2765/AB XXIII. GP

Eingelangt am 12.02.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0150-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2984/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Heribert Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Atomic, Vorgangsweise des BMJ nach dem Banken-Untersuchungsausschuss“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Der Sachverhaltskomplex war Gegenstand zahlreicher straf- und zivilrechtlicher Gerichtsverfahren. Es steht mir als Ressortleiterin nicht zu, in die Entscheidungen der unabhängigen Rechtsprechung einzugreifen.


Zu 2:

Zu den in der Anfrageeinleitung zitierten Vorschlägen:

A)  „Verbesserung der rechtlichen Grundlagen für eine bestmögliche Verwertung des Vermögens im Konkurs“:

Maßnahmen zur bestmöglichen Verwertung im Konkurs wurden bereits mit der Insolvenzrechts-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 75/2002, in Kraft getreten am 1.7.2002, gesetzt.

Mit der Veräußerung des Unternehmens muss nicht nur das Konkursgericht, sondern jedenfalls auch der Gläubigerausschuss befasst werden. Daher hat vor der Veräußerung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils das Gericht dem Masseverwalter stets einen Gläubigerausschuss beizuordnen.

Der Katalog der Geschäfte, die der Genehmigung des Gläubigerausschusses und des Konkursgerichts bedürfen, wurde ergänzt, insbesondere um die freiwillige Veräußerung einer unbeweglichen Sache.

Bei der Veräußerung des Unternehmens und bei der Veräußerung von Liegenschaften muss aus Gründen der Transparenz auch der Schuldner bei Einberufung einer Gläubigerausschusssitzung von dem Termin verständigt werden. Dieser ist zur Teilnahme berechtigt.

Die beabsichtige Veräußerung des Unternehmens, von Unternehmensteilen oder einer Liegenschaft muss öffentlich bekannt gemacht werden, insbesondere auch durch Aufnahme in die Ediktsdatei für 14 Tage.

B) „Verbot der unentgeltlichen Zuwendung von Haftpflichtversicherungsschutz durch Masseverwalter an Konkursrichter“:

Das Bundesministerium für Justiz hat mit Erlass vom 7. Jänner 2008, JMZ BMJ-Pr7000/0150-Pr 1/2007, den Gerichten – unvorgreiflich der unabhängigen Rechtsprechung – seine Rechtsauffassung mitgeteilt, dass die Einbeziehung des Konkurskommissärs (Richters) mit dessen Wissen und Billigung in eine vom Masseverwalter abgeschlossene Haftpflichtversicherung den Amts- und Standespflichten, konkret dem Verbot der Geschenkannahme (§ 59 RStDG) zuwiderläuft.

Wie bereits in der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Zahl 634/J-NR/2007 ausgeführt, liegen der Justizverwaltung keine Informationen vor, dass Richter in Haftpflichtversicherungen von Masse- und Ausgleichsverwaltern mitversichert würden.

C) "Verschärfung der Befangenheitsgründe und Verbesserung der Fristen und Verfahren zur Geltendmachung von Befangenheiten um schon jeden Anschein von Befangenheit zu vermeiden":

Eine Richterin oder ein Richter kann wegen bereits im Gesetz ausdrücklich ausgezählter Gründe (Ausgeschlossenheit) oder weil ein sonstiger zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (Befangenheit) abgelehnt werden. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung ist ein Richter dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genügt schon die Besorgnis, dass bei der Entscheidung dieses Richters andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen könnten. Es genügt auch, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, ja dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte.

Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien in Betracht. Ferner nennt die Judikatur beispielsweise eine auffallend einseitige Verhandlungsführung, unsachliche persönliche Bemerkungen zu Parteien und Parteienvertretern, abwertende Pauschalurteile gegen gewisse Personengruppen, weiters eine eingehende Rechtsberatung oder die Erstattung eines Privatgutachtens in derselben Rechtssache.

