2606/AB XXIII. GP

Eingelangt am 04.02.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0138-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2844/J-NR/2007

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Dipl.-Ing. Karlheinz Klement und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „väternachteilige Beurteilung durch die Sachverständigen Dr. Eva Mückstein und Dr. Egon Bachler vor Gerichten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Das Bundesministerium für Justiz hat auf Grund dieser parlamentarischen Anfrage einen Bericht des Präsidenten des Landesgerichts Wiener Neustadt und der diesem unterstellten Bezirksgerichte zu den mit der Sachverständigen Dr. Eva Mückstein gemachten Erfahrungen eingeholt.

Die befragten Richterinnen und Richter schildern die Sachverständige durchgehend als erfahrene, versierte und genaue Fachfrau. Ein Richter aus Baden berichtet, dass in einem kontroversiellen Verfahren auf Grund ausdrücklicher Empfehlung der Sachverständigen die Obsorge über das zum Zeitpunkt des Verfahrens vierjährige Kind an den Vater übertragen wurde. Auch die Vorsteherin des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf schildert, dass die Sachverständige in einem Fall gegen den Antrag der Mutter einen regelmäßigen Besuchskontakt der Kinder zu ihrem Vater befürwortete und sogar eine einvernehmliche Lösung zur Bereinigung des Konflikts erreichten konnte.

Hinweise, dass die Sachverständige in irgendeine Richtung tendenziöse Gutachten erstellt hätte, haben die Erhebungen nicht ergeben. Mangels eines Anhaltspunkts für ein konkretes Fehlverhalten erübrigen sich aus der Sicht des Bundesministeriums für Justiz auch allfällige weitere Maßnahmen.

Zu 6:

Die „Qualität“, also insbesondere die Frage der fachlichen Eignung von allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, wird im Rahmen der Rezertifizierung des/der Sachverständigen überprüft. Die Eintragung in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste ist zunächst mit dem Ende des fünften auf die Eintragung für das jeweilige Fachgebiet folgenden Kalenderjahres befristet und kann danach auf Antrag um jeweils zehn Jahre verlängert werden (§ 6 Abs. 1 SDG). Die Verlängerung (Rezertifizierung) erfolgt nur dann, wenn die Eintragungsvoraussetzungen, insbesondere daher auch Sachkunde und Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens sowie die Vertrauenswürdigkeit, weiterhin vorliegen (§ 6 Abs. 2 SDG). Im Rezertifizierungsverfahren holt der Listen führende Präsident bzw. die Listen führende Präsidentin des Landesgerichtes von den Richterinnen und Richtern schriftliche Stellungnahmen über die Eignung der oder des Sachverständigen, besonders über die Sorgfalt der Befundaufnahme, über die Rechtzeitigkeit der Gutachtenserstattung sowie über die Schlüssigkeit, die Nachvollziehbarkeit und den richtigen Aufbau der Gutachten ein. Auf Grund der mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 111/2007, vorgenommenen Änderungen hat der Sachverständige künftig auch die absolvierten Fortbildungsaktivitäten anzugeben.

Fällt eine Eintragungsvoraussetzung weg, weil etwa die Vertrauenswürdigkeit nicht mehr gegeben ist, so hat der Präsident/die Präsidentin des Landesgerichtes die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu entziehen (§ 10 Abs. 2 SDG). Das kann auch dann der Fall sein, wenn der/die Sachverständige den Anschein der Parteilichkeit erzeugt (VwGH 20.1.1993, 92/01/0798).

Zu 7:

Das geltende Verfahrensrecht trifft eindeutige Anordnungen, auf welche Weise fachlich unzureichende Gutachten im Gerichtsverfahren zu behandeln sind. Das in gerichtlichen Obsorgeverfahren anzuwendende Verfahrensrecht ist grundsätzlich im Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG) geregelt. Gemäß § 35 AußStrG sind jedoch die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (ZPO) über die einzelnen Beweismittel, somit auch über den Beweis durch Sachverständige, im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden. Danach ist das auf gerichtliche Anordnung vom Sachverständigen im jeweiligen Verfahren erstellte Gutachten stets zu begründen (§ 362 Abs. 1 ZPO). Erscheint das abgegebene Gutachten ungenügend oder wurden darin verschiedene Ansichten ausgesprochen, so kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch denselben oder durch andere Sachverständige stattfindet (§ 362 Abs. 2 ZPO). Das Gericht hat also im Rahmen der unabhängigen Rechtsprechung zu entscheiden, ob es ein Gutachten für ausreichend und nachvollziehbar begründet erachtet; nur dann kann es dieses im Verfahren verwerten. Bejahendenfalls obliegt es wiederum dem Gericht, die Ergebnisse des Gutachtens im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung in die Entscheidung der Rechtssache einfließen zu lassen. Gegen behauptete Verfahrensmängel stehen den Verfahrensparteien die entsprechenden Rechtsmittel zur Verfügung.

