2959/AB XXIII. GP
Eingelangt am 21.02.2008
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-11.000/0002-I/PR3/2008 DVR:0000175
An die
Präsidentin des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer
Parlament
1017 W i e n
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2983/J-NR/2007 betreffend Lücken der PKW-Winterausrüstungspflicht, die die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde am 21. Dezember 2007 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Frage 1:
Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ hat am 11. Dezember 2007 das von der Regierung durchgeboxte und mit ihrer Mehrheit im Parlament beschlossene Gesetz zur Winterausrüstungspflicht für Pkw als „völlig chaotisch und unausgegoren“ bezeichnet. Was sagen Sie zu dieser scharfen Kritik eines Experten, der an der Spitze einer Vorfeldorganisation ihrer eigenen Partei steht?
Antwort:
Ich darf Sie vorweg darauf hinweisen, dass diese Gesetzesänderung nicht von der Regierung „durchgeboxt“ worden ist, sondern von Abgeordneten des Parlaments initiiert und mit entsprechender Mehrheit beschlossen worden ist.
Zur angesprochenen Äußerung des geschäftsführenden Vizepräsidenten des ARBÖ ist zu bemerken, dass dies eine von mehreren Expertenmeinungen ist. Ich meine aber, dass die Kritik nicht zutrifft, da die Winterreifenpflicht für PKW weder chaotisch noch unausgegoren umgesetzt worden ist. Es wurde eindeutig festgelegt, dass für Fahrzeuge der Klasse M1, das sind die hier angesprochenen PKW, in bestimmten Situationen Winterreifenpflicht gilt.
Dem Vizepräsidenten des ARBÖ geht diese Regelung aber offenbar zu wenig weit, weshalb Kritik geübt wird, dass die Verpflichtung nicht auch für sog Microcars oder für Wohnmobile, die noch nicht als Fahrzeug der Klasse M1, sondern als Spezialkraftfahrzeug genehmigt worden sind, gilt.
Darüber hinaus werden einige aufgeworfene Fragen im Erlassweg ohnehin geregelt.
Frage 2:
Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ kritisiert, dass Mopedautos – bekanntlich eine nicht gerade unterdurchschnittlich in der Unfallstatistik vorkommende Fahrzeuggruppe – auch künftig weder Winterreifen noch Schneeketten brauchen.
a) Trifft diese Kritik zu?
b) Wenn ja, wie erklären Sie diesen Mangel der nicht zuletzt von Ihnen betriebenen
Schnellschuss-Gesetzesänderung?
c) Welche Verbesserungsvorschläge dazu werden Sie wann im einzelnen vorlegen?
Antwort:
Mit der Gesetzesänderung sollte eine Winterreifenpflicht für PKW und Klein-LKW, also für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 geschaffen werden.
Eine Winterreifenpflicht auch für vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge zu schaffen wurde als nicht erforderlich erachtet, da diese Fahrzeuge aufgrund ihrer geringen Bauartgeschwindigkeit sowieso das hochrangige Straßennetz nicht benutzen dürfen und somit dort keinerlei Staus auslösen können. Im niederrangigen Netz sind noch keine Probleme mit solchen Fahrzeugen im Winter aufgetreten.
Frage 3:
Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ kritisiert, dass verabsäumt wurde, eine Ausnahme für Reservereifen zu statuieren.
a) Trifft diese Kritik zu?
b) Wenn ja, wie erklären sie diesen Mangel der nicht zuletzt von Ihnen betriebenen
Schnellschuss-Gesetzesänderung?
c) Welche Verbesserungsvorschläge dazu werden Sie wann im einzelnen vorlegen?
Antwort:
Meiner Ansicht nach trifft diese Kritik nicht zu, da es in der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung (KDV) eine Regelung gibt (§ 4 Abs. 5b KDV), wonach die Bestimmungen u.a. über die Profiltiefe und wonach Winterreifen an allen Rädern angebracht sein müssen, nicht für ein Ersatzrad gelten, wenn dieses nur für kurze Strecken, wie insbesondere für den Weg bis zur nächsten in Betracht kommenden Reparaturwerkstätte, verwendet wird.
Frage 4:
Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ kritisiert, dass für Probe- und Überstellungsfahrzeuge im PKW-Bereich die Winterreifenpflicht ohne Ausnahme gilt, während für LKW über 3,5 Tonnen in derselben Gesetzesnovellierung sehr wohl eine Ausnahme statuiert wurde – wohlgemerkt nachdem das November-Schneechaos auf der A21 erwiesenermaßen von LKW und nicht von PKW ausgelöst wurde. Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ bewertet diese ungleiche (und unsachliche) Ausnahmenlösung als verfassungswidrig.
a) Trifft diese Kritik zu?
b) Wenn ja, wie erklären Sie diesen Mangel der nicht zuletzt von Ihnen betriebenen
Schnellschuss-Gesetzesänderung?
c) Welche Verbesserungsvorschläge dazu werden Sie wann im einzelnen vorlegen?
Antwort:
Die Ausnahme für Schwerfahrzeuge, mit denen Überstellungsfahrten durchgeführt werden, wurde bereits bei Einführung der Winterreifenpflicht für Schwerfahrzeuge im Jahre 2006 geschaffen.
Insbesondere bei Überstellung neuer Fahrzeuge in südliche Länder, wo keine Winterreifen benötigt werden, würden sich dadurch höhere Kosten und Wettbewerbsnachteile ergeben.
