2989/AB XXIII. GP

Eingelangt am 03.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für europäische und internationale Angelegenheiten

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Hermann Gahr, Kolleginnen und Kollegen, haben am  27. Februar 2008 unter der Nr. 3634/J-NR/2008 an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „illegaler Visa-Handel“ gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Österreich hat 95 Vertretungsbehörden mit Visabefugnis, an denen pro Jahr durchschnittlich 400.000 Visa ausgestellt werden. Österreichische Honorarkonsulate haben keine Visabefugnis.

Ein missbrauchsfestes Visasystem ist eine dauernde Herausforderung für jedes Außenministerium. In den österreichischen Botschaften und Konsulaten wird gemeinsam vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheit (BMeiA) und dem Bundesministerium für Inneres (BM.I) die Kontrolle unserer Grenzen durchgeführt.

Niemand hat ein größeres Interesse an einem korruptionsfreien und missbrauchsfesten Visasystem als das BMeiA und ich selbst als Ressortchefin. Gleichzeitig kann niemand garantieren, dass sich unter seinen MitarbeiterInnen nicht jemand befindet, der strafbare Handlungen setzt. Was ich jedoch garantieren kann: Wir gehen konsequent jedem Hinweis nach mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen, Missbräuche aufzudecken und abzustellen sowie Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten.


Zu den Fragen 1 und 2:

Ich habe den Ministerrat zuletzt am 27. Februar 2008 über die vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs bei der Visavergabe informiert. Es handelt sich dabei um einen breiten Maßnahmen-Mix von personellen Maßnahmen über verstärkte Kontrolle und Schulungen bis hin zu Verbesserungen in der Infrastruktur und internationaler Zusammenarbeit.

Das Parlament haben ich und Staatssekretär Dr. Hans Winkler im Rahmen von Ausschuss-und Plenardebatten sowie durch die Beantwortungen von insgesamt 7 schriftlichen parlamentarischen Anfragen informiert.

Die Maßnahmen im Einzelnen:

1. Personelle Maßnahmen

•     Personalmaßnahmen von Versetzungen und Einberufungen bis hin zu Disziplinarmaßnahmen und Entlassungen: z.B.

-          Entlassung des nunmehr verurteilten ehemaligen Vizekonsuls im November 2005

-          Einberufung eines Botschafters 2006 sowie eines Generalkonsuls 2008

-          Suspendierungen eines ehemaligen Konsuls 2004 und eines ehemaligen Botschafters 2008

-          15 Beendigungen von Arbeitsverhältnissen

-          Kündigung der Verträge mit 2 Honorarkonsuln

 

         Personalmaßnahmen in Wien: Leitungsfunktionen in den Konsular- und Verwaltungssektionen neu besetzt.

         Personelle Verstärkung des Konsular-Personals im Ausland: Zusätzlich 25 entsandte Bedienstete und 25 Ortskräfte ab 2007/2008.

         Verpflichtende Rotation der MitarbeiterInnen im Konsularbereich.

         Personelle Verstärkung des Generalinspektorats.


2. Verstärkung der Kontrolle

         Verstärkte unangekündigte Inspektionstätigkeit: Am 25. Februar 2008 in Belgrad durch Leiterin der Konsularsektion, um Aussagen von Richter Mag. Liebetreu sofort  zu überprüfen; 2007 insgesamt 13 unangekündigte Inspektionen

durch Generalinspektor im Ausland.

         Erlassung neuer Konsular- und Visa-Richtlinien im März 2006, dadurch u.a. flächendeckende Einführung des „4-Augen"-Prinzips - kein Visum kann mehr von einer Person alleine ausgestellt werden.

         Seit 2003 sind Anträge dort einzureichen, wo der/die Visumwerber/in seinen/ihren Wohnsitz hat. Dadurch keine Möglichkeit von „Visa-Shopping" an anderen österreichischen Vertretungsbehörden.

         MissionschefInnen müssen persönlich unangekündigte Überprüfungen vornehmen und sich stichprobenmäßig Visaunterlagen vorlegen lassen.

         Skartierung: Visaakten sind mindestens 5 Jahre aufzubewahren (EU-Vorgabe 1 Jahr), für heikle visaintensive Botschaften wurde bereits vor mehr als 2 Jahren ein Vernichtungsstopp verhängt.

         Einführung elektronischer Verpflichtungserklärungen und elektronischer AMS-Bestätigungen für mehr Sicherheit.

         Schrittweise Einführung telephonischer Terminvergabe („call centers"), dadurch Vermeidung von Warteschlangen.

         Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres (BM.I): gemischte Prüfteams, Analyse der Entwicklung der Visazahlen, Evaluierung der Visumverwaltung.

3. Schulungsmaßnahmen

         Weiterentwicklung der Unternehmenskultur durch Sensibilisierung und Schulungen, z.B. 2007: 37 Schulungen im Bereich Konsularwesen, davon 9 zum Thema Visumadministration, 4 zum Thema Korruptionsprävention und 1 Schulung zur Schlepperkriminalität.

