2583/AB XXIII. GP
Eingelangt am 01.02.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0128-Pr 1/2007
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 2494/J-NR/2007
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gernot Darmann, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Schnellfahraktionen des Rechtsanwalts Vouk“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 5:
Eine am 5.Juli 2007 bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eingelangte Anzeige gegen Mag. Rudolf Vouk wegen dessen Ankündigung des Schnellfahrens in Südkärntner Ortschaften zur Erzwingung zweisprachiger Ortstafeln wurde am selben Tag gemäß § 90 StPO aF zurückgelegt, weil hierin weder eine an die Allgemeinheit gerichtete Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze im Sinne des § 281 StGB zu erblicken sei, noch strafrechtlich relevante Handlungen im Sinne des Strafgesetzbuches verwirklicht würden. Die Ahndung von Verstößen ausschließlich gegen die Straßenverkehrsordnung fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbehörden.
Da diese von der Anklagebehörde getroffene rechtliche Beurteilung auch der Ansicht der zuständigen Fachabteilung meines Hauses entspricht, gibt es für die Erteilung einer Weisung keinen Anlass.
Zu 6 bis 8:
Sowohl die standesrechtliche Aufsicht über RechtsanwältInnen als auch die Vollziehung des rechtsanwaltlichen Disziplinarrechtes obliegen als Angelegenheiten der beruflichen Selbstverwaltung den zuständigen Organen der Rechtsanwaltskammern.
Die berufliche Selbstverwaltung zur Garantie der Unabhängigkeit einer Berufsgruppe, die im Rahmen der Rechtspflege tätig wird, um den BürgerInnen den Zugang zum Recht und die Verteidigung ihrer Rechte zu sichern, entspricht den Grundsätzen eines Rechtstaats und stellt sich nach Art. 6 EMRK sogar als Erfordernis eines solchen, den Grund- und Menschenrechten verpflichteten Staates dar.
Bei den Rechtsanwaltskammern handelt es sich um derartige autonome Körperschaften des öffentlichen Rechts, die einer staatlichen Aufsicht auf dem Gebiet des Disziplinarverfahrens nur im engen Rahmen des § 78 des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt) unterliegen. Nach dieser Bestimmung umfasst das Aufsichtsrecht der Bundesministerin für Justiz die Sorge für die gesetzmäßige Führung der Geschäfte und die ordnungsgemäße Durchführung von Disziplinarverfahren. Dieses Aufsichtsrecht ermächtigt nach herrschender Ansicht nur zu allgemeinen Maßnahmen, etwa bei Wahrnehmung einer dem Gesetz nicht entsprechenden Geschäftsführung der Disziplinarorgane oder bei Verfahrensverzögerungen. Hingegen ist die Bundesministerin für Justiz nicht berechtigt, Entscheidungen und Verfügungen der unabhängigen Disziplinarorgane der Rechtsanwaltskammern im Einzelfall zu überprüfen oder auf die Entscheidung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens Einfluss zu nehmen.
Ob ein Disziplinarverfahren gegen eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt einzuleiten ist, hat gemäß § 22 DSt zunächst der Kammeranwalt zu entscheiden. Ist dieser der Ansicht, dass weder eine Berufspflichtverletzung noch eine Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes vorliegt oder dass eine Verfolgung wegen Verjährung ausgeschlossen ist, so hat er die Anzeige zurückzulegen und hievon den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer unter Angabe der wesentlichen Gründe zu verständigen. Der Ausschuss kann dies zur Kenntnis nehmen und erforderlichenfalls Maßnahmen der standesrechtlichen Aufsicht ergreifen (§ 23 der Rechtsanwaltsordnung) oder dem Kammeranwalt die Disziplinarverfolgung auftragen. Der Kammeranwalt ist bei seiner Entscheidung somit ausschließlich an die Weisungen des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer gebunden.
Nach den auf der Website des Rates der Kärntner Slowenen verfügbaren Informationen hat die Abt. 7 des Amtes der Kärntner Landesregierung am 5.7.2007 eine Disziplinaranzeige gegen Rechtsanwalt Mag. V. an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Kärnten übermittelt. Nach Einholung einer Stellungnahme des Angezeigten hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer dem Amt der Kärntner Landesregierung mit Schreiben vom 6.11.2007 mitgeteilt, dass der Kammeranwalt der Rechtsanwaltskammer für Kärnten die Disziplinaranzeige vom 5.7.2007 gemäß § 22 Abs. 2 erster Satz DSt zurückgelegt und der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für Kärnten der Zurücklegung zugestimmt hat.
Nach geltender Rechtslage ist daher sowohl die standesrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Rechtsanwaltes in Klagenfurt Mag. V. als auch die Entscheidung der zuständigen Organe der Rechtsanwaltskammer für Kärnten, ob gegen Mag. V. ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, einer Überprüfung durch die Bundesministerin für Justiz entzogen.
Die Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes sowie das Vorliegen einer Berufspflichtverletzung sind allein im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung zu beurteilen und gegebenenfalls über die zivil- und strafrechtliche Verantwortung hinaus zu ahnden (§ 1 DSt).
Ob ein Verstoß gegen die Rechtsordnung vorliegt (Rechtsbruch), ist von der Staatsmacht ausschließlich im Rahmen der dafür vorgesehenen Verfahren zu prüfen (also im Verwaltungsstrafverfahren bzw. im Rahmen der Prüfung der gerichtlichen Strafbarkeit oder zivilrechtlicher Ansprüche im Gerichtsverfahren). Insoweit besteht auch eine Bindung an den Ausgang eines Strafverfahrens (bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung kommt die Unschuldsvermutung auch weiterhin zum Tragen, bei einem Schuldspruch wäre die Verurteilung nach Verfahrensbeendigung als Nachweis eines Rechtsbruchs zu werten). Darauf ist auch im Disziplinarverfahren Bedacht zu nehmen, das daher erst nach der Klärung der Schuldfrage durch die zuständige Strafbehörde abgeschlossen werden kann.
Ob nach Prüfung des staatlichen Strafanspruchs – ungeachtet des Doppelbestrafungsverbots im Falle einer Verurteilung oder der Unschuldsvermutung im Falle einer Einstellung bzw. eines Freispruchs – ein mit den Mitteln des Disziplinarrechts zu ahndender Unrechtsgehalt einer Tat verblieben ist, der eine Bestrafung rechtfertigt, obliegt dann allein der Entscheidung der zuständigen Selbstverwaltungsorgane, die nach den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und den gefestigten Gewohnheiten des jeweiligen Berufsstandes zu beurteilen haben, ob eine Verletzung von „Standespflichten“ vorliegt (VfSlg 11.776, 15.323). Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft kann jedenfalls nur bei Vorliegen schwerster Standespflichtverletzungen widerrufen werden.
. Jänner 2008
(Dr. Maria Berger)