244/AB XXIII. GP

Eingelangt am 14.03.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0005-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 255/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Happy Slapping“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

In den aus Anlass dieser Anfrage eingeholten Berichten führten die Staatsanwaltschaften Eisenstadt, Klagenfurt und Innsbruck jeweils einen Fall von möglichem „Happy Slapping“ an, bezogen sich dabei jedoch auf die unter 2. näher dargestellten Fälle aus der Wiener Zeitung.

Die Staatsanwaltschaft Wien führte – mangels registermäßiger Erfassung dieses Phänomens lediglich nach Erinnerung der damit befassten Referentinnen und Referenten -  zwei nicht näher beschriebene Fälle an, bei denen Jugendliche (in einem Fall handelte es sich dabei um Strafunmündige) andere Personen verprügelt haben und die Taten gefilmt wurden.

Zu 2 bis 6 und 12:
Der Staatsanwaltschaft Wien ist der in der Wiener Zeitung beschriebene Vorfall vom 2. Juni 2006 bekannt. Der 16-jährige Täter wurde in diesem – nach Ansicht der Anklagebehörde jedoch nicht dem Phänomen „Happy Slapping“ zuzuordnenden Fall - wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Die Opferschutzbestimmungen wurden eingehalten.

Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt berichtete von dem in der Wiener Zeitung dargestellten Vorfall vom 28. November 2006. Hierbei handelte es sich um einen 16-jährigen HTL-Schüler, der im Verdacht stand, seine Mitschüler insbesondere unter Hinweis auf eine von ihm geführte „Todesliste“ bedroht zu haben. Nach den Ergebnissen der Sachverhaltserhebungen war der Täter jedoch zuvor intensiv gemobbt und zu den inkriminierten Äußerungen provoziert worden. Darüber hinaus bestritt er die Ernstlichkeit der Drohungen. Hinweise auf das tatsächliche Vorliegen einer Todesliste ergaben sich nicht. Aus diesen Gründen legte die Staatsanwaltschaft Eisenstadt die wegen § 107 StGB erstattete Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurück. Eine Opferschutzeinrichtung war mit diesem Fall nicht befasst.

Der in der Wiener Zeitung angeführte Fall vom 16. (richtig: 13.) Dezember 2006 ist der Staatsanwaltschaft Innsbruck bekannt. Dabei wurde eine 13-jährige Hauptschülerin von Mitschülern verletzt, wobei dies von Umstehenden mit Mobiltelefonen gefilmt worden sein soll. Die diesbezüglichen sicherheitsbehördlichen Erhebungen sind derzeit noch nicht abgeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt berichtet von einem gegen einen Jugendlichen anhängigen Strafverfahren, in dem mittlerweile ein Strafantrag wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 87 Abs. 1 StGB eingebracht wurde. Diese Tathandlungen sind in der Wiener Zeitung als Vorfall vom 23. November 2006 dargestellt. Konkret kam es hierbei zu wiederholten Tätlichkeiten zwischen rivalisierenden Jugendgruppen aus den Orten St. Veit/Glan und Maria Saal. Die Jugendlichen hatten wiederholt Treffen für tätliche Auseinandersetzungen vereinbart, bei denen es zur Eskalation der Situation kam. Dabei wurden gegen einen 15-Jährigen gerichtete Tätlichkeiten von anderen gefilmt.

Die übrigen Staatsanwaltschaften erstatteten Fehlberichte.

Zu 7:

Die typischerweise durch das „Happy Slapping“ verwirklichten Straftatbestände wie Körperverletzung (§§ 83ff StGB), Nötigung (§§ 105f StGB) oder Vergewaltigung (§ 201 StGB) stellen ein wirksames strafrechtliches Instrumentarium dar, diesen kriminellen Handlungen zu begegnen. Die häufigste kriminelle Ausprägung des „Happy Slapping“ stellt die Körperverletzung dar. Bereits durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 wurde mit § 84 Abs. 3 StGB ein qualifiziertes Körperverletzungsdelikt eingeführt. Nach dieser Bestimmung, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist, macht sich strafbar, wer mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begeht, ohne dass dabei auch eine schwere Körperverletzung eintritt. Durch diesen Tatbestand soll ein aggressives Rowdytum strafrechtlich erfasst und höher bestraft werden. Darüber hinaus kann, je nach Ausgestaltung der Tat, das so genannte „Happy Slapping“ auch einen Erschwerungsgrund nach § 33 StGB darstellen. Ein derart motiviertes strafbares Verhalten findet eine entsprechende Berücksichtigung bei der Bemessung der Strafe.

Zu 8:

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass in der gerichtlichen Kriminalstatistik Verurteilungen lediglich deliktsbezogen erfasst werden können. Deshalb können anhand der gerichtlichen Kriminalstatistik weder Aussagen über die einer Straftat zugrunde liegenden Motive noch über die einer Verurteilung zugrunde liegenden Tatmodalitäten getroffen werden.

