2896/AB XXIII. GP
Eingelangt am 14.02.2008
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0148-Pr 1/2007
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 2971/J-NR/2007
Der Abgeordnete zum Nationalrat Dipl.-Ing. Karlheinz Klement, MAS und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Missbrauch der Wegweisung“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Insoweit die Behauptung, Wegweisungen nach § 38a SPG seien „missbräuchlich“ erfolgt, (auch) unrichtiges Vorgehen von Organen der öffentlichen Sicherheit implizieren soll, wäre die Anfrage an den Bundesminister für Inneres zu richten.
Wichtig erscheint mir, darauf hinzuweisen, dass nicht der Umstand der Wegweisung einer verheirateten Person nach § 38a SPG eine „schwere Eheverfehlung“ iSd § 49 EheG und damit einen Ehescheidungsgrund im Rahmen einer Scheidung wegen Verschuldens zu begründen vermag, sondern der davor getätigte oder bevorstehende gefährliche Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit gegen den anderen Ehegatten, der eine Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung nach § 90 Abs. 1 ABGB darstellt. Sollte ein derartiger Angriff im Scheidungsverfahren als schwere Eheverfehlung geltend gemacht werden, so trägt die sich darauf berufende Partei hiefür die Beweislast. Der Umstand einer allenfalls vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Wegweisung nach § 38a SPG entfaltet keine Bindungswirkung im Scheidungsverfahren. Scheitert die Beweisführung der klagenden Partei, so wäre eine darauf gestützte Ehescheidungsklage abzuweisen.
Zu 2:
Nein.
Zu 3 und 4:
Entfällt in Hinblick auf die Beantwortung zu 2.
Zu 5:
Die in der Anfrage geschilderte Praxis von RechtsanwältInnen und Beratungsstellen, scheidungswilligen Frauen generell die Stellung eines Wegweisungsantrags anzuraten, ist dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt.
Es ist Aufgabe der Gerichte, im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die erforderlichen Prüfungen und Beurteilungen vorzunehmen, bevor über Parteienanträge entschieden wird. Auf diese wesentliche Rechtsprechungsaufgabe werden die österreichischen RichteramtsanwärterInnen im Rahmen ihrer Ausbildung eingehend vorbereitet.
Zu 6 und 7:
Die (missbräuchliche) Behauptung von unrichtigen Tatsachen zur Stützung des eigenen Verfahrensstandpunktes kann im betreffenden Verfahren zur Abweisung des Rechtsschutzbegehrens dieser Verfahrenspartei bzw. zur Stattgebung jenes der gegnerischen Partei führen und hat im Regelfall daher zur Folge, dass die unterliegende Partei die Pflicht zum Ersatz der Verfahrenskosten trifft.
Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kann ein derartiges Vorgehen auch Schadenersatzansprüche der gegnerischen Partei gemäß § 1295 Abs. 2 ABGB nach sich ziehen.
Zu 8:
Unwahre Angaben über Wegweisungsgründe können den Tatbestand der Verleumdung (§ 297 StGB) erfüllen. Der qualifiziert öffentliche Aufruf zur Begehung einer Verleumdung kann den Tatbestand der Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen nach § 282 StGB erfüllen. Meiner Fachsektion sind jedoch weder AnwältInnen noch Beratungseinrichtungen bekannt, die sich derartiger Praktiken bedienen würden.
Zu 9 und 10:
In Österreich werden im Jahr etwa 80.000 Kinder geboren. Die Eltern oder ein Elternteil erhalten die Obsorge für das neugeborene Kind unmittelbar durch das Gesetz und ohne einen behördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsvorgang. Die Obsorge der Eltern für ihre Kinder steht unter dem grundrechtlichen Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK. Ein Eingriff in die elterlichen Befugnisse ist daher nur unter einschränkenden Voraussetzungen, aber jedenfalls bei einer Gefährdung des Kindeswohls (§ 176 ABGB) oder bei einer Scheidung oder Trennung der Eltern (§§ 177 ff ABGB) möglich.
Es trifft zu, dass die Gerichte auch bei Psychoterror durch einen Familienangehörigen einstweilige Verfügungen nach § 382b EO erlassen, allerdings erst dann, wenn die psychische Gesundheit der vom Terror betroffenen Person „erheblich beeinträchtigt“ wird. Die in der Anfrage – wohl in diesem Zusammenhang – angesprochene „gängige Rechtsprechung“, Frauen mit „schweren psychischen Problemen“ die alleinige Obsorge für ihre Kinder zuzusprechen, besteht nicht.
Maßgebliches Kriterium bei Entscheidungen über die Obsorge ist das Wohl des Kindes in seiner Gesamtheit. Somit ist auch die Frage der Erziehungsfähigkeit der Elternteile ein wesentliches Element solcher Entscheidungen und vom zuständigen Entscheidungsorgan, allenfalls auch mit Hilfe eines Sachverständigen, zu überprüfen.
. Februar 2008
(Dr. Maria Berger)