OECD zur sog. Phase-2-Evaluierung gerichteten Empfehlungen nach einer (weiteren) Strafschärfung umgesetzt und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Bestechung zur Erwirkung einer Pflichtwidrigkeit geschaffen werden.
Es ist damit zu rechnen, dass der entsprechende Entwurf demnächst zur Begutachtung versendet und danach dem Nationalrat zur Beratung und Beschlussfassung zugeleitet werden wird.
5. März 2007
(Dr. Maria Berger)