In einer veröffentlichten Entscheidung hat das Oberlandesgericht Linz ausgesprochen, dass in einem Mehrparteienverfahren wie dem Konkursverfahren zur objektiven Beurteilung des Anscheins der Befangenheit eines Richters andere Kriterien heranzuziehen sind als im kontradiktorischen Zivilprozess, in dem das Gleichgewicht der beiderseitigen Prozessrechte der Parteien im Vordergrund der Verfahrensziele steht (OLG Linz, 2 R 98/98i). In derselben Entscheidung geht das Oberlandesgericht Linz davon aus, dass die Grenze zur konkursrichterlichen Befangenheit dort zu ziehen sein wird, wo sich Verstöße gegen das Verfahrensrecht, wodurch in die Rechte des Gemeinschuldners gravierend eingegriffen wird, massiv häufen oder wo nicht nur dienstliche Verflechtungen des Richters mit anderen Organen oder Verfahrensbeteiligten im Zusammenhalt mit Verstößen gegen das Verfahrensrecht den dringenden Verdacht erwecken, dass sich Organe und/oder Verfahrensbeteiligte auf Kosten anderer Verfahrensbeteiligter sozusagen unter dem Schirm konkursgerichtlicher Entscheidungen bereichern könnten.

Die – im Gesetz gerade nicht aufgezählten – Befangenheitsgründe können kaum verschärft werden, weil die gesetzliche Definition (zureichender Grund, die Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen) nicht nur ausreichend, sondern auch weiteren Verschärfungen kaum zugänglich scheint. Eine Ergänzung des Katalogs der Ausschließungsgründe hingegen (etwa auf Richter die zu einer der Parteien in einem Rechtsverhältnis stehen) wäre überschießend und würde Verfahren gegen manche Personen oder Institutionen in Österreich unmöglich machen. Es kommt eben gerade auf die Intensität und die weiteren Umstände des Rechtsverhältnisses an: Verfahren gegen den Wohnungsvermieter des Richters werden möglicherweise anders zu beurteilen sein als Verfahren gegen eine Supermarktkette, in dessen Filialen der Richter aber vielleicht schon hunderte Male eingekauft hat.

Was eine allfällige Verbesserung der Fristen und Verfahren zur Geltendmachung von Befangenheiten betrifft, so lässt sich an der schon jetzt geltenden Regelung, wonach Befangenheiten im Wesentlichen mit bzw. vor der nächsten Prozesshandlung geltend zu machen sind, kaum noch etwas verbessern: Sinnvollerweise und im Lichte des Art. 6 EMRK ist die Befangenheit zumindest geltend zu machen, bevor Verfahrenshandlungen durch einen möglicherweise befangenen Richter gesetzt werden. Eine Festlegung, wonach eine Befangenheit bereits unverzüglich geltend zu machen ist, wäre nicht prozessökonomisch.

Das Verfahren zur Geltendmachung von Befangenheiten ist schon jetzt schlank, schnell und frei von unnötigen Förmlichkeiten. Das Gesetz sieht schon jetzt vor, dass der wegen Befangenheit von einer Partei abgelehnte Richter sich dazu äußern muss. Eine darüber hinausgehende amtswegige Wahrheitserforschung jeder von einer Partei behaupteten Befangenheit würde dieses Instrument zu einem Mittel der Prozessverzögerung machen.

Zusammenfassend gibt eine Analyse des Themenkomplexes "Ablehnung von Richtern" vor dem Hintergrund der im Untersuchungsausschuss gewonnenen Erkenntnisse keinen Anlass für eine Verschärfung der Befangenheitsgründe oder einer Änderung der Fristen oder des Verfahrens zur Geltendmachung von Befangenheiten.


D) „Strengere Regeln und transparente Kontrolle von sonstigen Erwerbs- und Nebentätigkeiten von Richtern“:

Das Bundesministerium für Justiz wird seine nachgeordneten Dienstbehörden im Erlassweg nachdrücklich an die Bedeutung und Sensibilität der Bestimmungen über das Verbot der Geschenkannahme (§ 59 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes, § 59 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) erinnern.

Das Bundesministerium für Justiz legt seit Jahren großen Wert auf die Einhaltung der Meldepflichten in Bezug auf Nebenbeschäftigungen und Nebentätigkeiten sowie deren Dokumentation hinsichtlich Inhalt und Umfang bzw. zeitlicher Inanspruchnahme.

Das Bundesministerium für Justiz ist in diesem Zusammenhang auch bestrebt, die Anzahl richterlicher Nebentätigkeiten im Kommissionen nach Artikel 133 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes einzudämmen, insbesondere auch dadurch, dass es in Begutachtungsverfahren stets gegen die Neuerrichtung derartiger Kommissionen und für eine Verminderung der Zahl dieser Gremien eintritt.

