2762/AB XXIII. GP

Eingelangt am 12.02.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0145-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2941/J-NR/2007

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Heinz-Christian Strache und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „den staatsanwaltschaftlichen Schutz von Polizisten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 4:

Die Kriminalstatistik wird vom Bundesministerium für Inneres geführt und fällt nicht in den gesetzlichen Vollziehungsbereich der Bundesministerin für Justiz.

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde daher die Datenbank der Verfahrensautomation Justiz (VJ) herangezogen und die Tabelle mit Anfallszahlen und bestimmter fallbezogener Erledigungen aus dem Register der Staatsanwaltschaften erstellt. Die Tabellen beziehen sich jedoch auf den gesamten Anfall, weil die in der VJ gespeicherten Anzeigen nicht nach unterschiedlichen Einbringern differenziert ausgewertet werden können.

Anfall und bestimmte Erledigungen

Register der Staatsanwaltschaften

 

2005

2006

2007

St (staatsanwaltschaftliche Register) angefallen

65.825

64.980

68.277

       davon Anklageschrift

4.687

4.798

4.830

       davon Strafantrag

21.636

19.657

20.431

       davon Einstellung

30.345

30.311

31.158

UT (unbekannte Täter) angefallen

140.449

131.169

134.484

       davon Einstellung

4.007

3.864

4.339

BAZ (staatsanwaltschaftliche Register bei den Bezirksgerichten)
bekannte Täter angefallen

157.620

150.048

152.681

       davon Antrag auf Bestrafung

41.131

38.904

38.591

       davon Einstellung

79.664

75.156

77.665

BAZ unbekannte Täter angefallen

249.089

253.812

253.081

       davon Einstellung

28.827

27.886

28.842

 

Zu 5 bis 8:

Die Zahl der PolizeibeamtInnen, die in den Jahren 2005 bis einschließlich 2007 wegen behaupteter gerichtlich strafbarer Handlungen in Ausübung des Dienstes angezeigt wurden, könnte nur anhand einer Auswertung der elektronischen VJ-Registerdaten und nachfolgender Einsichtnahme in die bezughabenden Tagebücher der einzelnen Staatsanwaltschaft eruiert werden. Nach Auskunft des Bundesrechenzentrums beläuft sich allein die Zahl der Anzeigen wegen der in Betracht kommenden Amtsdelikte (§§ 302, 303, 304, 310, 311, 312 StGB) im anfragebezogenen Zeitraum österreichweit auf ca. 9.500 Fälle. Dazu kämen noch Anzeigen wegen allgemein strafbarer Handlungen in Verbindung mit § 313 StGB. Die Auffindung solcher Anzeigen würde für die Staatsanwaltschaften einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand bedeuten und überdies dem Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit nicht genügen können. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich von einer Beantwortung dieser Fragen Abstand nehmen muss.

Zu 9 und 10:

Von PolizeibeamtInnen erstattete Anzeigen werden von den Anklagebehörden mit der gleichen hohen Sorgfalt geprüft wie die Anzeigen anderer Einschreiter. Ich weise ferner darauf hin, dass Sicherheitsorgane durch das materielle Strafrecht in mehrfacher Hinsicht unter besonderen Schutz gestellt werden. So ist jede ihnen während einer Amtshandlung zugefügte, auch geringfügige Verletzung als schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 3 StGB mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht, ebenso wie Widerstand gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 Abs. 1 erster Fall StGB. Im Falle einer schweren Nötigung wird Widerstand gegen die Staatsgewalt gemäß § 269 Abs. 1 zweiter Fall sogar mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Darüber hinaus ist gemäß § 270 StGB jeder tätliche Angriff auf ein Sicherheitsorgan und auch jede ansonsten straflose Misshandlung eines Sicherheitsorgans während einer Amtshandlung – auch wenn überhaupt keine Körperverletzung verursacht wird – gerichtlich strafbar.

Diese Straftaten werden durch die Staatsanwaltschaften auch mit entsprechendem Nachdruck verfolgt und zur Anklage gebracht. So weist etwa die gerichtliche Kriminalstatistik der Statistik Austria für das Jahr 2005 allein die Zahl von 683 Verurteilungen in Verfahren wegen § 269 StGB aus.

Einem solchen starken Schutz von Sicherheitsorganen stehen auf der anderen Seite besondere Sorgfaltspflichten, etwa durch das Waffengebrauchsgesetz und die Richtlinienverordnung, gegenüber. Sicherheitsorgane genießen jedoch auch eine besondere Ausbildung.

Gerade im Hinblick auf die neue Systematik des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, die eine Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei voraussetzt, dürfen Organe der Sicherheitsexekutive nicht leichtfertig haltloser Vorwürfe ausgesetzt werden. Staatsanwaltschaften sind daher im Rahmen ihrer amtswegigen Verfolgungspflicht dazu berufen, solche Vorwürfe in Richtung des Tatbestandes der Verleumdung iSd § 297 StGB zu prüfen. Dabei ist grundsätzlich ohne Ansehen der betroffenen Person vorzugehen, wobei auch im Auge zu behalten ist, dass der Tatbestand des § 297 StGB an die subjektive Tatseite hohe Anforderungen stellt, weil Wissentlichkeit gegeben sein muss. Gemäß § 210 Abs. 1 StPO hat die Staatsanwaltschaft aber nur dann, wenn der Sachverhalt ausreichend geklärt ist und eine Verurteilung nahe liegt (und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vorliegt), beim zuständigen Gericht Anklage zu erheben. Dabei darf im Sinne des strengen Legalitäts- und Objektivitätsgebots kein Unterschied gemacht werden, ob das Opfer der Verleumdung ein Sicherheitsorgan ist oder nicht.