         Gemeinsame BMeiA/BM.I-Schulungen an Botschaften, zuletzt in Peking und Abuja.

         Umfassendes Schulungskonzept für Grundausbildung und berufsbegleitende Weiterbildung gemeinsam von BMeiA und BM.I erstellt.


4. Verbesserung der Infrastruktur

         Umsetzung der Anregungen des Rechnungshofs: Infrastruktur durch bauliche und ausstattungsmäßige Maßnahmen an 11 Vertretungsbehörden verbessert (z.B. Neubau der Visastelle in Moskau; an anderen Orten neue Visaschalter und Umbauten).

         Dabei werden auch EU-Finanzierungsmittel genützt, insbesondere des Außengrenzenfonds.

5. Internationale Zusammenarbeit

         Maßnahmen gegen Visa-Annoncen gemeinsam mit anderen Schengenpartnern, etwa  in Serbien: Ich habe z.B. im Spätherbst 2005 persönlich vom serbisch-montenegrinischen Außenminister Vuk Draskovic ein Handeln der serbischen Behörden gefordert. Folge: Anzeigen gegen 8 Verdächtige.

         Vorreiterrolle Österreichs bei der Errichtung der ersten gemeinsamen EU-Visaantragsstellen in Chisinau und Podgorica.

         „Peer Review": Der deutsche Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey haben auf mein Ersuchen zugestimmt, durch von ihnen nominierte Fachleute eine externe Bewertung der Missbrauchssicherheit des österreichischen Visavergabesystems vorzunehmen. Ein entsprechendes Projekt wird derzeit entwickelt.

Zu Frage 3:

Die - unabhängige und weisungsfreie - Visa-Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Außenministers Dr. Peter Jankowitsch wurde von mir am 11. November 2005 zur Untersuchung der Verdachtsmomente und Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen eingesetzt.


Sie ist insbesondere zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen:

         Keine Hinweise für kriminelle Netzwerke im Außenministerium.

         Verdacht auf Fehlleistungen Bediensteter des Außenministeriums, teils in Zusammenwirken mit außenstehenden Dritten.

         Schaffung eines ausgeprägteren Problembewusstseins auf allen Ebenen ist notwendig.

         Ausreichende Ausstattung der Vertretungsbehörden in personeller und materieller  Hinsicht von besonderer Relevanz.

         Insbesondere bei den mit Visaerteilung befassten Bediensteten und an besonders sensiblen Dienstorten Prüfung einer Verbesserung des Personalmanagements.

Die Umsetzung der Empfehlungen der „Jankowitsch-Kommission" - ebenso wie solche des Rechnungshofes - ist genau jener in der Beantwortung von Fragen 1 und 2 beschriebene breite Maßnahmen-Mix.

Zu Frage 4:

In den letzten Jahren gab es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen betreffend 7 Botschaften (Ankara, Belgrad, Budapest, Bukarest, Kiew, Lagos und Sarajewo). Die Ermittlungen betreffend die Botschaften in Abidjan, Abuja und Bangkok wurden eingestellt.

In diesen Botschaften wurde - so wie auch in allen anderen österreichischen Vertretungsbehörden - der in Beantwortung von Fragen 1 und 2 beschriebene breite Maßnahmen-Mix umgesetzt.


Zu Frage 5:

DienststellenleiterInnen seit dem Jahr 2000, deren Namen auch dem Amtskalender zu entnehmen sind, waren bzw. sind:

Ankara:

Dr. Ralph SCHEIDE               (bis 2001)

Dr. Markts CALLIGARIS      (bis 2006)

Dr. Heidemaria GÜRER          (seit 2006)

Belgrad:

Dr. Werner ALMHOFER       (bis 2001)

Dr. Hannes PORIAS              (bis 2005)

Dr. Gerhard JANDL               (seit 2005)

Budapest:

Dr. Hannes PORIAS                                                  (bis 2001)

Dr. Günter BIRBAUM                                                (bis 2004)

Dr. Ferdinand MAYRHOFER-GRÜNBÜHEL           (seit 2004)

Bukarest:

Dr. Karl VETTER VON DER LILIE              (bis 2002)

Dr. Christian ZEILEISSEN                             (bis 2007)

Dr. Martin EICHT1NGER                              (seit 2007)

Kiew:

Dr. Klaus FABJAN                            (bis 2001)

Dr. Michael MIESS                            (bis 2006)

Dr. Josef Markus WUKETICH           (seit 2006)

Lagos (Botschaft übersiedelt nach Abuja Sept./2005):

Dr. Christoph PARISINI                     (bis 2004)

Dr. Peter Christian FELLNER         (seit 2005)

Sarajewo:

Dr. Gerhard JANDL                (bis 2005)

Dr. Werner ALMHOFER     (seit 2005)