Überdies wird auf die durch die Novelle BGBl. Nr. 259/1990 neugefasste Bestimmung des § 63 Abs. 4 des (nunmehr) Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes hingewiesen, wonach es dem Richter untersagt ist, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat, dem Verwaltungsrat oder einem sonstigen Organ einer auf Gewinn gerichteten juristischen Person anzugehören. Im Falle der Zugehörigkeit des Richters zu einem Organ einer anderen juristischen Person darf für diese Beschäftigung weder dem Richter selbst noch einer anderen Person ein Entgelt zufließen. Diese Regelung ist wesentlich restriktiver gefasst als jene im § 56 Abs. 5 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, die vorsieht, dass der Beamte eine Tätigkeit im Vorstand, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder in einem sonstigen Organ einer auf Gewinn gerichteten juristischen Person des privaten Rechts "jedenfalls zu melden" hat.

Zu 3:

E) „Unabhängige Evaluierung der Tätigkeit der Abteilung IV/2 des BMJ seit 1994“:

Ich sehe auch seit meiner Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Zahl 707/J-NR/2007 keinen Anlass zur Annahme, dass die strafrechtlichen Ermittlungen in der „Causa Atomic“ nicht ordentlich und unabhängig geführt worden seien. Das Bundesministerium für  Justiz  hat  im  Zusammenhang  mit  den  Strafverfahren  „Atomic/Rohrmoser“ keine Weisungen im Sinne des § 29 Abs. 1 StAG erteilt.  Zu den rechtlichen Erwägungen des Bundesministerium für Justiz im Zusammenhang mit der Vorlage von Akten an den Untersuchungsausschuss betreffend „Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo-Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister“ verweise ich auf meine ausführliche Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Zahl 372/J-NR/2007.

F) „Unabhängige Untersuchung der Tätigkeit des Konkursrichters in straf- und dienstrechtlicher Hinsicht unbeschadet einer allfälligen Verjährung“:

Alle gegen Dr. S. erhobenen Vorwürfe wurden – insoweit sie hinreichend konkretisiert waren – überprüft. Gründe für die Ergreifung dienstaufsichtsbehördlicher oder disziplinarrechtlicher Maßnahmen wurden dabei nicht gefunden.

Die strafrechtlich relevanten Vorwürfe wurden von den Anklagebehörden geprüft und die hiefür als notwendig erachteten Schritte nach Befassung der Oberstaatsanwaltschaft bzw. teils auch des Bundesministeriums für Justiz durchgeführt. Einer – nochmaligen – strafrechtlichen Prüfung der identen Sachverhalte unbeschadet einer allfälligen Verjährung kann daher nicht nähergetreten werden. Der Eintritt der Verjährung nach § 57 StGB muss in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrgenommen werden, wobei die Verjährung der Tat bewirkt, dass der Täter ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verfolgt oder bestraft werden darf.

Zu 4:

Wie zu Punkt 11. der Anfragebeantwortung vom 20. Juni 2007 zur Zahl 707/J-NR/2007 ausgeführt, werden im Falle des Bekanntwerdens neuer Verdachtsmomente entsprechende Ermittlungsschritte zu setzen sein. Derartige neue Verdachtsmomente in Richtung eines strafrechtswidrigen Verhaltens haben sich jedoch aus den dokumentierten Schlussfolgerungen des Bankenuntersuchungsausschusses nicht ergeben, wobei ich erneut darauf hinweise, dass eine strafrechtliche Untersuchung trotz bereits eingetretener Verjährung wegen rechtlicher Unzulässigkeit nicht in Betracht kommt.

Aktuell ist bei der Staatsanwaltschaft Salzburg noch ein Verfahren gegen Dr. S., Dr. V. und Dr. H.-E. wegen des Verdachts nach § 304 StGB anhängig, dessen Fortgang durch die für Einzelstrafsachen zuständige Fachabteilung meines Hauses überwacht wird.


Zu 5:

Dr. S. ist – wie jeder andere Richter und jede andere Richterin auch – auf seinen Antrag hin bei Vorliegen bzw. Erreichen der zeitlichen Voraussetzungen in den dauernden Ruhestand zu versetzen.

. Februar 2008

 

(Dr. Maria Berger)