Bei der neuen Winterreifenpflicht für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 war eine solche Ausnahme nicht notwendig, da einerseits die Überstellung von neuen Fahrzeugen in das Ausland in der Regel nicht auf eigener Achse erfolgt und andererseits die Winterreifenpflicht bei diesen Fahrzeugen nur bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen gilt. Daher benötigen diese Fahrzeuge gar keine Ausnahme, wenn sie bei nicht winterlichen Fahrbahnverhältnissen ohne Winterreifen verwendet werden. Die unterschiedliche Regelung ist daher sehr wohl sachlich gerechtfertigt.
Frage 5:
Halten Sie abgesehen von diesen grundlegenden rechtlichen Bedenken eine Ausnahme einer nicht zu vernachlässigenden Gruppe von LKW von einer Winterausrüstungspflicht vor dem Hintergrund der Geschehnisse auf der A21 Mitte November aus Verkehrssicherheitsperspektive für sinnvoll? Sollten nicht vielmehr in so wichtigen und sensiblen Feldern wie der Verkehrssicherheit sachliche, sicherheitsgeleitete Überlegungen unmissverständlich Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen von einzelnen Lobbies, zB Fahrzeughändlern, haben?
Antwort:
Da diese Ausnahme bislang keinerlei Probleme bereitet hat, sehen hier die Experten des BMVIT kein Problem darin.
Fragen 6 und 7:
Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ kritisiert, dass ältere Wohnwagen, die noch nicht in den Fahrzeugklassen N1 oder M1 eingestuft sind, nicht von der Winterreifenpflicht erfasst sind.
a) Trifft diese Kritik zu?
b) Wenn ja, wie erklären Sie diesen Mangel der nicht zuletzt von Ihnen betriebenen
Schnellschuss-Gesetzesänderung?
c) Welche Verbesserungsvorschläge dazu werden Sie wann im einzelnen vorlegen?
Der geschäftsführende Vizepräsident des ARBÖ kritisiert, dass abgeleitete Fahrzeuge wie Ausstellungsfahrzeuge oder Büro-LKW, nicht von der Winterreifenpflicht erfasst sind.
a) Trifft diese Kritik zu?
b) Wenn ja, wie erklären Sie diesen Mangel der nicht zuletzt von Ihnen betriebenen
Schnellschuss-Gesetzesänderung?
c) Welche Verbesserungsvorschläge dazu werden Sie wann im einzelnen vorlegen?
Antwort:
Wie bereits oben dargelegt, sollten PKW und Klein-LKW erfasst werden. Dass jetzt bestimmte abgeleitete Fahrzeuge nicht von der Winterreifenpflicht erfasst sind, dürfte angesichts der geringen Zahl solcher Fahrzeuge kaum ein Problem sein. Andererseits können bei solchen Fahrzeugen ja wie bisher auf freiwilliger Basis Winterreifen angebracht werden, was wohl insbesondere bei Wohnmobilen, die im Winter verwendet werden der Fall sein wird.
Hinweisen möchte ich aber darauf, dass es sich bei den von Ihnen angesprochenen Wohnwagen um Anhänger handelt, die hier überhaupt keine Rolle spielen. Es geht um Wohnmobile und nicht um Anhänger.
Frage 8:
Auf welcher konkreten Rechtsgrundlage sollte die von Ihnen nach dem A21-Schneechaos öffentlich angekündigte „Unterstützung von Sammelklagen“ (offenbar durch die Republik oder den Verkehrsminister) erfolgen?
Antwort:
Ich wollte dadurch zum Ausdruck bringen, dass die Vorgangsweise überlegenswert erscheint, wenn zivilrechtliche Schadenersatzklagen der betroffenen Personen gegen die Fahrzeugbesitzer bzw. Lenker eingebracht werden, die durch ihr falsches Verhalten diese chaotische Situation und den Stau ausgelöst haben.
Frage 9:
Bereits im Verkehrsausschuss des Nationalrates wurde die Regelung selbst von VertreterInnen der Regierungsfraktionen deutlich kritisiert. Halten Sie es für zielführend, Gesetzesänderung in wichtigen, sicherheitsrelevanten Materien wie dieser zeitlich und inhaltlich nach der Stimmungslage in Boulevardmedien auszurichten und dafür sogar die Abstimmung innerhalb der eigenen Gesinnungsgemeinschaft bzw. Koalitionspartnerschaft zu vernachlässigen?
Antwort:
Wie bereits in der Antwort zur Frage 1 dargelegt, handelte es sich um eine von Abgeordneten des Parlaments initierte Gesetzesänderung. Mir ist eine von Ihnen angesprochene Kritik an dieser Regelung im Verkehrsausschuss nicht in Erinnerung. Die neue Regelung wurde mit entsprechender Mehrheit beschlossen. Ich halte die Einführung einer Winterreifenpflicht auch für PKW und Klein-LKW durchaus für sinnvoll. Das hat nichts mit Stimmungslage in bestimmten Medien zu tun.
Frage 10:
Ist Ihnen bekannt, dass die SPÖ in den letzten Jahren wiederholt mit dem Slogan „Speed kills“ bzw. „Speed kills quality“ scharfe Kritik an qualitativ ungenügenden Gesetzesvorschlägen und
–beschlüssen der Schüssel-Regierungen bzw. der damaligen Regierungsparteien übte, gerade auch im Verkehrsbereich wegen des wiederholten dementsprechenden Vorgehens von ÖVP-Staatssekretär Kukacka und seinen FPÖ- bzw. BZÖ-KollegInnen?
Antwort:
Ja, aber ich denke das trifft hier nicht zu.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Faymann