262/AB XXIII. GP
Eingelangt am 20.03.2007
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BM für Inneres
Anfragebeantwortung
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 W i e n
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Brigid WEINZINGER, Freundinnen und Freunde haben am 26. Jänner 2007 unter der Nummer 284/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Untersagungen von Versammlungen zum Thema ‚Aufklärung über das Leid der Pelztiere’“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Wie auch die Versammlungsbehörde in ihrem Bescheid nachvollziehbar festgehalten hat, finden sich auf der Homepage des Vereins gegen Tierfabriken (VGT) regelmäßig anonyme Bekennerschreiben, welche teilweise gewalttätige Aktionen beschreiben. Die der Untersagung zugrunde gelegten Prognosen betreffend die Gefährdung von Menschen und Sachen resultierten zunächst aus der in der Nacht vom 30.11.2006 auf 01.12.2006 vorgefallenen Sachbeschädigung sowie einem auf der erwähnten Homepage festgestellten Bekennerschreiben, welches eindeutig radikalen Türschützern zuzuordnen war. In diesem Bekennerschreiben wurden die gewalttätigen Aktionen wie folgt beschrieben:
„um die kampagne der tierrechtsbewegung gegen die bekleidungskette kleiderbauer zu unterstützen, haben wir gestern nacht „PELZ = MORD“ in die eingangstür der wiener filiale in der meidlinger hauptstraße geätzt. anschliessend haben wir 3 weitere schaufensterscheiben verätzt und 15 auslagenscheiben eingeschlagen. somit wurden bei der Aktion alle Scheiben beschädigt oder zerstört. ……. kleiderbauer kann sich auf einen heißen Dezember einstellen! Es gibt nur eine lösung dies zu verhindern: öffentlich bekannt geben, dass kleiderbauer/otto graf und hämmerle komplett aus dem pelzhandel aussteigen!
– den pelzhandel abschaffen!“
Nachdem auf dieser Homepage auch Personen, die nicht dem VGT angehören, nachdrücklich aufgefordert wurden, an der gegen die Firma Kleider-Bauer initiierten Kampagne mitzuwirken, folgerte die Versammlungsbehörde, dass sich radikale Tierschützer an den jeweiligen Aktionen beteiligen und in deren Verlauf Gewalttätigkeiten gegen Angestellte und Einrichtungen dieser Firma setzen könnten.
Im Übrigen ist die Prüfung der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung der Bundespolizeidirektion Wien derzeit Gegenstand eines bei der Sicherheitsdirektion für Wien anhängigen Berufungsverfahrens.
Zu Frage 3:
Jede Prognoseerstellung bezieht sich in erster Linie auf die im engen zeitlichen Zusammenhang mit der konkret angemeldeten Versammlung maßgeblichen und berücksichtigungswürdigen Umstände.
Zu Frage 4:
Wie aus dem von der Bundespolizeidirektion Wien eingeholten Bericht hervorgeht, wurde von den Grünen für den 18.01.2006 keine „Kundgebung zum Schutz der Pelztiere“ angemeldet.
Zu Frage 5:
Nach den Aufzeichnungen der Bundespolizeidirektion Wien kam es in ihrem Bereich im Verlauf von angemeldeten und nicht angemeldeten Kundgebungen des VGT zum Thema „Tierschutz“ zu folgenden Vorfällen:
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02.12.2000 |
Verletzung eines Kunden vor einem Pelzgeschäft (§ 83 StGB) |
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23.12.2000 |
Verletzung eines Angestellten einer Sicherheitsfirma vor einem Pelzgeschäft (§ 83 StGB) |
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21.11.2002 |
Besetzung einer Parteizentrale (§ 2 iVm § 19 VersG) |
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28.04.2003 |
Hausbesetzung; Verletzung von 7 Personen; Diebstahl (§§ 83, 109/3 und 127 StGB); vorläufige Festnahme von 3 Tierrechtsaktivisten |
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23.11.2005 |
Verletzung einer Person bei einer Veranstaltung (§ 83 StGB) |
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13.07.2006 |
Hausfriedensbruch durch Besetzung der Büroräumlichkeiten einer Pharmafirma; Verletzung einer Büroangestellten (§§ 83 und 109 StGB) |
Zu Frage 6:
Eine gesetzlich gebotene Vorgangsweise sollte für einen mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen kein Anlass für rechtswidriges Verhalten sein. Sollte dies nicht zutreffen, hat ein Betroffener insgesamt ein Problem mit dem Rechtsstaat und wird die für solche Fälle vorgesehenen Folgen zu gewärtigen haben.
Zu Frage 7, lit a:
Die Begründung der Untersagung ist aus dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien ersichtlich.
Zu Frage 7, lit b:
Seitens der Behörde wurde die Verlegung des Versammlungsortes um 50 Meter als ausreichend angesehen, um militanten Tierschützern radikale Handlungen gegen Filialen und Mitarbeitern der Firma Kleider-Bauer als potenzielle Zielobjekte zu erschweren bzw diese überhaupt zu unterbinden. Trotzdem wäre durch die Nähe zur Kleider-Bauer Filiale der Konnex zum Anliegen der angemeldeten Versammlung gewahrt geblieben.
Zu Frage 7, lit c:
Nach der höchstgerichtlichen Judikatur ist die Behörde nicht berechtigt, von sich aus die Versammlungsanzeige zu ändern oder zu modifizieren. Sie hat die Versammlung in der angezeigten Weise entweder zur Gänze zu untersagen oder zur Gänze nicht zu untersagen. Wenn die Behörde meint, auch nur eine der Modalitäten der beabsichtigten Versammlung (etwa der Kundgebungsort) sei derart, dass eines der in Artikel 11 Abs 2 EMRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet würde, hat sie die Versammlung zu untersagen (vgl VfSlg 9103/81, VfSlg 15362/98, VfSlg 17120/04). Im vorliegenden Fall hat sie den Veranstalter vorher darauf aufmerksam gemacht und ihm die Änderung der Versammlungsanzeige (Verlegung des Versammlungsortes um 50 Meter) vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde seitens des Veranstalters nicht akzeptiert.