2904/AB XXIII. GP

Eingelangt am 14.02.2008
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0257-III/4a/2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

               Wien, 13. Februar 2008

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2951/J-NR/2007 betreffend Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender Jugendlichen an Schulen, die die Abg. Dieter Brosz, Freundinnen und Freunde am 20. Dezember 2007 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Frage 1:

Dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ist das Handbuch „Mit Vielfalt umgehen: Sexuelle Orientierung und Diversity in Erziehung und Beratung“, das von dem europäischen Projekt TRIANGLE (Transfer of Information to Combat Discrimination Against Gays and Lesbians in Europe) erstellt wurde und aufzeigt, wie man mit den Themen Lesbisch- bzw. Schwulsein und Bisexualität umgehen kann, bekannt (www.diversity-in-europe.org).

 

Zu Fragen 2 und 5:

Das (innere und äußere) „Comig-out“, welches prozessual über die oftmals langdauernde Bewusstwerdung über eine bei der eigenen Person vorhandene sexuelle Orientierung bis hin zur expliziten Offenbarung der eigenen sexuellen Orientierung gegenüber allen oder ausgewählten Menschen (meist des sozialen Umfeldes, beginnend mit nahen Verwandten und Freunden) reicht, stellt einen selbstbestimmten Schritt dar. Kriterium ist, ob die Betroffene oder der Betroffene innerlich seine sexuelle Orientierung akzeptiert hat und sich selbst nicht verleugnet. Für die meisten ist das nicht ganz einfach, sondern mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden. Entsprechend dem Grundsatzerlass „Sexualerziehung in den Schulen“ sind die vorrangigen Zielsetzungen der schulischen Sexualerziehung im Aufbau eines Wertewissens, in der Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten, in der Etablierung fächerübergreifender Strukturen (Unterrichtsprinzip), in einer partnerschaftlichen Kommunikation, im Zusammenwirken der Schulgemeinschaft sowie in der Einbindung von Expertinnen und Experten zu diesen Fragestellungen gelegen. In diesem Sinne können diese schulstandortspezifisch realisierten Strukturen sowie die zu den nachstehenden Fragen angeführten Aktivitäten und Maßnahmen eine wertvolle Unterstützung für diesen selbstbestimmten Schritt bieten.

 

Zu Fragen 3 und 7:

Wie bereits erwähnt können entsprechend dem Grundsatzerlass für die Behandlung spezieller Fragen im Rahmen der Sexualerziehung auch außerschulische Expertinnen und Experten beigezogen werden. In diesem Sinne wird vom Ressort seit rund zehn Jahren das am Österreichischen Institut für Familienforschung entwickelte Projekt „LoveTalks“ (www.lovetalks.org) finanziell unterstützt.

 

„LoveTalks“ wird einerseits als Lehrkräftefortbildung im Rahmen von schulinternen Fortbildungen von den Sexualpädagogen Olaf Kapelle und Dr. Brigitte Czicek angeboten. Im Rahmen von „LoveTalks“ findet die Auseinandersetzung mit verschiedensten Themen der Sexualität ua. auch mit Homosexualität statt.

 

„LoveTalks“ als Sexualerziehungsprojekt für Jugendliche wird in der Höhe von 7.000 Euro unterstützt. Jugendliche entwickeln gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und externen Moderatorinnen und Moderatoren an der Schule Sexualerziehungsprojekte und setzen sich dabei mit Themen auseinander, die sie bewegen – Themen wie „Grenzen setzen“, „In andere Rollen schlüpfen“ oder „Verhütung“; Homosexualität ist dabei auch ein Aspekt. Mit diesem Projekt soll Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften die „Scheu“ genommen werden, über Sexualität zu kommunizieren; gleichzeitig soll vermittelt werden, dass Sexualität viel mit Respekt für die Intimsphäre zu tun hat und dass bei Problemen Hilfestellungen in Anspruch genommen werden können.

 

Darüber hinaus werden Sexualerziehungsprojekte von außerschulischen Vereinen/Personen im Rahmen des Bildungsförderungsfonds für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung gefördert; 10.000 Euro werden in Sexualerziehungsprojekte investiert.

 

Zu Frage 4:

Zusätzlich zu den bislang angeführten Aktivitäten werden vom Bildungsförderungsfonds für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung auch Schulen bei Projektarbeiten unterstützt. Dafür steht ein Gesamtvolumen von 60.000 Euro zur Verfügung. Weiterhin wird von der bundesweiten
GIVE-Servicestelle das vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend sowie dem Österreichischen Jugendrotkreuz publizierte (und überarbeitete) „Infopaket Sexualpädagogik“ zur Information und Beratung von Lehrkräften aller Schulstufen angeboten. Auch der Themenbereich Homosexualität wird behandelt sowie Hintergrund, Aufgaben der Sexualpädagogik sowie Methodik für die Unterrichtsgestaltung (Diskussion, Rollenspiel, Reflexion der eigenen Gefühle, …) erläutert (www.give.or.at).