Zu 8, 9, 10 und 11:

Damit eine richtige Entscheidung getroffen werden kann, muss die Gesamtheit der rechtserheblichen Tatsachen, nämlich der Sachverhalt, festgestellt werden. Dies geschieht durch die Aufnahme von Beweisen. Das Gutachten eines Sachverständigen ist ein Beweismittel. Gutachten und Befund müssen die vom Gericht gestellten Fragen beantworten. Das Gericht hat von Amts wegen dafür zu sorgen, dass das Gutachten vollständig abgegeben wird.

Der Sachverständige hat seinen Befund und sein Gutachten grundsätzlich mündlich, auf Anordnung des Richters schriftlich zu erstatten. Bei schriftlicher Gutachtenserstattung ist der Sachverständige verpflichtet, auf Verlangen über das schriftliche Gutachten mündliche Aufklärung zu geben oder es in der mündlichen Verhandlung zu erläutern. Im Rahmen dieser Erläuterung des Gutachtens haben die Parteien die Möglichkeit, Fragen an den Sachverständigen zu stellen. Die Parteien können durch unmittelbare Fragestellung an den Sachverständigen allfällige Unvollständigkeiten, Lücken oder Widersprüche im Gutachten aufzeigen.

Sollte sich ein Gutachten als ungenügend oder unvollständig erweisen, kann auf Antrag der Parteien aber auch von Amts wegen eine neuerliche Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige stattfinden.

Das Gutachten ist strukturiert und nachvollziehbar zu gestalten und vom Sachverständigen auch zu begründen, weil nur so das Gericht die Ergebnisse und Schlussfolgerungen überprüfen und sie seiner Entscheidung zu Grunde legen kann. Der Richter muss in der zu fällenden Entscheidung die Erwägungen anführen, die seiner Beweiswürdigung zu Grunde liegen. Er muss in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegen, warum er auf Grund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt, damit sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können. Ein Verstoß gegen diese Begründungspflicht stellt einen Verfahrensmangel dar, der in einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung gerügt werden kann.

Zu 12:

Derartiges gerichtliches Vorgehen ist dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt. Auch zur Befragung Minderjähriger im Obsorgeverfahren trifft das Gesetz eindeutige Anordnungen. Gemäß § 105 AußStrG hat das Gericht Minderjährige in Verfahren über die Pflege und Erziehung – dies sind Teilbereiche der Obsorge – oder das Recht auf persönlichen Verkehr („Besuchsrecht“) persönlich zu hören. Bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres kann der Minderjährige statt durch das Gericht auch durch den Jugendwohlfahrtsträger, durch Einrichtungen der Jugendgerichtshilfe oder in anderer geeigneter Weise, etwa durch Sachverständige, gehört werden, wenn dies seine Entwicklung oder sein Gesundheitszustand erfordert oder wenn sonst eine Äußerung der ernsthaften und unbeeinflussten Meinung des Minderjährigen nicht zu erwarten ist. Die Befragung des Minderjährigen hat lediglich soweit gänzlich zu unterbleiben, als durch sie oder durch einen damit verbundenen Aufschub der Verfügung das Wohl des Minderjährigen gefährdet wäre oder im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit des Minderjährigen offenbar eine überlegte Äußerung zum Verfahrensgegenstand nicht zu erwarten ist.

Zu 13:

Nach den Bestimmungen des SDG hat das Gutachten schlüssig und nachvollziehbar zu sein. Nähere Vorgaben hinsichtlich der Gutachtenserstellung enthalten die Verfahrensgesetze sowie die Standesregeln des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen. Insbesondere hat der Sachverständige danach bei seiner Tätigkeit auf Unparteilichkeit zu achten und die Einhaltung der Prinzipien eines fairen Verfahrens zu achten (so ausdrücklich Pkt. 2.8 der Standesregeln).

Zu 14:

Das maßgebliche Kriterium bei gerichtlichen Entscheidungen im Rahmen des Kindschaftsrechts (etwa in Verfahren über die Obsorge oder das Recht auf persönlichen Verkehr) ist das Wohl des Kindes. Jegliches (elterliche) Verhalten, das das Wohl des Kindes gefährdet, ist somit in den Bezug habenden gerichtlichen Beweisverfahren zu berücksichtigen. Dessen Bewertung für die Entscheidung im konkreten Einzelfall obliegt dem zuständigen Entscheidungsorgan im Rahmen der unabhängigen Rechtsprechung.

Zu 15:

Die in der Anfrage thematisierte Kritik am Sachverständigen Dr. Bachler im Wahrnehmungsbericht der Rechtsanwaltskammer Salzburg bezieht sich nach den Erhebungen meines Hauses primär auf den Anschein der Befangenheit, der darauf zurückgeht, dass der betreffende Sachverständige Leiter der Therapeutischen Ambulanz für Familienbetreuung (TAF) ist und in den Gerichtsverfahren immer wieder Personen involviert sind, die von dieser Einrichtung betreut werden. Insoweit steht es aber jeder Verfahrenspartei frei, den Sachverständigen im Verfahren wegen eines solchen Anscheins der Befangenheit abzulehnen (§ 388 ZPO, § 126 Abs. 4 StPO). Die Entscheidung darüber ist eine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung, auf die das Bundesministerium für Justiz keinen Einfluss hat.

. Februar 2008

(Dr. Maria Berger)