Die als „Happy Slapping“ beschriebenen Handlungen sind je nach der Art und der Begehungsweise bzw. den Tatfolgen unterschiedlichen Delikten zuzurechnen, sodass derartige Taten in der Kriminalitätsstatistik nicht gesondert ausgewiesen werden können.

Kap. 14.4.1 des Sicherheitsberichtes 2005 enthält eine Darstellung der Verurteilungszahlen und der Kriminalitätsentwicklung nach der Verurteilungsstatistik in der Deliktsgruppe der für das Phänomen des „Happy Slapping“ relevanten strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben. Zudem werden in Kap. 14.5.2 über die Jugendkriminalität die Verurteilungszahlen Jugendlichen in der Gruppe der Delikte gegen Leib und Leben statistisch aufbereitet.

Eine darüber hinausgehende Darstellung der Kriminalitätsentwicklung in Bezug auf „Happy-Slapping“-Straftaten ist mangels statistischer Erfassbarkeit dieses Phänomens nicht möglich.

Zu 9, 10 und 11:

Da die als „Happy Slapping“ bezeichneten Straftaten – wie bereits in der Beantwortung der Frage 8 ausgeführt – nicht einem einzelnen Delikt zugeordnet werden können, kommt eine statistische Erfassung über die Verurteilungsstatistik nicht in Betracht. Im Bundesministerium für Justiz werden aus diesem Grund keine Statistiken zu derartigen Straftaten geführt.

Zur Kriminalitätsentwicklung im Bereich der für das Phänomen des „Happy Slapping“ maßgeblichen Körperverletzungsdelikte ist festzuhalten, dass im Jahr 2005 insgesamt die Verurteilungen wegen Körperverletzung nach § 83 StGB gegenüber dem Vorjahr um 2,1% und die Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung nach § 84 StGB um 10,8% zurückgegangen sind. Im Bereich der Jugendkriminalität war ein noch stärkerer Rückgang der Verurteilungszahlen zu verzeichnen, und zwar bei den Verurteilungen nach § 83 StGB um 5,7% auf insgesamt 296 Verurteilungen und bei jenen nach § 84 StGB um 36,8% auf 91 Verurteilungen bundesweit. Die Verurteilungszahlen der Statistik Austria für das Jahr 2006 liegen noch nicht vor.

Aus den derzeit zur Verfügung stehenden Daten der gerichtlichen Kriminalstatistik für das Jahr 2005 ist daher kein gesellschaftlicher Trend zur Zunahme der Gewaltbereitschaft bei Delikten gegen Leib und Leben ableitbar. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich erfahrungsgemäß aktuelle Kriminalitätsentwicklungen erst mit ca. einjähriger Verspätung in den Verurteilungszahlen der gerichtlichen Kriminalstatistik niederschlagen.

Zu 13 und 14:

Opfer derartiger Gewalttaten haben seit 1. Jänner 2006 Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung (siehe § 49a StPO), die durch das Bundesministerium für Justiz finanziert wird. Sie können (§ 162a Abs 2 StPO) oder müssen (§ 162a Abs 3 StPO) „schonend“ einvernommen werden. Gemäß § 47a Abs. 1 Z 2 StPO sind sie vor ihrer ersten (auch informellen) Befragung über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung, der schonenden Vernehmung und in Betracht kommende Einrichtungen zu informieren. Zur Umsetzung dieser Informationspflicht hat das Bundesministerium für Justiz in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres einen Folder aufgelegt, der über diese Beratungs- und Betreuungsangebote informiert. Für jugendliche Opfer kommen danach vor allem eine Betreuung durch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger oder aber Kinderschutzzentren in Betracht. Mit der Reform der Strafprozessordnung wird der Opferschutz 2008 weiter ausgebaut.

Derzeit werden rund 20 Einrichtungen im Rahmen der Gewährung von psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung vom Bundesministerium für Justiz gefördert, deren Zielgruppe speziell Kinder und Jugendliche sind. Im Rahmen der Prozessbegleitung besteht auch eine Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres, das für Angelegenheiten der Prävention zuständig ist. Gegebenenfalls könnte es sich als sinnvoll erweisen, den in diesem Ressort eingerichteten Gewaltpräventionsbeirat mit dieser Fragestellung zu befassen (siehe Präventionsbeirat-Verordnung, BGBl. Nr. 562/1996). Diesem Beirat obliegen gemäß § 2  Abs. 1 der erwähnten Verordnung unter anderem die Erstattung von Vorschlägen für Richtlinien für die Förderung von Vorhaben der Gewaltprävention durch den Bundesminister für Inneres und die Erarbeitung von Vorschlägen für eine wirksamere Gestaltung der Kooperation der Sicherheitsbehörden und Opferschutzeinrichtungen im Bereich des vorbeugenden Schutzes von Menschen vor Gewalt.

 

 

. März 2007

 

(Dr. Maria Berger)