2958/AB XXIII. GP

Eingelangt am 21.02.2008
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

 

Parlament

1017   W i e n

 

 

Wien, am 21. Februar 2008

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2982/J-NR/2007 betreffend Licht ins Dunkel bei Licht-am-Tag-Abschaffungsstudie, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundiinnen und Freunde am 21. Dezember 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

 

Fragen 1 und 2:

Was sagen Sie zur deutlichen Methodenkritik der ExpertInnen der deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen am Positionspapier der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie durchgeführten „Untersuchung von blicktechnischen Interaktionen im realen Straßenverkehr in Ortsgebieten und Freiland“ des Institutes für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung EPIGUS vom 7. September 2007, auf dessen Grundlage Sie die Wiederabschaffung von Licht am Tag einleiteten?

 

Was können Sie im einzelnen zur Entkräftung der fünf konkreten methodischen Kritikpunkte der ExpertInnen der deutschen Bundesanstalt für Straßenwesen anführen, wie sie der Parl. Staatssekretär im deutschen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in seiner Anfragebeantwortung vom 31.10.2007 im Deutschen Bundestag referierte?

 

Antwort:

Die österreichischen Überlegungen zur Abschaffung des Fahrens mit Abblendlicht bei besten Lichtverhältnissen basieren nicht ausschließlich auf den Inhalten eines Positionspapiers, sondern auf Grundlage einer umfassenden Forschungsarbeit über Blickuntersuchungen von 1543

Interaktionen im Straßenverkehr, die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovationen und Technologie durchgeführt wurden.

 

Die zitierten fachlichen Feststellungen der BAST machen deutlich, dass sich die Stellungnahmen inhaltlich ausschließlich auf das Positionspapier, also auf das gekürzte Ergebnis der umfangreichen Arbeit, beziehen.

 

Die Fragestellungen selbst lassen insgesamt fehlende Kenntnisse über die detaillierten Inhalte und die Methodik der wissenschaftlichen Arbeit erkennen.

 

Der Verfasser der Studie, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ernst Pfleger ist in seinem Fach fachlich unbestritten:

 

 

Er ist Autor von mehr als 350 Fachartikel und Büchern und gleicher Anzahl von Vorträgen.

Als Vorsitzender der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße, Schiene und Verkehr/

Arbeitsausschusses Verkehrssicherheit hat er nachstehende bundesweite Richtlinien für Österreich erstellt:

 

- Verkehrssicherheitsuntersuchungen

- Verkehrskonfliktbeobachtungen

- Verkehrssachverständigenuntersuchungen

- Road-Safety-Audit

- Road-Safety-Inspection

 

 

Fachliche Feststellungen zur Antwort vom 22.10.2007

 

Festgehalten wird, dass mit der österreichischen Forschungsarbeit soweit überblickbar europaweit erstmalig sehphysiologische Blickanalysen zum Thema Fahren mit und ohne Licht am Tag (Abblendlicht) mit einem High-Tech-Blickanalyse-System mit einer Genauigkeit von 40tausendstel Sekunden und einer Winkelgenauigkeit von 15 Bogenminuten durchgeführt wurden.

 

Bisherige Arbeiten zum Thema „Fahren mit Licht“ beziehen sich ausschließlich auf statistische Trendbeobachtungen von Unfallereignissen einzelner Länder über Zeitreihen und nicht auf physiologische Detailbetrachtungen von Interaktionen.

 

Fachliche Feststellungen zur Antwort vom 31.10.2007

 

Punkt 1

Die Messungen erfolgten mit dem derzeit modernsten Blickerfassungssystem, wobei nicht nur Aufzeichnungen über Blickorientierung, Dauer und Häufigkeit (Navigation nach Lage und Zeit) erfolgten, sondern auch das gesamte Blickverhalten unter Einbeziehung der Fixationsqualitäten mit genauer Analyse der relevanten sehphysiologischen Parameter unter Berücksichtigung der blicktechnischen Ausfälle untersucht wurde.


Punkt 2

Entgegenkommende Fahrzeuge sind nur eine Teilmenge von wichtigen Informationen im Straßenraum. Wichtige Erkenntnisse sind, dass entgegenkommende Fahrzeuge mit Licht Sekundenbruchteile früher erkannt werden, jedoch deutlich höhere Zeiten für Blickbindungen auf die Scheinwerfer im Zuge des Näherkommens im direkten Nahbereich verwendet werden. Diese Zeiten gehen somit für die Wahrnehmung anderer Verkehrsteilnehmer verloren.

 

Punkt 3

Bei allen 1543 Interaktionen wurde das Blickverhalten auf entgegenkommende Fahrzeuge unter Einbeziehung aller Navigationspunkte auf die gesamte Straßenanlage, auf Objekte und auf Verkehrsteilnehmer mit Schwergewicht Fußgänger und Radfahrer gemessen und in einer Datenbank gesammelt. Umfangreiche Beispiele zeigen, dass durch erhöhte Blickbindungen auf die Scheinwerfer sehr wohl Aufmerksamkeiten von anderen wichtigen Reizen (auf Fußgänger, Fahrzeuge, u. a.) abgezogen werden, da stets nur eine ganz bestimmte Zeitspanne im Zuge des Vorbeifahrens zur Verfügung steht.