Mit Erlass vom 15. Dezember 1995, JMZ 430.001/30-II 3/1995, hat das Bundesministerium für Justiz (unter anderem) Formblätter zur Berichterstattung über jene Fälle überarbeitet, in denen zum Einen gegen Organe von Sicherheitsbehörden wegen behaupteter Misshandlungen und zum Anderen gerichtliche Vorerhebungen oder eine Voruntersuchung wegen Verleumdung gegen Personen eingeleitet wurden, die solche Behauptungen aufgestellt haben. Es kann diesen Berichten entnommen werden, gegen wie viele Personen auf Grund einer Anzeige in Fällen, in denen es zu einer Verfahrenseinstellung gekommen ist, tatsächlich durch gerichtliche Vorerhebungen oder Voruntersuchungen ermittelt wurde.

Um der vielfach geübten Praxis entgegen zu wirken, „Misshandlungsvorwürfe“ gegen Organe der Sicherheitsbehörden zunächst durch Erhebungen der Sicherheitsbehörden selbst einer Klärung zuzuführen, hat das Bundesministerium für Justiz mit Erlass vom 30. September 1999, JMZ 880.014/37-II 3/1999, JABl. 1999/31, die Staatsanwaltschaften ersucht, einen solchen Vorwurf im Wege gerichtlicher Vorerhebungen, allenfalls eines Antrags auf Einleitung der Voruntersuchung, zu klären. Dies gilt auch für Fälle, in denen sich – ohne dass ein konkreter Vorwurf geäußert wird – Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Verdachtslage ergeben, z.B. anlässlich der Einlieferung eines festgenommenen Beschuldigten in die Justizanstalt oder bei dessen Vernehmung durch den Untersuchungsrichter. Bei äußeren Anzeichen von Verletzungen wäre unverzüglich ein Sachverständigengutachten über die mögliche Ursache einer körperlichen Beeinträchtigung einzuholen.

Dazu korrespondierend hat das Bundesministerium für Inneres mit Erlass vom 10. November 2000, Zl. 64.000/231-II 20/2000, die Sicherheitsbehörden und Sicherheitsdienststellen ersucht, der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich – möglichst binnen 24 Stunden – eine Sachverhaltsdarstellung über den erhobenen Vorwurf einer Misshandlung bzw. über sich sonst ergebende Anhaltspunkte für eine solche zu übermitteln. Diese Sachverhaltsdarstellung ist von anderen Beamten als jenen, die von den Vorwürfen unmittelbar betroffen sind, zu verfassen. Eigene Tätigkeiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben sich auf die Dokumentation des Vorwurfes und auf unaufschiebbare Maßnahmen zur Sicherung unwiederbringlicher Beweise zu beschränken.

Mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 21. Dezember 2000, JMZ 880.014/48-II 3/2000, wurden die LeiterInnen der Justizanstalten um eine entsprechende Vorgangsweise im Falle eines Misshandlungsvorwurfes gegen Strafvollzugs-bedienstete ersucht. Auch in solchen Fällen ist die Klärung des Verdachtes ohne Verzug im Wege gerichtlicher Vorerhebungen herbeizuführen.

Misshandlungsvorwürfe gegen Organe der Sicherheitsbehörden und ähnliche Verdachtsfälle

 

 

 

2004

2005

2006

Bei den Staatsanwaltschaften bearbeitete Fälle

1.224

1.047

898

davon im Berichtsjahr neu angefallen

1.167

978

826

Verfahrenseinstellungen (Zurücklegungen der Anzeige)

1.094

960

821

davon ohne gerichtliches Vorverfahren

763

643

576

Strafanträge oder Anklagen

16

18

20

Freisprüche

3

8

15

Schuldsprüche

2

2

2

Bei dieser Auswertung muss berücksichtigt werden, dass nach den Berichten der Staatsanwaltschaften im Verlauf des Einschreitens der Organe der Sicherheitsbehörden in einer Vielzahl der angezeigten Fälle geringfügige Verletzungen beispielsweise durch das Anlegen von Handfesseln oder den Einsatz von Pfeffersprays eintraten – zum Teil ohne dass ein Misshandlungsvorwurf gegen das einschreitende Organ erhoben wurde.

Verfahren nach § 297 StGB (Verleumdung) wegen der Behauptung von Misshandlungsvorwürfen durch Polizei- oder GendarmeriebeamtInnen

 

 

 

2004

2005

2006

Bei den Staatsanwaltschaften bearbeitete Fälle

44

62

28

davon im Berichtsjahr neu angefallen

39

53

23

Verfahrenseinstellungen (Zurücklegungen der Anzeige)

20

29

26

davon ohne gerichtliches Vorverfahren

14

18

8

Strafanträge oder Anklagen

15

22

3

Freisprüche

1

12

0

Schuldsprüche

5

2

3

 

. Februar 2008

 

(Dr. Maria Berger)