 

Zu Frage 6:

Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die Vermittlung von Respekt und Akzeptanz gegenüber andersempfindenden Menschen wesentliche Werte außer- und innerhalb der Schule darstellen. Information, Aufklärung sowie Analyse der Hintergründe haben sich als guter Weg zur Bekämpfung der Homophobie erwiesen. Um dies zu erreichen, führt das Ressort gemeinsam mit dem Fonds Gesundes Österreich Expertinnen- und Expertenworkshops zum Thema „Seelische Gesundheit“ durch. Für 2008 ist der Schwerpunkt „Gewalt“ geplant. Dabei sollen verschiedene Workshops zB. zum Thema „Besondere Gewaltkontexte bei diskriminierten Bevölkerungsgruppen“ (ua. homosexuelle Jugendliche, behinderte Jugendliche) sowie „Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten“ angeboten werden.

 

Zu Frage 8:

Ansprechpersonen beim Auftreten persönlicher Probleme und Schwierigkeiten im Erleben der Schülerinnen und Schüler können grundsätzlich alle im Lebensraum Schule handelnden Schulpartnerinnen und -partner sein. Naturgemäß bedarf es dazu eines besonderen Vertrauensverhältnisses, welches es im Sinne des vorstehend genannten Grundsatzerlasses aufzubauen und zu stärken gilt. Hervorzuheben sind Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie die mit ihnen und anderen Beratungsinstitutionen zusammenarbeitenden Schüler- und Bildungsberater. Ferner stehen die Schulärztinnen und Schulärzte als Ansprechpartnerinnen und -partner zur Verfügung, deren Aufgabenprofil ua. die Betreuung und Beratung in Fragen wie der Sexualität sowie die Begleitung bei Krisen umfasst. Für weitere Unterstützung werden einschlägige außerschulische Expertinnen und Experten vermittelt.

 

Zu Frage 9:

Die Ausbildung zum/zur Schulpsychologen/Schulpsychologin baut auf dem Vollstudium der Psychologie auf, welches sich in den Bereichen Sozialpsychologie, Differentielle Psychologie, Beratungspsychologie verschiedenen Themen des Miteinanderlebens, der individuellen Persönlichkeit und Lebensgestaltung etc. widmet. Die schulpsychologische Ausbildung setzt dann Schwerpunkte in den Kenntniserwerb der rechtlichen Rahmenbedingungen in der öffentlichen Verwaltung sowie der pädagogischen Gegebenheiten. Soweit die Schulpsychologie zu eingehenderen Problemberatungen in die Lage versetzt wird, entscheidet weniger die spezielle Ursache von Auseinandersetzungen mit sich und anderen als vielmehr die psychische Resonanz bei sich und anderen. Ob zB. Mobbing und Ausgrenzung durch andere Herkunft oder soziale Statusunterschiede oder durch Lernbehinderung oder durch Hochbegabung oder durch andere Umstände (wie zB. eine besondere Form der sexuellen Orientierung) hervorgerufen wird, ist eine eher gesellschaftliche Frage der Auffassung von Normalität und der allgemeinen Wertvorstellungen. Psychologisch relevant ist die Frage, wie der/die Einzelne oder die Gemeinschaft mit dem „Anderssein“ innerlich zurechtkommt, ob sich Ängste, Minderwertigkeitsgefühle, Isolation etc. ergeben. Hier wird durch Vermittlung von Basiskompetenzen (wie etwa Selbstbehauptung, Selbstwertstützung, Toleranz) im Rahmen der psychologischen Gesundheitsförderung (neben der psychologischen Bildungsförderung eine Hauptaufgabe der Schulpsychologie-Bildungsberatung) Hilfe und Unterstützung geleistet. Einblicke kann die kontinuierlich auszuweitende homepage der Schulpsychologie-Bildungsberatung geben (www.schulpsychologie.at).

 

 

 

Zu Frage 10:

Für den Bereich der Volksschule ist – wie auch für die anderen Bereiche festzuhalten, dass der Grundschullehrplan „ein Lehrplan mit Rahmencharakter“ ist dh. die Lehrkraft hat bei der Auswahl der Aufgaben und Inhalte auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder und die besonderen Gegebenheiten einzugehen. Der Unterricht in der Grundschule soll kindgemäß, lebendig und anregend (…) sein. Das im Lehrplan verankerte und vorstehend genannte Unterrichtsprinzip „Sexualerziehung“ sowie die didaktischen Grundsätze des Sozialen Lernens, der Lebensbezogenheit und Anschaulichkeit sowie der Sachgerechtheit sind zu beachten. Lehrplanbestimmungen finden sich insbesondere im Pflichtgegenstand „Sachunterricht“ (Auszug zB. Grundstufe I „… Der Mensch: - Kenntnisse über den menschlichen Körper erwerben … - Elementares Wissen und eine positive Einstellung zur menschlichen Sexualität anbahnen, Information über die menschliche Sexualität gewinnen: …“ oder Grundstufe II „Über Bereiche menschlicher Fortpflanzug grundlegendes Wissen erwerben, … Liebe und Partnerschaft als Grundlage menschlicher Sexualität verstehen, …. Im Zusamenwirken mit den Erziehungsberechtigten auf die bevorstehenden Reifeerscheinungen vorbereitet werden, …“). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der Grundschule der Themenbereich Sexualität in kindgerechter und adäquater Form unter Beachtung der obigen Gesichtspunkte thematisiert wird, auch wenn die Begriffe „Homosexualität“ oder „Transsexualität“ expressis verbis nicht vorkommen.