 

Es konnten in der Forschungsarbeit typische Latenzverspätungen ausgewiesen werden, welche auch in der Arbeit umfassend durch Praxisbeispiele aus der Befahrung untermauert werden.

 

Punkt 4

In der Arbeit wurden auch Streckenunterschiede, verkehrliche Zusammenhänge, Komplexitäten von Verkehrssituationen erhoben, die Analysen wurden detailliert und zusammengefasst durchgeführt. Klargestellt wird, dass bei allen Interaktionen auf Grund der Genauigkeit des Messsystems alle sehphysiologischen Abfolgen auch in ihren qualitativen Auswirkungen mit dem aktuellen Umfeld beurteilt werden konnten, so dass aus den Einzelergebnissen Gesamtsergebnisse generiert wurden. Die Befahrungen wurden mit routinierten Probanden im realen Verkehrsgeschehen ohne Kenntnisse des Untersuchungszieles durchgeführt, die Auswertungen erfolgten mehrschichtig nach allen relevanten Bestandselementen der Straße und des Verkehrs.

 

Punkt 5

Die Methodik bei der Aufklärung von Unfällen und Konflikten durch Unfallsachverständige bezieht sich darauf, dass Ereignisse und Interaktionen hinsichtlich Gefahrenaufforderung und Gefahrenerkennung, zweckdienlicher Reaktion und Bewältigung einer Fahrabfolge durchgeführt wurde. Dieser gesamte Zusammenhang der Informationsaufnahme und Reaktionshandlungen konnte daher mit dem modernsten österreichischen High-Tech-Blickanalyse-System analysiert, geprüft und zugeordnet werden.

 

Schlussbemerkung

Die sicherheitstechnische Beurteilung des Gefahrenpotentials von Interaktionen im Straßenverkehr durch Einsatz modernster Geräte der Blickanalyse ist die wissenschaftlich modernste Form der Gefahrenanalyse und Gefahrenbewertung, weil physiologische Beeinträchtigungen und Leistungsgrenzen der menschlichen Wahrnehmung jeweils für Einzelfälle prophylaktisch, also noch vor Eintritt eines Unfallereignisses beurteilt werden können. Die Verwendung des modernsten Forschungsmittels macht nach jahrelanger Entwicklung nunmehr möglich, dass österreichische Unfall- und Blickforscher in Sicherheits- und Blickanalysen zur Bewertung der menschlichen Leistungsfähigkeit international weit voraus sind und wissenschaftlichen Vorsprung haben.

 

Die österreichischen Unfall- und Sicherheitsforscher haben daher zur Analyse der Auswirkungen von Fahren mit Abblendlicht nicht die herkömmliche Form statistischer Verkehrssicherheitsanalysen beruhend auf Unfalldaten gewählt, da diese immer nur die Sammlung von Unfallursachen nach erfolgten Unfallereignissen darstellt, so dass Beinahe-Unfälle und Konfliktsituationen nicht mitbewertet werden können.

 

Darüber hinaus sind gerade bei den Vergleichen von Unfallstatistiken stets besonders vielschichtige und unterschiedliche Einflussgrößen gegeben, die dann keinen Eingang finden und in weiterer Folge Ergebnisse nachhaltig verfälschen können (siehe international unterschiedliche Ergebnisse in den Ländern nach Zeitreihen, vergleiche aber auch die Zunahme von Motorradunfällen bei guten Witterungsverhältnissen in Österreich u.ä.).

 

Für die ganzheitliche Beurteilung von Sachverhalten der Verkehrssicherheit sind daher beide Verfahren und Methoden wissenschaftlich nicht gegeneinander auszuspielen, sondern jeweils zielorientiert und fehlerfrei einzusetzen und integrativ zusammenzuführen.

 

Zusammenfassung und Ausblick

Ergebnis der veröffentlichten Forschungsarbeit Licht am Tag ist die Beweisführung, dass die Benutzung von Abblendlicht bei besten Licht- und Sichtverhältnissen immer dann nachteilig ist, wenn komplexe Verkehrssituationen vor allem mit schwächeren Verkehrsteilnehmern gegeben sind. Der Autor hat mehrfach darauf hingewiesen, dass diese negativen Zusammenhänge und Nachteile mit hoher Sicherheit durch Einführung des schwächeren Daytime-Running-Lights nicht gegeben sein werden.

 

Frage 3:

Wann werden Sie die vollständigen Endberichte der beiden zur Evaluierung von „Licht am Tag“ beauftragten Untersuchungen der Öffentlichkeit zugänglich machen?

 

Antwort:

Derzeit wird am EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung gemeinsam mit Neurologen, Schmerz- und Augenmedizinern eine Folgestudie durchgeführt, die erstmals in Europa auch Einflüsse von Blendungen durch Scheinwerfer und Gegenlicht durch Synchron-Messungen von Gehirnströmen mittels EEG, biomedizinischer Stressmessungen und blicktechnischer Analysen durchgeführt wurden, die Ergebnisse liegen in Kürze vor. In diesem Zusammenhang wird die Gesamtevaluierung präsentiert werden.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Werner Faymann