 

Im Bereich der Hauptschulen und der allgemein bildenden höheren Schulen ist das Unterrichtsprinzip „Sexualerziehung“ lehrplanmäßig verankert (im allgemeinen Teil beim Kapitel über die Bildungsbereiche). Auf das Thema Homosexualität wird im Unterrichtsgegenstand Biologie und Umweltkunde (sowohl in der Unter- als auch in der Oberstufe) eingegangen. Die homo-, bi- und transsexuelle Lebensweise wird im Rahmen der Sexualerziehung den Lehrplänen sohin entsprechend thematisiert. Der Begriff bzw. das Wort „Sexualität“ wird im Lehrplan des Gegenstandes Biologie und Umweltkunde explizit ausgesprochen; die Begriffe „Homosexualität“ und „Transsexualität“ werden als solche nicht angeführt, da der jeweilige Lehrplan im Sinne eines Rahmens allgemeine Vorgaben gibt; die detaillierte Gestaltung der Unterrichtsinhalte liegt im Ermessen und der Verantwortung der Lehrkraft in Hinblick auf die konkret angesprochenen Schülerinnen und Schüler (Lehrplanauszug:

Biologie und Umweltkunde:

1. Klasse

Mensch und Gesundheit:

Aufbauend auf den in der Volksschule erworbenen Kenntnissen ist ein Überblick über Bau und Funktion des menschlichen Körpers, insbesondere der Organsysteme, zu geben. Gleichzeitig ist eine Vertiefung des Verständnisses für den eigenen Körper anhand der Schwerpunkte Bewegung und Sexualität anzustreben. Bewegung: Grundlagen der Bewegung, daran beteiligte Organe, Bewegung - Gesundheit - Wohlbefinden.

Sexualität: Unter Einbeziehung der Interessen der Schülerinnen und Schüler sind folgende Themen zu behandeln: Bau und Funktion der Geschlechtsorgane, Menstruation, Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt, körperliche, psychische Entwicklung und Befindlichkeit in der Pubertät, Aufklärung über sexuellen Missbrauch/Prophylaxe

….


3. und 4. Klasse:

Mensch und Gesundheit:

Sexualität: Unter Einbeziehung der Interessen der Schülerinnen und Schüler sind folgende Themen zu behandeln: Sexualität als biologisches, psychologisches und soziales Phänomen, Empfängnisregelung, Schwangerschaft, Geburt; AIDS-Prophylaxe.

6. Klasse

Sexualität

Verständnis von Sexualität als biologisches, psychologisches und soziales Phänomen vertiefen und zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Sexualität anregen (Sexualethik); Wissen über Möglichkeiten der Fortpflanzungsmanipulationen und über die Embryonalentwicklung beim Menschen erwerben

…“).

 

Das Unterrichtsprinzip „Sexualerziehung“ ist im Bereich der berufsbildenden Schulen in allen Lehrplänen verankert (zB. hinsichtlich der gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Fachschulen in der Lehrplanverordnung BGBl. II Nr. 205/2007 und der Höheren technischen und gewerblichen Lehranstalten in der Lehrplanverordnung BGBl. II Nr. 302/1997 idgF). Weiters wird das Thema „Sexualität“ in den einschlägigen Unterrichtsgegenständen, beispielsweise „Psychologie“ und „Biologie und Ökologie“ thematisiert.

 

Das Unterrichtsprinzip „Sexualerziehung (einschließlich Erziehung zu partnerschaftlichem Verhalten zwischen den Geschlechtern)“ ist auch im Bereich der Bildunganstalten für Kindergarten- und Sozialpädagogik in den Lehrplänen innerhalb der einzelnen Unterrichtsgegenstände und bei den Unterrichtsprinzipien entsprechend verankert. Darüber hinaus ist im allgemeinen Bildungsziel das Gebiet „Sensibilität für kultur- und geschlechtsspezifische Aspekte von Erziehung und Sozialisation“ enthalten. Weiters wird das Thema „Sexualität“ etwa in den einschlägigen Unterrichtsgegenständen „Pädagogik“, „Biologie und Umweltkunde“, „Philosophie“ („Menschen mit Toleranz und Wertschätzung begegnen, geschlechtssensibel agieren“), „Psychologie“ („Die menschliche Sexualität, biologische und soziale Aspekte“, „Interkulturelle Erziehung“ - Bewusstwerdung von Vorurteilen, Stereotypen, und Klischees) genannt.

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.